Rezidivierender HWI: Der diagnostische Wert des Miktions-EMG

In der täglichen Routine einer/s urologischen Praxis/Ambulanzbetriebs sieht man sich sehr oft mit dem Problem von wiederkehrenden Harnwegsinfekten, vor allem bei jungen Frauen, konfrontiert. Meist wurden diese Patientinnen bereits mehrfach mit verschiedenen Antibiotika behandelt, mehrere bakteriologische Untersuchungen durchgeführt und schließlich aufgrund von Rezidiven zum Urologen überwiesen. Betroffene Frauen sind verunsichert, lehnen einen neuerlichen Antibiotikaeinsatz ab und beklagen Nebenwirkungen wie Vaginalmykose oder Diarrhö. Gemäß dem derzeitigen Abklärungsalgorithmus beginnt nun ein zeitaufwändiger, meist invasiver und damit, vor allem für junge Frauen, sehr belastender Diagnosepfad zur Abklärung der Ursache.

Ursachen für rezidivierende Harnwegs­infekte bei der Frau: Die häufigsten Ursachen für den immer wiederkehrenden Harnwegsinfekt sind neben hygienischen und sexuellen Gewohnheiten die Meatus­s­tenose, der vesikoureterale Reflux und Restharnbildung. Allerdings können auch häufig Miktionsstörungen wie Detrusor-Sphinkter-Dyssynergien bei neurologischen Patientinnen oder eine Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination rezidivierende Harnwegsinfekte verursachen. Dabei kommt es durch den turbulenten Harnfluss (im Gegensatz zum laminaren Fluss bei normaler Miktion) zur Aszension von Keimen. Dieses Zustandsbild wird allerdings bei der klassischen Dia­g­nostik nicht erfasst.

Bisheriger diagnostischer Algorithmus: Nach den derzeit etablierten Abklärungsrichtlinien werden bei rezidivierenden Harnwegsinfekten im urologischen Alltag folgende Untersuchungen durchgeführt:
Harnstreifen, Antibiogramm

Ultraschall der Blase und der Niere
intravenöses Pyelogramm (IVP) bei Erwachsenen
Refluxzystogramm
Harnröhrenkalibrierung
Zystoskopie

 

Die Durchführung eines Miktions-EMG ist derzeit nicht Standard.

Das Miktions-EMG: Beim Miktions-EMG (auch Flow-EMG) wird eine Uroflow-Kurve und simultan die Beckenbodenaktivität während der Miktion aufgezeichnet.

Es werden Klebeelektroden an den äußeren Labien (Gegenelektrode am Oberschenkel) angebracht, und die Frauen urinieren in ein spezielles WC. Diese Untersuchung ist nichtinvasiv, wenig zeitaufwändig, kostengünstig und kann auch in der urologischen Praxis problemlos Anwendung finden.

Eigene Studienergebnisse: In einer am Landesklinikum Weinviertel durchgeführten Studie wurden 161 Patientinnen mit wiederkehrenden Infekten untersucht. Dabei zeigte sich als Infektionsursache bei rund 15 % eine Meatusstenose, in weniger als 1 % der Fälle konnten wir eine Nephroptose nachweisen. In 1,2 % war ein vesikoureteraler Reflux im Refluxzystogramm erhebbar. Zusätzlich wurde bei allen Frauen ein Miktions- EMG durchgeführt. Bei fast der Hälfte aller untersuchten Patientinnen konnte ein pathologischer Befund im Miktions-EMG nachgewiesen werden. Somit zeigte das Miktions-EMG die mit Abstand höchste Sensitivität im Hinblick auf die Abklärung von rezidivierenden Harnwegsinfekten. Darüber hinaus beschrieb ein Großteil dieser Frauen ein pathologisches Miktionsverhalten im Sinne von Vermeidung von öffentlichen Toiletten, in Hockstellung zu miktionieren sowie auch die Unfähigkeit, während der Miktion zu entspannen.

 

 

Therapeutische Aspekte: In der Akutphase sollten alle Patientinnen eine testgerechte antibiotische Therapie erhalten.
Nach Abheilung des Infekts muss im Intervall die Ursachenabklärung erfolgen und je nach Befund gegebenfalls eine Sanierung der anatomischen Pathologien erfolgen. Bei Patientinnen, die eine Sphinkter-Detrusor-Dyskoordination im Miktions-EMG aufweisen, können weitere invasive diagnostische Untersuchungen wie Zystoskopie, Refluxzystogramm und Harnröhrenkalibrierung entfallen oder als Second-Line-Diagnostik durchgeführt werden. In den meisten Fällen ist durch eine Biofeedbacktherapie mit Entspannungsübungen eine komplette Heilung möglich (Abb. 1 und 2). Diese Behandlungen können direkt in spezialisierten urologischen Ambulanzen erfolgen, oder die Frauen werden auf ein Heimgerät eingeschult. Auch bei einigen niedergelassenen Fachärzten für Urologie und Gynäkologie können solche Einschulungen erfolgen. Nähers zur Therapie wird im folgenden Artikel eines darauf spezialisiertes Zentrums für Physikalische Medizin (Prim. Uher) beschrieben. Kontaktdaten über die lokale Verfügbarkeit solcher Therapien können über die MKÖ erfolgen (info@kontinenzgesellschaft.at bzw. www.kontinenzgesellschaft.at).

 

 

Take Home Message

Das nichtinvasive Miktions-EMG zeigt – den Untersuchungen im Landesklinikum Korneuburg nach – von allen diagnostischen Maßnahmen zur Abklärung der rezidivierenden Harnwegsinfekte am häufigsten ein pathologisches Ergebnis.
Durch Vorreihen des Miktions-EMG im Abklärungsalgorithmus wird der Diagnoseweg ziel­orientierter und deutlich verkürzt.