PD-L1-Testung bei urologischen Tumoren

Seit der Zulassungsänderung der Medikamente Pembrolizumab (Keytruda®) und Atezolizumab (Tecentriq®) durch die EMA und die FDA sind Pathologen auch bei Urothelkarzinomen gefordert, PD-L1-Färbungen durchzuführen und auszuwerten. Anders als beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC), wo die Durchführung eines TPS (Tumor Proportion Score) bereits Standard ist, wurden PD-L1-Färbungen bei Urothelkarzinomen bisher nur bei speziellem Interesse durchgeführt und ausgewertet.

Austestung bei Erstlinientherapie

Laut Zulassungsänderung dürfen Checkpoint-Inhibitoren (CPI) in der Erstlinientherapie lediglich nach positiver PD-L1-Testung bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem/metastasiertem Urothelkarzinom, die für eine cisplatinbasierte Therapie nicht geeignet sind, eingesetzt werden. Hier unterscheidet sich die europäische von der amerikanischen Herangehensweise. In Europa ist in der Erstlinientherapie in jedem Fall ein positiver PD-L1-Score notwendig. Das amerikanische Vorgehen erlaubt zusätzlich eine Verwendung von CPI bei Patienten, die keinerlei platinhaltige Chemotherapie erhalten können, unabhängig vom PD-L1-Score. Je nach Substanz wurden in den Studien unterschiedliche PD-L1-Scores angewandt, die auch mit unterschiedlichen Antikörpern ausgetestet und auf verschiedenen Plattformen evaluiert wurden.
In den Studien mit Pembrolizumab wurde der sogenannte CPS (Combined positive Score) mit dem Antikörper 22C3 (Dako) ausgewertet, für Atezolizumab wurde die Anzahl der positiven, tumorinfiltrierenden Immunzellen (IC) in einer Färbung mit dem Antikörper SP142 (Ventana) ausgewertet, wobei jeder Antikörper mit einem eigenen Stainer und Färbeprotokoll zugelassen ist. Zusätzlich zur unterschiedlichen Auswertung ergeben sich auch unterschiedliche Grenzwerte (CPS ≥ 10 bzw. IC ≥ 5 %).

Scores

TPS (Tumor Proportion Score): Hier werden alle Tumorzellen gezählt, die membrangebunden positiv für PD-L1 färben, und durch die Gesamtzahl der Tumorzellen gerechnet (Prozentwert positiver Tumorzellen). Dieser Score findet beim Urothelkarzinom derzeit keine Anwendung, bietet allerdings die Basis für das Errechnen verschiedener Scores.

IC (positive Immunzellen): Es werden positiv färbende tumorassoziierte Immunzellen (Lymphozyten, Makrophagen, dendritische Zellen und Granulozyten) als Prozentwert der Tumorfläche bestimmt. Dieser Score findet in den Studien zu Atezolizumab, mit dem Antikörper SP142, Verwendung.1

CPS: Der Combined positive Score, getestet in den Studien für Pembrolizumab mit dem Antikörperklon 22C3, ist eine kombinierte Auswertung von TPS und IC. Hier werden positiv färbende Tumorzellen und Immunzellen (aber nur Lymphozyten und Makrophagen) addiert und durch die Gesamtzahl der Tumorzellen gerechnet. Nach Multiplikation mit 100 ergibt sich ein numerischer Wert, der aber max. 100 betragen darf.2

Vor- und Nachteile der Scores

Allen gemeinsam ist allerdings, dass der Pathologe eine Unterscheidung zwischen Immunzellen und Tumorzellen treffen muss, um eine akkurate Auswertung zu gewährleisten. Das ist nicht immer ganz einfach, da nicht nur Tumor- von Immunzellen, sondern teils auch die Immunzellen untereinander unterschieden werden müssen, da, je nach Score, nur einzelne Untergruppen gewertet werden dürfen. Außerdem müssen Nekroseareale innerhalb der Tumorformationen von der Auswertung ausgeschlossen werden.
Beim IC ist die Unterscheidung zwischen tumorassoziierten und tumorfernen Immunzellen eine weitere Herausforderung für die Befundenden. Positiv färbende Immunzellen dürfen nur im Tumorareal und in dessen unmittelbarer Nachbarschaft gewertet werden. Eine besondere Herausforderung stellen hier Areale mit Tumorfärbung dar, da in Bereichen mit angefärbten Tumorzellen Immunzellen nicht ausgezählt werden können oder dürfen.
Der CPS erfordert in der Theorie ein einzelnes Auszählen aller Tumorzellen und tumorassoziierten Immunzellen, was sich in der Praxis als stundenlanges Auszählen einer einzelnen Probe erweisen würde und sich schlichtweg nicht als durchführbar erweist. Zudem zeigt die Erfahrung, dass ein Schätzwert auch nicht wesentlich ungenauer ist als ein genaues Auszählen aller Tumor- und Immunzellen.

Herausforderungen und Anregungen

Auch durch Trainings der unterschiedlichen Scores kann hier zwar eine Verbesserung der Interobservervarianz bewirkt werden, die jedoch in Grenzfällen (und das ist die Mehrheit der Fälle) wieder zu Diskussionen führt. Hier wäre eine Überarbeitung der derzeitigen Scores in Bezug auf bessere Präzisierung und einfachere Durchführbarkeit erforderlich, da die derzeitige Methode, aufgrund des intensiven Zeitaufwands, nicht breitflächig anwendbar ist.
Eine andere Frage, die diese Modelle unbeantwortet lassen, ist die, wie morphologisch und immunhistochemisch unterschiedliche Areale auszuwerten sind. Was geschieht mit Tumoren, die ein papilläres Areal mit einer absoluten Negativität für PD-L1 sowohl in Tumor- als auch in Immunzellen aufweisen und ein anderes, vielleicht kleineres, solides und invasives Areal zeigen, das für PD-L1 stark positiv ist? Je nach Tumorgröße ergibt sich in dem Gesamtscore vielleicht nur eine schwache Positivität oder gar ein negatives Ergebnis, obwohl der invasive (aggressive) Tumoranteil stark positiv färbt. Hier wären eindeutige Richtlinien (z. B. Auswertung nur in den dedifferenzierten Arealen) wünschenswert (bzw. wird dies zumeist in der Praxis so gehandhabt).
Aus pathologischer Sicht wäre einerseits eine Vereinheitlichung des Auswertungssystems mehr als wünschenswert. Die wenigsten Institute werden mehrere Antikörper verwenden, um „das Gleiche“ auszutesten, zumal die Auswertung beim Urothelkarzinom eine Neuerung ist, die sich in bestehende Systeme (NCSLC etc.) einordnet. Auf der anderen Seite steht hier natürlich die Frage nach der Einschränkung der Therapieoptionen beim Urothelkarzinom. Ist nur ein Medikament verfügbar, wenn nur ein Antikörper verwendet wird (22C3 – Pembrolizumab, SP142 – Atezolizumab)?
In den Fachinformationen sind keine derartigen Einschränkungen enthalten, und auch die Zulassungsschrift der EMA sieht lediglich die jeweiligen Scores vor, ohne spezifisch auf die benötigten Antikörper einzugehen. Von Seiten der Herstellerfirmen wird darauf verwiesen, dass zur Verwendung anderer Antikörper zwar keine Daten verfügbar sind, allerdings einige Vergleichsarbeiten existieren.3, 4 Demnach können zur Auswertung des IC alle verfügbaren Antikörper (22C3, 28-8, SP263, SP142) verwendet werden. Tumorzellen werden allerdings von SP142 deutlich schwächer angefärbt, weshalb eine Auswertung des CPS mit diesem Antikörper nicht empfehlenswert ist.

Doppelte Austestung: Dessen ungeachtet hat sich vielfach eingebürgert, eine doppelte Austestung durchzuführen, um von den Studien nicht abzuweichen. Hierbei wird jede Probe doppelt gefärbt und anschließend der IC in der Färbung mit SP142 und der CPS in der Färbung mit 22C3 ausgewertet. Diese Praxis mag bei geringem Probenaufkommen problemlos sein, bei hoher Probenanzahl und konsequenter doppelter Austestung stellt dies allerdings eine immense Mehrbelastung (finanziell und vor allem personell) dar.

Ausblick Nierenzellkarzinom

CPI spielen auch in anderen urogenitalen Tumoren, wie zum Beispiel Nierenzellkarzinomen, eine Rolle. Derzeit besteht allerdings lediglich bei Urothelkarzinomen die Notwendigkeit einer PD-L1-Auswertung durch die befundenden Pathologen. Erste Schulungen zur Antikörper-Auswertung beim Nierenzellkarzinom werden allerdings schon angeboten. In einer rezenten Arbeit zu Atezolizumab beim Nierenzellkarzinom wurde beispielsweise der IC mit einem Cut-off von 1 % verwendet. Zudem wird möglicherweise in Zukunft der Zugang zu diesen Medikamenten auch von Seiten der Versicherungsträger an einen bestimmten PD-L1-Score gebunden. So blicken wir gespannt in die ungewisse Zukunft der PD-L1-Auswertung in der Uropathologie.

 

 

1 VENTANA PD-L1 (SP142) Assay Interpretationshilfe für Urothelkarzinom

2 PD-L1 IHC 22C3 pharmDx Interpretation Manual – Urothelial Carcinoma. Agilent Technologies. December 2017
3 Hirsch FR et al., J Thorac Oncol 2017; 12:208–22
4 Schwamborn K et al., ESMO 2017, Abstr 1175P
5 McDermott DF et al., Nature Medicine 2018; 24:749–757