Team-based Learning: Eine neue Methode zur Wissensvermittlung

In der medizinischen Aus- und Weiterbildung gewinnt aktives Lernen in Kleingruppen zunehmend an Bedeutung. Team-based Learning (TBL) ist eine neu entwickelte Methode zur Wissensvermittlung, die es einem einzelnen Fachexperten ermöglicht, in einem Auditorium mehr als 100 Lehrveranstaltungsteilnehmer zu betreuen und trotzdem aktives Lernen in Kleingruppen mit einem hohen Maß an fachlichem Feedback zu gewährleisten. Der hohe Wirkungsgrad im Lernprozess bei geringem Ressourcenaufwand machen diese Form der Ausbildung in der modernen Wissensvermittlung besonders attraktiv.

Ziele: In der akademischen Lehre vollzieht sich derzeit ein Paradigmenwechsel. Im Blickwinkel des Interesses steht immer weniger die Frage „Wie kann ein Fachexperte besser lehren?“ als vielmehr die Frage „Wie kann ein Studierender besser lernen?“. Erklärtes Ziel ist es, Studierende aus einer passiven Rolle in eine aktive Lernsituation zu versetzen, um ein höheres Maß an Wissenserwerb und eine größere Nachhaltigkeit im Lernprozess zu erreichen. Unter diesem Blickwinkel wurde Team-based Learning (TBL) von Larry K. Michaelsen, Prof. of Management and Business Communication an der University of Central Missouri, USA, entwickelt1. TBL ist eine genau strukturierte Form des Kleingruppenunterrichts, wobei unter Leitung eines ­Fachexperten bei den Teilnehmern nicht nur Fachwissen erworben, sondern auch die Fähigkeit zur Problemlösung entwickelt werden soll.

Ablauf: TBL gliedert sich in eine Vorbereitungsphase und in den eigentlichen angeleiteten Unterricht im Auditorium unter Leitung des Fachexperten. Die Vorbereitungsphase besteht im Selbststudium zugewiesener Lernunterlagen, die den Stoff der Lehrveranstaltung abdecken. Auf diese Weise wird erreicht, dass die Teilnehmer bereits ein fachliches Vorwissen in den angeleiteten Unterricht mitbringen. Für die Aktivitäten im Auditorium werden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip in Teams von optimal fünf bis sieben Mitgliedern eingeteilt und jedem Team ein bestimmter Platz im Auditorium zugewiesen. Jedes Team erhält eine Mappe mit Testblättern und Kennbuchstaben zum Anzeigen von Fragenantworten. Es ist wichtig, die Teamzusammensetzung während des gesamten Kurses nicht mehr zu verändern, um eine optimale Entwicklung der Teamarbeit zu gewährleisten. Der angeleitete Unterricht im Auditorium besteht aus einer sich wiederholenden Abfolge genau festgelegter Aktivitäten, die synergistisch ineinanderwirken.

Schritt 1 – Der individuelle Test: Am Beginn des angeleiteten Unterrichts steht ein Multiple-Choice-Test der Teilnehmer über den in der Vorbereitungsphase erarbeiteten Lernstoff. Typischerweise besteht der Test in einem Set mehrerer Fachfragen, die mittels PowerPoint präsentiert werden. Jeder Teilnehmer muss für sich auf einem individuell zur Verfügung gestellten Testblatt die jeweilige Fachfrage beantworten. Die Testfragen sollten fundamentale Inhalte des Lernstoffs abdecken und von angemessener Schwierigkeit sein, um den nachfolgenden Diskussionsprozess im Team zu fördern.

Schritt 2 – Der Team-Test: In einem nächsten Schritt wiederholen die Teilnehmer denselben Test, diesmal jedoch in Teamarbeit. In den Teams muss Konsens zu jeder einzelnen Fragenantwort gefunden werden. Nach Aufforderung durch den Fachexperten geben alle Teams simultan im Auditorium ihre Fragenantwort bekannt, indem die jeweiligen Teamsprecher den Kennbuchstaben der gewählten Antwort anzeigen (Abb.).

 

 

Schritt 3 – Die Verteidigung: Unter der Leitung des Fachexperten verteidigen und begründen die Teamsprecher im Auditorium fachlich ihre Fragenantworten gegenüber den jeweils anderen Teams.

Schritt 4 – Das Feedback: Unmittelbar nach dem Verteidigungsprozess wird durch den Fachexperten die korrekte Antwort zur jeweiligen Testfrage angezeigt. Nun ist der Fachexperte gefordert, kurz und gezielt zu erklären, was von den Teilnehmern falsch beantwortet, noch nicht gewusst oder nicht verstanden wurde.

Schritt 5 – Die Anwendungsübungen: Nach Abschluss der Testfragen werden dann in der letzten Phase von TBL den Teams noch weitere anwendungsorientierte Aufgaben präsentiert, bei denen die Teilnehmer in der Lehrveranstaltung erlerntes Wissen einsetzen müssen, um im Team Fachprobleme zu lösen. Diese Phase konzentriert sich auf das Treffen von Entscheidungen und dient vor allem der Vertiefung des Verständnisses.

Gewinn: TBL beschränkt sich nicht auf die Aufeinanderfolge unabhängiger Klein­gruppenaktivitäten, sondern ist eine pädagogische Strategie, in der mehrere Schritte synergistisch ineinanderwirken, um auf diese Weise einen möglichst hohen Lerneffekt zu erzielen. Durch individuelle Vorbereitung im Selbststudium erwerben die Teilnehmer bereits ein fachliches Vorwissen noch vor dem angeleiteten Unterricht durch den Fachexperten. Dieses Vorwissen wird in einem Test abgefragt und dadurch, dass in der nachfolgenden Teamarbeit eine fachbezogene Diskussion und Entscheidungsfindung zu den Testfragen stattfindet, intensiv wiederholt. Sollte dieses Wissen bei einzelnen oder mehreren Mitgliedern des Teams nicht vorhanden sein, können andere mit ihrem Wissen und ihren Erklärungen einspringen. Diese Wissensvermittlung durch Gleichaltrige – „Peer Teaching“ – stellt eine zusätzliche Möglichkeit dar, den Lernprozess zu intensivieren. Entscheidend und von hohem Wirkungsgrad im Wissenserwerb ist das unmittelbare Feedback durch den Fachexperten nach Bekanntgabe der korrekten Fragenantworten. Mit diesem Schritt können äußerst wirksam und mit großer Nachhaltigkeit im Lernprozess offene Fragen erörtert und Unklarheiten oder Denkfehler beseitigt werden, da die Teilnehmer durch Teamarbeit und Verteidigungsprozess emotionell und kognitiv aktiviert sind. Ein wesentlicher Gewinn unter TBL besteht auch darin, dass durch den Einsatz von Anwendungsübungen unmittelbar nach Bearbeitung der Testfragen auch die Fähigkeit zur Problemlösung entwickelt und die Entscheidungskompetenz gefördert wird. Neben dem effizienten Erwerb von Fachwissen fördert TBL die Fähigkeit zur Teamarbeit und schult die Teilnehmer, konstruktiv fachliche Kontroversen zu führen, indem sie Fragenantworten im Auditorium verteidigen müssen. Nach Einschätzung der Studierenden ist TBL eine effiziente und sehr motivierende Lernstrategie mit positivem Einfluss auf das Lernverhalten (Tab.).

 

 

Nicht zuletzt besteht die Attraktivität von TBL auch darin, dass die Rolle des Fachexperten nicht mehr darin zu sehen ist, den Lernstoff eines Kurses in seiner ganzen Bandbreite darzustellen, sondern nur mehr gezielt das zu erörtern, was die Teilnehmer nach individueller Vorbereitung und Teamarbeit noch nicht erfasst oder verstanden haben. Unter TBL ist es für die Fachexperten kaum je notwendig, langweilig empfundenes Faktenwissen zu vermitteln oder leicht verständliche Grundlagen durchzuarbeiten.

Einsatz: TBL wird weltweit in vielen Fachbereichen verwendet und kommt nun auch immer mehr in der medizinischen Ausbildung zum Einsatz2, 3. Das Spektrum reicht von Einzelveranstaltungen im kleinen Rahmen bis zu gesamten Kursen3. Nach einer Pilotphase im Studienjahr 2003/04 wurde diese Form der Wissensvermittlung auch erfolgreich an der Medizinischen Universität Wien eingeführt4. TBL ist auch integraler Bestandteil der postgraduellen Ausbildung akademischer Lehrer zum Master of Medical Education.

 

1 Michaelsen LK, Baumann Knight A, Fink LD (edts.), Team-based learning: A transformative use of small groups. Westport (CT): Praeger 2002; ISBN 0-89789-863-X
2 Thompson BM et al., Med Educ 2007; 41:250–257
3 Haidet P et al., Acad Med 2012; 87(3):292–299
4 Wiener H et al., Croat Med J 2009; 50:69–76