Im November 2018 fand in Innsbruck das „2. Translational Science Meeting“ statt. Inhaltliches Ziel war es, Resistenzmechanismen gegenüber neuen Therapiestrategien in der Uroonkologie aufzurollen, sie zu verstehen und Escape-Mechanismen zu diskutieren, um eine verbesserte Patientenversorgung gewährleisten zu können. Das Forum, organisiert von Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Isabel Heidegger-Pircher (Urologie), Priv.-Doz. Dr. Renate Pichler, PhD (Urologie), Priv.-Doz. Dr. Andreas Pircher, PhD (Innere Medizin V/Hämatologie und Onkologie), Medizinische Universität Innsbruck, bot erneut die Möglichkeit für einen Wissensaustausch zwischen Grundlagenforschern, translationalen Forschern und Klinikern.
Das Prostatakarzinom ist als genomisch und funktionell heterogener Tumor für eine Entwicklung von Therapieresistenzen prädisponiert. Tumorheterogenität beinhaltet die Entwicklung von Tumorzellvarianten, die in der Lage sind, Selektionsbarrieren, wie sie jede Systemtherapie darstellt, zu überwinden. Dieses Prinzip von Variation und Selektion folgt damit durchaus evolutionsbiologischen Gesichtspunkten und kann zu therapeutisch letztendlich nicht mehr kontrollierbaren Krankheitsverläufen führen. Exemplarisch sei dabei die Androgendeprivationstherapie (ADT) beim Prostatakarzinom zu nennen, die regelhaft in der Kastrationsresistenz mündet. Während kastrationsresistente Tumoren zunächst abhängig vom Androgenrezeptor (AR) bleiben1 und die ADT durch kompensatorische Mechanismen umgehen, wie beispielsweise einer Heraufregulierung der Spleißvariante AR-V7 oder Mutation oder Amplifikation des AR2, können am Ende Tumoren ohne jegliche AR-Expression stehen, die nun jedoch neuroendokrine Merkmale aufweisen. Die AR-V7-Spleißvariante wurde als Marker einer Resistenz gegenüber den neuen Antiandrogenen Abirateron oder Enzalutamid beschrieben.3 Es gibt allerdings Ausnahmen von dieser Assoziation4, und es muss berücksichtigt werden, dass Resistenzen gegenüber ADT heterogene und multifaktorielle Prozesse darstellen. Eine wichtige und noch nicht ausreichend verstandene Frage ist dabei, inwieweit sich die Kastrationsresistenz unter dem Selektionsdruck der ADT entwickelt, oder ob Tumoren mit aggressiver Wachstumskinetik „hardwired“ für derartige Resistenzen sind.
Unsere eigenen Arbeiten konnten zeigen, dass eine Subgruppe von Hochrisiko-Prostatakarzinompatienten bereits zum Zeitpunkt der Diagnose und ohne längere Hormonmanipulation AR-V7 im Tumor exprimieren.5 Des Weiteren gibt es Hinweise dafür, dass insbesondere solche Prostatakarzinome, die mit einer Keimbahnmutation im DNA-Reparaturgen BRCA2 assoziiert sind, bereits im lokalisierten Stadium genetische Veränderungen aufweisen, die ansonsten charakteristisch für das kastrationsresistente Stadium sind.6 Davon unabhängig stellen Prostatakarzinome mit Mutationen in DNA-Reparaturgenen eine Subgruppe dar, die nicht nur durch ein höheres Risiko für eine Progression und Metastasierung charakterisiert ist, sondern auch distinkte therapeutische Sensitivitäten bzw. Resistenzen aufweist. So konnte gezeigt werden, dass eine Therapie mit dem PARP-Inhibitor Olaparib bei Patienten mit genetischen Defekten in DNA-Reparaturgenen zu einer Ansprechrate von 88 % führt.7 Gleichzeitig besteht eine gesteigerte Sensitivität gegenüber platinhaltigen Therapien.8 Resistenzen gegenüber PARP-Inhibitoren, zum Beispiel durch Mutationen in AKT1, stellen allerdings auch beim Prostatakarzinom ein Problem dar und können den Therapierfolg langfristig limitieren.9 Hinsichtlich des Ansprechens auf Abirateron oder Enzalutamid scheinen Patienten mit DNA-Reparaturgendefekten zumindest nichtunterlegen zu sein.10, 11
Beim Ansprechen auf Docetaxel ist die Datenlage aktuell noch uneindeutig.10, 12, 13 Es muss dabei jedoch berücksichtigt werden, dass die unter dem Begriff „DNA-Reparaturgen“ zusammengefassten Gene ein extrem breites Spektrum an zellulären Funktionen abdecken. Eine weitere Individualisierung der Systemtherapie des Prostatakarzinoms ist daher zu erwarten.
Fazit S. Duensing
Vorweg gesagt: Es gibt leider bisher keine Biomarker, die eine Therapieresistenz beim Prostatakarzinom sicher vorhersagen können bzw. schon Eingang in die klinische Praxis gefunden haben. Aber es gibt vielversprechende Ansätze auf dem Weg dahin.
Zuerst ist es wichtig, sich zu erinnern, wann, wie und wodurch Resistenzen beim Prostatakarzinom (PCa) entstehen. Wenn wir den Verlauf der Entwicklung von Prostatakarzinomen vom normalen Epithel → intraepithelialen Neoplasie → lokal begrenzten bzw. lokal fortgeschrittenen PCa betrachten, so treten bereits früh im Verlauf intrinsische Resistenzen auf1, d. h., diese liegen bereits vor einer Therapie vor. In der Regel erfolgt dann eine Androgendeprivationstherapie (ADT), unter der sich ein kastrationsresistentes PCa (CRPC) entwickeln kann, das ein Rezidiv und/oder Metastasen bilden kann. Resistenzen unter/durch eine(r) Therapie werden als erworbene (De-novo-)Resistenzen bezeichnet. Resistenzen können bei beiden Mechanismen sowohl in den Tumorzellen als auch in der Tumor-Mikroumgebung (microenvironment; z. B. in Stroma-, Gefäß-, Immun-, Stammzellen) auf genetischer und epigenetischer Ebene entstehen und wirksam werden. Genetisch sind Mutationen in Tumorsuppressor- (z. B. PTEN-Verluste), Onko- (z. B. C-myc Amplifikationen), Transport- (z. B. ABC-Transporter) und DNA-Reparaturgenen (s. u.) zu nennen. Epigenetische Veränderungen umfassen Alterationen in der DNA- und Histonmodifizierung, der RNA-Editierung oder der Expression von nichtkodierenden RNAs. Therapeutisch wichtig ist die Tumorheterogenität, d. h., inwieweit verschiedene Subpopulationen mit unterschiedlichen Resistenzeigenschaften/-mechanismen vorliegen. Da das Prostatakarzinom anders als andere Tumoren auf einen Pathway, d. h. den Androgen-/Androgenrezeptor-(AR-)
Signalweg hochgradig spezialisiert ist, zielen die meisten bisherigen Therapien (z. B. Androgenentzug, Androgenrezeptorhemmung) auf eine Schwächung/Inhibition dieses Pathways ab. Folgerichtig entwickeln die Tumoren zahlreiche Resistenzmechanismen, um speziell den Androgenrezeptor funktionstüchtig zu erhalten (z. B. durch AR-Amplifikationen/-Punktmutationen/-Überexpression/-Spleißvarianten). In den Fokus sind dabei AR-Spleißvarianten gerückt, da sie als Marker für das Nicht-mehr-Ansprechen von Enzalutamid-/Abiraterontherapien gewertet wurden2, was sich aber nur z. T. bestätigt hat.3 Aber es laufen zahlreiche klinische Studien, die nicht nur den AR, sondern auch dessen Spleißvarianten (z. B. AR-V7) als Target haben.4 Ein weiterer Resistenzmechanismus ist das Auftreten von Mutationen in DNA-Reparaturgenen, die in ca. 20–25 % der metastasierten PCa nachgewiesen werden.5 Damit werden PCa aber auch verwundbar gegenüber der Behandlung mit Hemmern der DNA-Reparatur, wie PARP-Inhibitoren (z. B. Olaparib).6 Neben den gut bekannten DNA-Reparaturgenen wie BRCA1/2, ATM, FANCA, ERCC2/4/5 und CHEK2 kommen aber auch biallelische Mutationen im CDK12- Gen für eine Behandlung mit Olaparib in Betracht. Mutationen im CDK12-Gen führen zu genomischer Instabilität (Tandemmutationen und Genfusionen), wodurch wiederum Neoantigene entstehen, die zu einer erhöhten T-Zell-Infiltration führen.7 Damit sind Patienten mit diesen Mutationen auch potenziell für ImmunCheckpoint-Therapien geeignet. Wichtig ist, dass metastasierte PCa-Patienten einem molekularen Tumorboard zugeführt werden, um genetische Veränderungen aufzudecken, die targetable/druggable sind. Weiterhin werden zahlreiche neue AR-, PARP- und Checkpoint-Inhibitoren in aktuellen klinischen Studien getestet8, und wir können den Studienergebnissen mit einem realistischen Optimismus entgegensehen.
In den letzten Jahren wurden mehrere neue Substanzen zur Therapie des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) zugelassen, die zu einer Lebensverlängerung führen. Hierzu zählen u. a. Hormontherapien mit dem Androgen-Biosynthese-Inhibitor Abirateron und dem Antiandrogen Enzalutamid. Bisher erfolgt eine Therapie nach dem „Trial and Error“-Prinzip. Das bedeutet, dass in der Regel nach 3 Monaten Therapie das Ansprechen mittels Bildgebung und klinischer Untersuchung evaluiert wird.
Ein wichtiger Schritt hin zur personalisierten Medizin wäre jedoch die Identifikation von Biomarkern, die uns eine Resistenz vorhersagen. Hiermit könnten wir Patienten unnötige Therapien ersparen, von denen sie nicht profitieren.
Als im Jahr 2014 im New England Journal of Medicine eine klinische Studie zu der Splice-Variante V7 des Androgen-Rezeptors (AR-V7) als Resistenzmarker für Hormontherapien mit Abirateron oder Enzalutamid publiziert wurde, schien dies in greifbarer Nähe (Antonarakis et al., N Engl J Med 2014). AR-V7 ist die häufigste der Androgen-Rezeptor-Splice- Varianten, denen die Ligandenbindungsdomäne für Androgene fehlt. Daher können diese nicht medikamentös blockiert werden, was zu einer Resistenz gegenüber Hormontherapien führen kann.
Aufgrund eines Androgen-Rezeptor-unabhängigen Wirkungsmechanismus bleibt eine Chemotherapie mit Taxanen jedoch wirksam, unabhängig vom AR-V7-Status (Antonarakis et al., JAMA Oncol 2015, und Onstenk et al., Eur Urol 2015). Basierend auf dieser Datenlage schien klar, dass der AR-V7-Status eine Therapieentscheidung zwischen einer Hormontherapie mit Abirateron oder Enzalutamid bzw. einer Chemotherapie mit Taxanen ermöglicht. Allerdings zeigten nachfolgende Arbeiten, dass es komplizierter ist als bis dahin angenommen.
Das initial verwendete Verfahren zum Nachweis des AR-V7-Status basiert auf der kommerziell erwerbbaren AdnaTest-Plattform mit Selektion von zirkulierenden Tumorzellen (CTC) aus dem Vollblut und nachfolgendem Nachweis von AR-V7 RNA. Mit demselben Testverfahren kamen Validierungsstudien jedoch zu dem Ergebnis, dass bis zu 19 % der Patienten mit Nachweis von AR-V7 RNA in CTCs dennoch auf eine Therapie mit Abirateron/Enzalutamid ansprechen und einen Abfall des Tumormarkers PSA > 50 % erreichen (Steinestel et al., Oncotarget 2015; Bernemann et al., Eur Urol 2017; Antonarakis et al., JCO 2017).
Ein weiteres kommerziell verfügbares Testverfahren beruht auf der EPIC-Science-Plattform. Hierbei wird ein Vollblutausstrich vorgenommen, CTCs werden mittels Immunfluoreszenzfärbungen identifiziert und die Protein-Lokalisation von AR-V7 in Zytoplasma oder Zellkern, dem eigentlichen Interaktionsort von AR-V7 mit der DNA, unterschieden. Mit diesem Testverfahren kamen Scher et al. zu dem Schluss, dass nur der nukleäre AR-V7-Nachweis mit einer Resistenz einhergeht (Scher et al., Eur Urol 2016). Am Jahreskongress der Amerikanischen Gesellschaft für Onkologie 2018 (ASCO) wurde eine Vergleichsstudie zwischen den Testverfahren AdnaTest und EPIC Science mit 120 Patienten veröffentlicht (PROPECY Trial, Armstrong et al., ASCO 2018). Hinsichtlich des primären Endpunktes radiologisches progressionsfreies Überleben konnten beide Testverfahren ein kürzeres Ansprechen bei Vorhandensein von AR-V7 nachweisen. Allerdings zeigte sich der wesentliche Unterschied beim PSA-Ansprechen: Mit dem AdnaTest waren 28 Patienten AR-V7 positiv, wovon jedoch 3 Patienten (11 %) einen PSA-Abfall > 50 % erreichten. Mit EPIC Science waren nur 11 Patienten AR-V7-positiv, wovon keiner einen PSA-Abfall > 50 % erreichte. Das bedeutet, dass der prädiktive Wert und die Prävalenz von AR-V7 sehr stark von dem verwendeten Testverfahren abhängt.
Da tumorspezifische RNA nicht nur in CTCs vorkommt, sondern auch als zellfreie-RNA in Plasma, in Exosomen und auch in Thrombozyten (Joose and Pantel Cancer Cell 2015), untersuchte unsere Arbeitsgruppe an der Technischen Universität München den Nachweis von AR-V7 RNA im Vollblut mittels digitaler PCR (Seit AK et al., Eur Urol 2017). Hiermit waren 18 % der Patienten AR-V7-positiv. Dies war mit einem kürzeren progressionsfreien Überleben und Gesamtüberleben assoziiert. Keiner der AR-V7-positiven Patienten erreichte einen PSA-Abfall > 50 %. Da diese Daten auf einem retrospektiven Kollektiv beruhen, werden wir in einer geplanten, prospektiven Studie diese Methode u. a. mit dem AdnaTest-Verfahren vergleichen („PEARL“-Studie, NCT03601143).
Einer der am häufigsten gestörten Mechanismen im Genom von malignen Tumoren ist die DNA-Reparatur. Die aktualisierten NCCN-Guidelines, Version 4. 2018, empfehlen eine Keimbahnmutationstestung bei allen Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom (mPC), da die Prävalenz von DNA-Reparaturgen-Mutationen bei dieser Patientenpopulation unabhängig von der Familienanamnese bei rund 11 % liegt. Im metastasierten Stadium ist die Inzidenz von Keimbahnmutationen in DNA-Reparaturgenen signifikant höher als bei Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom, wobei sich die häufigsten Mutationen im BRCA2-Gen (gefolgt von ATM, CHEK2, BRCA1 und PALB2) finden.
Festzuhalten ist, dass bei mPC-Patienten eine Biopsie definitiv aus der Metastase und nicht aus dem Primärtumor zu entnehmen ist, da es im metastasierten Stadium nachweislich zu einer Anreicherung von DNA-Reparaturdefekten (ein Großteil davon betrifft BRCA2-Alterationen) kommt (Robinson D et al., Cell 2015; 161[5]:1215–1228).
Generell ist beim metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) bei den neu im Raum stehenden Biomarkern als Target zwischen Homologous Recombination Deficiency (HRD; wie BRCA1/BRCA2) und Defekten in der DNA-Mismatch-Reparatur (MMR; wie etwa MSH2/MSH6) zu unterscheiden. PARP-Inhibitoren, bereits in Phase-III-Studien untersucht, stellen bei HRD eine effektive potenzielle Therapieoption dar. So zeigte die TOPARP-A-Studie (Goodall J et al., Cancer Discov 2017; 7[9]:1006–17) erstmals eindrucksvoll, dass mittels der sequenziellen Analyse von zirkulierender freier Tumor-DNA (cfDNA) aus Blutplasma („liquid biopsy“) die Wirksamkeit von PARP-Inhibitoren (Olaparib) vorausgesagt werden kann: Von den 49 untersuchten mPC-Patienten sprachen 16 Patienten auf die Therapie an; insgesamt waren bei 16/49 Patienten HRD-assoziierte Mutationen nachweisbar, von denen wiederum 14 auf die Behandlung ansprachen. Eine rezente Studie von Antonarakis ES und Kollegen (Eur Urol. 2018 Aug; 74(2):218–225) konnte belegen, dass eine Erstlinienbehandlung mit Next-Generation-Hormontherapien (Abirateron, Enzalutamid) bei mCRPC-Patienten mit Keimbahnmutationen in BRCA1/2 und ATM im Vergleich zu jenen ohne diese Mutationen zu besseren Outcomes (PSA-progressionsfreies Überleben: HR 0,47; p = 0,061, klinisch/radiologisches progressionsfreies Überleben: HR 0,50; p = 0,090, Gesamtüberleben: HR 0,28; p = 0,059) führt. Ob die Wirksamkeit von PARP-Inhibitoren mit anderen Agenzien vergleichbar ist, und ob eine Kombination von Antihormontherapie und PARP-Inhibitoren das Outcome verbessern kann, bedarf noch weiterer Studien. Vielversprechende Daten in der Therapie des mCRPC mit HRD-Gendefekten liegen auch für 223Radium vor, bedürfen allerdings noch weiterer Untersuchungen.
Empfehlungen für die Praxis: Tumorgewebe auf somatische Mutationen in DNA-Reparaturgenen prüfen, genetische Beratung bei jedem mPC-Patient im Falle dokumentierter HRD- oder MMR-Defekte; Therapiestratifizierung gemäß dem molekularen Tumorprofil: Immun-Checkpoint-Inhibitoren bei MMR-Defekten (MSI-high), PARP-Inhibitoren bei HRD. Validierte Biomarker sind notwendig, herausfordernd ist immer noch die Frage, welche analytische Methode angewandt werden soll (Metastasenbiopsie, liquid biopsy). Die Ergebnisse klinisch relevanter Studien bezüglich der Wirksamkeit von PARP-Inhibitoren werden demnächst verfügbar sein. Patienten mit Reparaturdefekten bei der homologen Rekombination sprechen zumindest gleichermaßen auf Antiandrogene (Abirateron, Enzalutamid), Docetaxel oder 223Radium an und könnten künftig auch von einer platinbasierten Therapie profitieren.
2015 wurde mit Nivolumab auf Basis des gezeigten Überlebensvorteils gegenüber Everolimus in der CheckMate025-Studie als Zweitlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms eingeführt. 2017 erfolgte ein Paradigmenwechsel, am ESMO wurden die Daten der CheckMate-214-Studie präsentiert: die Kombination von Nivolumab plus Ipilimumab schlug den Erstlinienstandard Sunitinib hinsichtlich des Gesamtüberlebens in der Erstlinie bei Intermediate- und Poor-Risk-Patienten. Demgemäß gilt heute die Kombination Nivolumab plus Ipilimumab in diesem Patientenkollektiv als Standard-of-Care in der Erstlinie. Mittlerweile gibt es auch eine starke Evidenz, dass die Kombination von Checkpoint-Inhibitoren mit VEGF(R)-Inhibitoren erfolgreich im Sinn eines PFS- oder OS-Vorteils sein kann. Als Beispiele seien erwähnt:
Dennoch darf man auch festhalten, dass man sich von den Ergebnissen der IMmotion-151 und Javelin Renal 101 mehr hätte erwarten dürfen, sind die Kombinationen doch in einem sehr passenden Setting untersucht worden. Letztlich wird auch die Kombination von Checkpoint-Inhibitoren mit VEGF(R)-Inhibitoren nicht bei jedem Patienten der Weisheit letzter Schluss für die Verbesserung des Therapie-Outcome sein. Es wird darum gehen, den zugrunde liegenden Escape-Mechanismus im individuellen Patienten zu identifizieren. Es gilt, die Heterogenität des Nierenzellkarzinoms zu bedenken, und man muss sich auch zum passenden Timing der Kombination Gedanken machen. Damit ist gemeint, dass man mitunter den Tumor vor der Gabe des Checkpoint-Inhibitors erst primen muss.
Fazit M. Schmidinger
Immuntherapien haben in der Therapie des NSCLC zu großen Fortschritten geführt. Allerdings sind bisher lediglich PD1/PD-L1-Inhibitoren in die klinische Realität eingetreten. Kombinationstherapien stellen eine der wesentlichen Stoßrichtungen der Forschung dar. Bereits Eingang in die klinische Routine haben Kombinationen bestehend aus einer platinbasierten Chemotherapie und PD-1/PD-L1-Inhibitoren gefunden. In der Erstlinientherapie des metastasierten NSCLC konnten dadurch relevante Fortschritte erzielt werden.
Zahlreiche Publikationen weisen auf Synergien zwischen Angiogenese-Hemmung und Checkpoint-Inhibition hin. In IMpower 150 erfolgte der Phase-III-Vergleich von Carboplatin/Paclitaxel/Bevacizumab mit einem experimentellen Arm, welcher zusätzlich den PD-L1-Inhibitor Atezolizumab inkludierte. Die 4-fach-Kombination zeigte sich dabei in allen Effizienz-Endpunkten überlegen (Response, PFS, OS). Unklar bleibt, ob die Gabe von Bevacizumab tatsächlich zu Vorteilen im Vergleich mit einer Kombination Platinduplet plus PD1/PD-L1-Antikörper führt. In Subgruppen-Analysen schienen vor allem Patienten mit Lebermetastasierung bzw. Tumoren mit EGFR-Mutationen von Bevacizumab zu profitieren.
Der kombinierte Einsatz unterschiedlicher Checkpoint-Inhibitoren stellt ebenfalls ein attraktives Therapiekonzept dar. Insbesondere CTLA4-Antikörper sind als Partner von PD1/PD-L1-Inhibitoren von Interesse. Das Duplet Nivolumab/Ipilimumab zeigte sich in der Studie CheckMate-227 in der Subgruppe der Tumoren mit hohem Tumor-Mutational-Burden einer platinbasierten Chemotherapie im PFS überlegen. Um den Stellenwert einer derartigen IO-Kombination endgültig einschätzen zu können, sind die Daten zum Gesamtüberleben sowie weitere Subgruppenanalysen abzuwarten. Auch stellt die Standardisierung und Qualitätssicherung der TMB-Analytik eine noch nicht abschließend bewältigte Aufgabe dar.
Zahlreiche weitere Substanzen, wie onkolytische Viren und Toll-like-Rezeptor-Agonisten, befinden sich derzeit als Kombinationspartner für Checkpoint-Inhibitoren in früher Phase der klinischen Testung. Unabdingbar ist dabei eine sorgfältige Phase-I-Testung. Daten zur Kombination von Checkpoint-Inhibitoren mit Anti-CD38-Antikörpern zeigen beispielhaft, dass unter Umständen nichttolerable Toxizitäten auftreten können.
Zusammenfassend stellen Kombinationstherapien mit Immuntherapeutika eine Strategie mit enormen Chancen dar. Die Etablierung und Validierung von prädiktiven Biomarkern sowie die sorgfältige Toxizitätserfassung dieser Schemata haben dabei Priorität und sind unverzichtbare Voraussetzungen, um das volle klinische Potenzial dieser Therapien auszuschöpfen.
Die BCG-Therapie zählt zu den erfolgreichsten Krebsimmuntherapien und bei nichtmuskelinvasiven High-Risk-Blasenkarzinomen (NMIBC) gilt BCG als adjuvanter Therapiestandard gemäß EAU-Guidelines. Mehr als 40 Jahre nach der Einführung ist der exakte Immunmechanismus der BCG-induzierten Antitumoraktivität nach wie vor nicht völlig geklärt. Die initialen Ansprechraten einer BCG-Therapie bei CIS betragen rund 80 %, die tumorfreien Raten bei papillärem Karzinom rund 70 %. Nicht jeder Patient profitiert allerdings von einer BCG-Therapie, und im Zeitverlauf rezidivieren viele Tumoren. Bei Patienten, die nicht auf BCG ansprechen, ist die radikale Zystektomie der derzeitige Therapiestandard. Die tumorspezifische Überlebensrate liegt bei rund 90 %. Allerdings ist die radikale Zystektomie mit einer signifikanten Morbidität und Mortalität vergesellschaftet. Die Erwartungen, die an eine „Blasen-Salvage“-Therapie bei BCG-nichtresponsivem NMIBC gestellt werden, lauten: einfacher in der Anwendung als die Durchführung einer radikalen Zystektomie, nicht toxischer als eine radikale Zystektomie, klinisch akzeptable Wirksamkeit, sehr geringes Risiko, das Window of Opportunity zu versäumen, und keine Erhöhung der Komplikationen der radikalen Zystektomie bei Versagen. In einer im November 2018 publizierten Studie (Chevalier MF et al., Eur Urol 2018) wurden konventionelle cTregs– und PD-L1+-Tregs-Spiegel im Blut und im Harn von Blasenkarzinom-Patienten unter BCG-Therapie erhoben. Dabei wurden beträchtliche PD-L1+-Tregs-Spiegel im Harn gefunden. Somit konnte gezeigt werden, dass unter BCG-Therapie T-Lymphozyten rekrutiert werden, die eine erhebliche Fraktion von regulierenden Zellen inklusive einer nichtklassischen Quelle von PD-L1 umfassen und dies wiederum eine Kombinationsstrategie von BCG plus PD-1/PD-L1-Checkpoint-Inhibitoren beim NMIBC bekräftigt.
Derzeit laufen einige Phase-I/II-Studien, in denen Checkpoint-Inhibitoren mit BCG bei BCG-nichtresponsivem NMIBC kombiniert werden. Am ESMO 2018 wurden erste Daten der Kohorte A (CIS oder CIS plus papilläres Karzinom) der KEYNOTE-057 präsentiert. Es handelt sich hierbei um eine einarmige Phase-II-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von Pembrolizumab bei Patienten mit BCG-nichtresponsivem High-Risk-NIMBC. Primärer Endpunkt war Komplettremission, sekundäre Endpunkte waren Sicherheit und Dauer des Ansprechens. Ronald De Wit, Rotterdam, präsentierte die Ergebnisse der ersten 103 ausgewerteten Patienten nach einem medianen Follow-up von 9,4 Monaten. Mehr als 38 % der Patienten hatten nach drei Monaten Therapie eine Komplettremission. Die mediane Zeit bis zur Komplettremission betrug 12,4 Wochen. 29 Patienten profitierten von einem anhaltenden Ansprechen. Die mediane Dauer der Komplettremission bei Patienten war noch nicht erreicht. 80 % der Patienten hatten eine Komplettansprechdauer von ≥ 26 Monaten. 10 Patienten hatten ein NMIBC-Rezidiv nach der Komplettremission, aber kein Patient entwickelte ein muskelinvasives oder metastasiertes Blasenkarzinom. Als ein Kritikpunkt der Studie gilt die dreimonatige Untersuchung des Ansprechens, diese wird als zu kurz erachtet, da ein CIS länger braucht, auf eine Immuntherapie anzusprechen. Inzwischen wurde die Studie KEYNOTE-0676 initiiert, eine Phase-III-Studie zur Untersuchung einer Kombinationstherapie von BCG und Pembrolizumab bei resistentem oder rezidivierendem Blasenkarzinom nach Induktion der BCG-Therapie. Aktuell läuft eine Vielzahl an Studien für NIMBC nach BCG-Versagen, unter anderem mit den Checkpoint-Inhibitoren Atezolizumab (NCT02844816), Nivolumab (CheckMate 9UT) und Durvalumab (POTOMAC). Daneben werden auch andere Immunmodulatoren beim NIMBC evaluiert: ALT-803, ein IL15-Superagonist, plus BCG bei BCG-naiven und bei BCG-nichtresponsiven Patienten. rAd-IFN/Syn3 (eine IFN-Gentherapie) bei BCG-nichtresponsiven Patienten. Onkolytische Immuntherapie (z. B. CAVATAK) bei NMIBC-Patienten.
In der Therapie des fortgeschrittenen bzw. metastasierten muskelinvasiven Blasenkarzinoms gab es jahrzehntelang nur marginale Fortschritte. In den letzten Jahren sind durch eine bessere Klassifizierung und die Anwendung immunonkologischer Therapieprinzipien deutliche Behandlungserfolge erkennbar.
Beim muskelinvasiven Urothelkarzinom der Harnblase ist unumstritten, dass ein rein transurethraler Therapieansatz nicht kurativ ist. Es gibt auch einen Anteil der „Highest risk“-T1-Karzinome nach EORTC, welche von einer Frühzystektomie profitieren. Neben immunhistochemischen Parametern wie der lymphatischen oder vaskulären Infiltration (Gakis et al., 2015) gibt auch eine neue standardisierte Beurteilung der Harnblase im multiparametrischen MRT Grund zur Hoffnung. Mit Hilfe des VI-RADS soll eine zuverlässige Einschätzung über die Muskelinvasivität möglich werden (Panebianco et al., 2018). Sollte sich dies in kommenden Studien als zutreffend herausstellen, könnte das multiparametrische MRT ein wichtiger Baustein zur Erfassung des T-Stadiums des Harnblasenkarzinoms werden.
Beim muskelinvasiven Blasenkarzinom kann bereits durch alleinige TUR-B in 5–15 % der Fälle ein pT0-Stadium am Zystektomiepräparat erreicht werden (Apolo, Grossman, Bajorin, Steinberg, Kamat, 2012). Insgesamt profitieren ungefähr 5–8 % der Patienten wesentlich von einer zusätzlichen neoadjuvanten Systemtherapie. Die Schwierigkeit besteht darin, der überwiegenden Mehrzahl der Patienten eine Verzögerung bis zur Operation sowie die unnötige Toxizität zu ersparen. Hier kann die molekulare Subtypisierung eine Hilfe sein. So zeigte eine Arbeit von Seiler et al., dass insbesondere die basalen Subtypen einen deutlichen Überlebensvorteil durch die neoadjuvante Therapie erzielten (Seiler et al., 2017). In der Systemtherapie des Urothelkarzinoms sind die Immun-Checkpoint-Inhibitoren in den letzten Jahren zu einem wesentlichen Baustein geworden. Erste Studien zeigten bereits ein sehr gutes Ansprechen für einen PD1-Inhibitor in der neoadjuvanten Therapie mit 54 % < ypT2 in der Zystektomie (Necchi et al., 2018).
Liquid Biopsy: Doch auch hier wird wieder die Erkenntnis essenziell sein, welche Therapie die richtige für den einzelnen Patienten ist. Bei dieser Frage könnte auch die Liquid Biopsy eine wichtige Rolle spielen. So kann beispielsweise zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) über eine einfache Blutentnahme gewonnen werden.
Neben der unkomplizierten Gewinnung löst sie auch das Problem der intraindividuellen Tumor-Heterogenität. Die ctDNA stellt im Gegensatz zu einer Gewebebiopsie eine Kombination aller Tumoranteile dar. Neben der Mutationslast können so auch einzelne Targets gefunden werden, um die Wahrscheinlichkeit für das Ansprechen auf eine spezifische Therapie deutlich zu erhöhen (Vandekerkhove et al., 2017). Zudem besteht damit auch die Möglichkeit, kurzfristig neue Mutationen zu erkennen und die Therapie entsprechend anzupassen (Todenhofer, Struss, Seiler, Wyatt, Black, 2018).
Fazit A. Stenzl