Liebe Leserin, lieber Leser!
Liebe Kollegin, lieber Kollege!
Es war mir eine Ehre und ein Vergnügen, den Focus Prostatakarzinom in der aktuellen Ausgabe von Spectrum Urologie gestalten zu dürfen! Ich konnte eine erlauchte und hochaktive Gruppe von jungen Meinungsbildnern um mich versammeln, die mit mir gemeinsam neue und oft kontroversielle Themen zu diesem häufigen und dennoch äußerst paradoxen Krankheitsbild beleuchten.
Krebs ist eine Erkrankung, die fast die ganze Menschheitsgeschichte hindurch kaum erforscht war, spät diagnostiziert wurde und fast immer zum Tod führte. Dem Krebstod ging häufig eine lange, von Schmerzen begleitete Leidensphase voraus. Eine Krebsdiagnose war zu Recht allgemein gefürchtet. Das hat sich nun gewandelt. Mit ihrer Betonung auf der Früherkennung konnte die moderne Medizin die Gesundheit von Männern und Frauen auf der ganzen Welt verbessern. Allerdings ist die Früherkennung mit dem signifikanten Risiko einer Überdiagnose von Erkrankungen assoziiert, die zwar pathologische oder klinische Krankheitskriterien erfüllen, dabei aber keine oder nur eine geringe Gefahr für den Patienten darstellen. Mit der Einführung immer sensiblerer und in breiter Verwendung befindlicher diagnostischer Tests ist die Überdiagnose von Krebserkrankungen in verschiedenen Organsystemen zum Problem geworden. Die umfangreichsten Konsequenzen ergeben sich dabei in Bezug auf das Prostatakarzinom, wofür die sehr hohe Inzidenz latenter Tumoren beim alternden Mann, die Verfügbarkeit der PSA-Testung (prostataspezifische Antigen-Testung) und die Langzeiteffekte der definitiven Therapien ausschlaggebend sind. Zwischen der Verfassung der meisten Männer mit Niedrigrisiko-Prostatakarzinom und den Auswirkungen einer aggressiven Erkrankung liegen Welten. Der Großteil dieser Männer wird gar nicht an der Krankheit sterben, selbst wenn keine Behandlung erfolgt. Leider werden die meisten Patienten radikal behandelt und somit dem Risiko signifikanter Nebenwirkungen ausgesetzt. Ein selektiver Therapieansatz ist daher von hohem Interesse. Dieses Konzept sieht vor, dass die Subgruppe mit aggressiveren Tumoren bereits zu einem Zeitpunkt ausgesiebt wird, an dem eine kurative Therapie noch möglich ist, was den übrigen Patienten eine gesteigerte Lebensqualität ohne Nebenwirkungen erlaubt. In seinem wohlüberlegten Review fasst Dr. Michael Rink die Evidenz zusammen, die für die aktive Surveillance spricht, und beschreibt den aktuellen Zugang zu dieser Strategie unter Berücksichtigung der Rolle von serieller Biopsie, PSA-Kinetik und MR-Bildgebung.
Screening, optimierte Therapie und Chemoprävention des Prostatakarzinoms bilden die drei Säulen einer Strategie zur Reduktion der Krankheitslast, die von dieser häufigen Erkrankung ausgeht. Die Prävention zielt auf die Verringerung der Inzidenz ab, wodurch auch die therapiebedingten Nebenwirkungen abnehmen, sowie auf eine eventuelle Reduktion der krankheitsspezifischen Mortalität. Seit der Einführung des PSA ist die prostatakarzinombedingte Mortalität um 40 % zurückgegangen, vermutlich sowohl aufgrund einer Verschiebung des Diagnosezeitpunkts zu früheren Krankheitsstadien als auch dank therapeutischer Fortschritte. Dennoch wird das Screening nach wie vor kontroversiell diskutiert, da die Überdiagnose einer nichttödlichen Erkrankung Übertherapie und vermeidbare Morbidität nach sich zieht. Die US Preventive Services Task Force hat aufgrund dieser Problematik eine Empfehlung herausgegeben, die nachdrücklich vom routinemäßigen Screening abrät. Angesichts der Argumente gegen das Screening, der relativen Gleichwertigkeit aktuell verfügbarer Therapiemodalitäten (die Heilung hängt nun großteils von der Aggressivität des Tumors bei Diagnosestellung und weniger von der spezifischen Intervention ab) und des Umstandes, dass die meisten Risikofaktoren für die Manifestation eines Prostatakarzinoms (Alter, Ethnizität, Genetik) nicht modifizierbar sind, bleibt die Prävention als wichtige und attraktive Option übrig. Berichte über epidemiologische Daten, denen zufolge bestimmte Nahrungsbestandteile oder Nahrungsergänzungsmittel die Gesamtmortalität beeinflussen oder das Risiko für die Entstehung einer speziellen Krankheit verringern können, rufen oft ein starkes Echo in der Bevölkerung hervor. Gleichzeitig können jedoch nur große randomisierte, kontrollierte Studien hochqualitative Evidenz zur Frage liefern, ob eine bestimmte Intervention Nutzen bringt, keinen Effekt aufweist oder sogar schadet. Im vergangenen Jahrzehnt wurden mehrere Studien dieser Art zum Thema der primären Prävention des Prostatakarzinoms präsentiert; Dr. Luis Kluth stellt die aktualisierten Ergebnisse in dieser Ausgabe in seinem wortgewandten Review vor. Während weder Selen noch Vitamin E die Entstehung eines Prostatakarzinoms verhindern können, ließe sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis der 5α-Reduktasehemmer durch die Beschränkung auf Männer mit hohem Risiko optimieren. Ich bin davon überzeugt, dass die primäre Prävention des Prostatakarzinoms aufgrund der Prävalenz der Erkrankung und der therapiebedingten Morbidität nach wie vor ein attraktives Ziel ist. Die Prävention wird in der Zukunft in zunehmendem Maße auf der individualisierten Risikoerfassung mithilfe klinischer Standardparameter (altersadaptierter PSA-Wert, Familienanamnese etc.) fußen; schließlich werden genetische Verfahren eine personalisierte Risikoeinschätzung und die Vorhersage des Ansprechens auf eine bestimmte Therapie ermöglichen.
Ein klinischer Parameter, der sich im Hinblick auf Diagnose und Management des Prostatakarzinoms als nützlich erweisen könnte, ist PCA3. Zwar wird ständig eine Vielzahl an Biomarkerkandidaten entwickelt und getestet, bei PCA3 handelt es sich jedoch um den bisher einzigen prostatakarzinomspezifischen Biomarker, der Eingang in die klinische Praxis gefunden hat. Im Gegensatz zum Serum-PSA ermöglicht das PCA3-Assay eine direkte Detektion von Krebszellen im Harn von Prostatakarzinompatienten, was seine überlegene diagnostische Performance erklären könnte. Der PCA3-Test weist jedoch auch Limitationen auf. Ein niedriger PCA3-Score schließt eine Krebserkrankung nicht aus, wenngleich die meisten Patienten mit einem niedrigen Score an indolenten Tumoren leiden, was per se für den Test spricht. Allerdings ist der positive prädiktive Wert geringer, als aufgrund der Tumorspezifität zu erwarten wäre. In seinem durchdachten Review diskutiert Dr. Marco Auprich die aktuelle klinische Evidenz zur klinischen Rolle von PCA3 im Rahmen von Screening, Früherkennung, aktiver Surveillance und präoperativem Staging. Verschiedene relevante Aspekte wie die Durchführbarkeit und Verlässlichkeit des Tests, Kombinationen mit anderen neuen Biomarkern und potenzielle weitere Anwendungsmöglichkeiten von PCA3 werden ebenfalls dargelegt.
Das dynamische kontrastmittelverstärkte MRI (DCE-MRI) zählt ebenfalls zu den angesprochenen diagnostischen Hilfsmitteln. OA Dr. Stephan Hruby beschreibt den Nutzen und die Indikationen dieser Untersuchung in prägnanter und sachkundiger Form. Die Kombination aus anatomischer, biologischer und funktioneller dynamischer Information durch die multiparametrische MRI machen diese zum derzeit exaktesten bildgebenden Verfahren für die Lokalisierung des primären Prostatakarzinoms und für das Staging des primären oder rezidivierten Prostatakarzinoms. Ich setze das multiparametrische MRI für die folgenden Aufgabenstellungen ein: (1) Detektion eines Prostatakarzinoms nach negativer Prostatabiopsie bei konstant erhöhten Serummarkern; bei diesen Patienten lässt sich dadurch die Notwendigkeit zusätzlicher und umfangreicherer Biopsien verringern, und verdächtige Areale für die zielgerichtete Biopsie können identifiziert werden; (2) Charakterisierung des Prostatakarzinoms zwecks Erleichterung der optimierten Therapiewahl und (3) frühzeitige Identifikation von Lokalrezidiven bei Patienten mit biochemischem Rezidiv nach der Primärtherapie. Zwei weitere potenzielle Anwendungsmöglichkeiten des MRI beim Prostatakarzinom umfassen die MR-gesteuerte Prostatabiopsie und die MR-gesteuerte fokale Therapie; in diesem Bereich konnte bisher jedoch nur die grundsätzliche Durchführbarkeit demonstriert werden, es fehlen noch Daten zur Relevanz der klinischen Ergebnisse. In größeren multizentrischen Studien müssen die ersten vielversprechenden Ergebnisse allerdings erst noch bestätigt und die genannten Einsatzgebiete des multiparametrischen MRI validiert werden. Bevor solche Studien durchgeführt werden können, besteht ein Bedarf an weiteren Forschungen zur Standardisierung von Imaging-Protokollen sowie zur Definition von reproduzierbaren quantitativen Parametern und Schwellenwerten für die Identifikation und Evaluierung des Prostatakarzinoms mittels multiparametrischen MRI. Schließlich ist auch eine Berechnung der Kosteneffektivität des multiparametrischen MRI erforderlich.
Ein weiteres brandaktuelles Thema in dieser Ausgabe ist die fokale Therapie des Prostatakarzinoms. Bei den meisten anderen soliden Tumoren auf Organebene hat die schrittweise Verschiebung des Therapieziels vom Organ zum Tumor zu fassbaren gesundheitlichen Benefits ohne offensichtliche Verschlechterung der krebsspezifischen Outcomes geführt. Dafür gibt es viele Beispiele aus der klinischen Medizin. Die rezentesten Entwicklungen in der urologischen Onkologie sind der Ersatz der radikalen durch die partielle Nephrektomie einerseits und die faktische Ablöse der radikalen Penektomie durch glanserhaltende oder peniserhaltende Operationsverfahren andererseits. Diese organerhaltenden Verfahren eignen sich nicht für alle Patienten gleichermaßen. Bei großen Tumoren, die den Großteil des Organs einnehmen, sind die Chancen auf einen Gewebserhalt gering. Andererseits können wir Krebserkrankungen aufgrund verschiedener Faktoren (gesteigertes öffentliches Bewusstsein, bessere Informationsmaßnahmen, Screening, Zufallsbefunde) glücklicherweise immer häufiger zu einem frühen Zeitpunkt diagnostizieren. Dr. Georgios Gakis hat eine elegante Abhandlung zum Potenzial der fokalen Therapie im Management des Prostatakarzinoms verfasst. Die fokale Therapie muss im modernen Kontext der dank Bildgebung (siehe oben) adäquateren und genaueren Diagnose/Risikostratifikation gesehen werden. Daher wird man Patienten mit hohem Risiko oder bilateralem Befall bzw. fortgeschrittener Erkrankung eine Therapie der gesamten Drüse anbieten. Eine fokale oder gewebserhaltende Behandlung wird für jene Männer eine Option darstellen, die auf eine intakte urogenitale Funktion Wert legen und deren Tumoren zwar behandlungsbedürftig sind, für eine gewebserhaltende Therapie aber geeignet erscheinen. Ein wichtiger Aspekt besteht darin, dass bei niedrigem Risiko im besten Fall keine Biopsie durchgeführt werden muss bzw. dass eine verlässliche Einstufung im Niedrigrisikobereich erfolgen kann. Bei diesen Patienten wird es daher möglich sein, auf therapeutische Maßnahmen zu verzichten. Derzeit behandeln wir alle Patienten mit derselben Strategie, die aus einer Behandlung der ganzen Drüse unabhängig von Tumorgrad, Volumen und Streuung besteht. Künftig werden Urologen in der Lage sein, eine präzise Risikoklassifikation durchzuführen und ein Spektrum an Therapien anzubieten, das die Tumorcharakteristika ebenso berücksichtigt wie die Erwartungen der Patienten im Hinblick auf die Nachteile, die sie bereit sind, in Kauf zu nehmen, um die Risiken der Tumorerkrankung zu reduzieren. Die fokale Therapie des Prostatakarzinoms hat das Potenzial, einen Paradigmenwechsel im Krankheitsmanagement herbeizuführen, gleichzeitig existiert aber für ihren großflächigen Einsatz noch keine ausreichende Evidenz. Zusätzliche klinische Studien und technische Verbesserungen der Darstellung des Prostatakarzinoms mittels Bildgebung sind erforderlich, bevor diese Therapiemodalität als akzeptable Alternative etabliert werden kann.
Der andere neuartige und heiß diskutierte Therapieansatz ist die roboterassistierte radikale Prostatektomie (RARP). In den letzten zehn Jahren hat eine noch nie dagewesene Entwicklung im Zusammenhang mit der Prostataresektion stattgefunden. Die laparoskopische radikale Prostatektomie (RPE) überwand das Paradigma der offenen RPE und rief anfangs große Erwartungen und Begeisterung hervor. Es zeigte sich allerdings rasch, dass die RARP mit einer grundlegenden Tücke der laparoskopischen Prostatachirurgie behaftet ist: der Reproduzierbarkeit des Eingriffs. Heute stellt die RARP in den USA die am weitesten verbreitete Operationsmethode beim Prostatakarzinom dar. In einem ausgewogenen Review erörtert der auf diesem Gebiet ausgewiesene Experte OA Priv.-Doz. Dr. Christian Seitz die Vorteile dieser Technik wie kürzere Rekonvaleszenzzeit und deutlich geringeren Blutverlust. Vor allem unterstreicht er die Bedeutung des Outcomes als letztgültiger Parameter für die Erfolgsbeurteilung eines Verfahrens. Tatsächlich implizieren die Daten eine Äquivalenz in Bezug auf die funktionellen und onkologischen Langzeitergebnisse, während auf kurze Sicht eindeutig Vorteile bestehen (d. h. perioperative Outcomes, die eine rasche Rückkehr des Patienten in das Arbeitsleben ermöglichen). Damit RARP als neuer Standard etabliert werden kann und eine durch den Enthusiasmus im Zusammenhang mit dieser Technik und ihrer Vermarktung verzerrte Berichterstattung verhindert wird, müssen wir allerdings erst noch prospektive, kontrollierte, randomisierte klinische Studien durchführen.
Ein altes, aber nach wie vor kontroversielles Thema in der urologischen Onkologie sind die Rolle und das ideale Ausmaß der Resektion pelviner Lymphknoten beim Prostatakarzinom.
Niemand könnte diese Streitfrage besser und mit mehr Umsicht abhandeln als Priv.-Doz. Dr. Mesut Remzi. Wie er in seiner scharfsinnigen Diskussion festhält, ist die Lymphknotenmetastasierung in der PSA-Ära relativ selten geworden, und mehrere Prädiktionsparameter können für die Identifikation der Personen mit dem größten Risiko für einen Lymphknotenbefall verwendet werden. Eine Darstellung der nodalen Beteilung ist mit den aktuell verfügbaren bildgebenden Verfahren nicht mit akzeptabler Verlässlichkeit und Präzision möglich, einige neue Techniken haben sich aber als viel versprechend erwiesen. Die extendierte Lymphadenektomie erbringt im Vergleich zum standardisierten Vorgehen eine höhere Zahl an Lymphknoten und geht mit einer gesteigerten positiven Lymphknoten-Detektionsrate einher. Angesichts der von den meisten Forschern beobachteten hohen Befallsraten geht man davon aus, dass die Resektion von lymphatischem Gewebe in der hypogastrischen Region das Lymphknoten-Staging verbessert. Offene, laparoskopische und roboterassistierte Lymphknotenresektionen sind im Wesentlichen vergleichbar, wenngleich extraperitoneale, minimalinvasive Verfahren verschiedene spezifische Herausforderungen mit sich bringen. Obwohl Komplikationen bei der Resektion pelviner Lymphknoten im Allgemeinen nicht zu verhindern sind, nehmen sie proportional mit der Anzahl der entfernten Lymphknoten zu.
Die meisten Richtlinien empfehlen eine extendierte pelvine Lymphadenektomie bei Patienten mit hohem und (in ausgewählten Fällen) intermediärem Risiko. Als Fachdisziplin müssen wir es uns zum Ziel setzen, die diagnostische und therapeutische Rolle der pelvinen Lymphknotenresektion sowie ihr optimales Ausmaß in einer ausreichend gepowerten, prospektiven, randomisierten, multizentrischen klinischen Studie abzuklären.
Das ideale Vorgehen bei Patienten mit Lymphknotenmetastasierung wird von Dr. Harun Fajkovic gekonnt zur Darstellung gebracht. Ungeachtet des Umstands, dass eine Lymphknotenmetastasierung beim Prostatakarzinom auf eine ungünstigere Prognose hinweist, zeigen einige lymphknotenpositive Patienten ein Langzeitüberleben. Die Bestimmung prognostisch relevanter Merkmale der Lymphknotenmetastasierung war Gegenstand vieler Studien. Die ermittelten Charakteristika beinhalten Volumen des nodalen Tumors, Anzahl der positiven Lymphknoten, Lymphknotendichte, extranodale Ausdehnung, lymphovaskuläre Infiltration und Entdifferenzierung des Tumors. Günstige Merkmale eines regionalen Lymphknotenbefalls sind geringere Tumorgröße und kleineres Tumorvolumen. Allerdings enthält das beim Prostatakarzinom gängige Staging-System keine eigene Subklassifikation für Patienten mit lymphknotenpositiven Tumoren. In den letzten Jahren wurden zahlreiche fortschrittliche Technologien für die Detektion von Lymphknotenmetastasen entwickelt, darunter auch die molekulare Bildgebung und das CellSearch® Circulating Tumor Cell System. Vor dem Hintergrund der ansteigenden Prostatakarzinom-Detektionsraten, des Aufkommens neuer Verfahren zur Identifikation von Lymphknotenmetastasen und der ständig zunehmenden Zahl an radikalen Prostatektomien wäre eine weitere Unterteilung der Patienten mit Lymphknotenbefall zwingend. Diese Subklassifikation würde das Wissen um die Prognose erweitern und neue Erkenntnisse zur optimalen Behandlung von Patienten mit Lymphknotenmetastasen (d. h. zielgerichtete Therapien), durch welche die klinischen Ergebnisse verbessert werden könnten, ermöglichen.
Eine zu selten gestellte, aber wichtige Indikation für die radikale Prostatektomie ist das Rezidiv nach der definitiven Radiotherapie (radikale Salvage-Prostatektomie, SRP). Die Rolle der SRP hat einen Entwicklungsprozess durchlaufen, wobei rezente Serien verbesserte Resultate bei Rezidiven nach Bestrahlung zeigen. Trotzdem wurde für die überwiegende Mehrheit der Patienten mit Bestrahlungsrezidiven bisher immer nur die palliative systemische Therapie in Erwägung gezogen. Vor der PSA-Ära war die SRP aufgrund der schwierigen Unterscheidung zwischen Lokalrezidiv und Fernmetastasierung sowie der gehäuften OP-Komplikationen im Management des Bestrahlungsrezidivs gar nicht enthalten. Nach der Einführung der optimierten Patientenselektion und verbesserter OP-Techniken finden wir heute ein anderes und viel versprechendes Szenario vor. De facto empfehlen die meisten Richtlinien eine SRP an Zentren mit großer Erfahrung bei der Untergruppe der Patienten mit biochemischem Rezidiv ohne Hinweis auf einen systemischen Relaps und fehlendem Metastasennachweis.
Univ.-Prof. Dr. H. Christoph Klingler, ein international anerkannter urologischer Chirurg, präsentiert eine kluge Abhandlung zu den Themen Diagnose, Patientenselektion, prädiktive onkologische Faktoren, OP-Techniken, Tumorkontrolle, OP-Komplikationen und funktionelle Outcomes der SRP. Ich selbst führe diesen Eingriff gelegentlich durch und bin ebenso wie Prof. Dr. Christoph Klingler der Meinung, dass die SRP bei ausgewählten Patienten mit nachgewiesenem, lokalisiertem, nach Radiotherapie rezidiviertem Prostatakarzinom eine dauerhafte Tumorkontrolle effektiv begünstigen kann, wobei die operative Morbidität und die (variable) funktionelle Rekonvaleszenz akzeptabel sind. Die Herausforderung im Zusammenhang mit einem Prostatakarzinomrezidiv besteht unabhängig von der Primärtherapie in den Limitationen der aktuell für die Unterscheidung zwischen Lokalrezidiv und Fernmetastasierung verfügbaren klinischen und bildgebenden Verfahren. Klinische Prädiktoren wie PSA-Spiegel und PSA-Verdopplungszeit sowie der Gleason-Score nach Biopsie können im Rahmen einer geeigneten Selektion dieser Subgruppe mit biochemischem Rezidiv nach Bestrahlung Verwendung finden. Zwar sind für die Generierung hochqualitativer Daten und somit einer verlässlichen und überzeugenden Evidenz, die das Standardmanagement des Prostatakarzinomrezidivs nach Radiotherapie verändern wird, nach wie vor große Anstrengungen nötig. Den verfügbaren Daten zufolge können jedoch korrekt selektierte Patienten mit nachgewiesenem Lokalrezidiv nach einer gründlichen Abklärung hinsichtlich möglicher Metastasen an Zentren mit hohen Patientenzahlen eine dauerhafte Tumorkontrolle nach SRP erreichen.
Im Anschluss an die radikale Prostatektomie aufgrund eines lokalisierten Prostatakarzinoms bleiben die meisten Patienten langfristig krankheitsfrei. Bei Vorliegen bestimmter klinischer und pathologischer Merkmale besteht allerdings bekanntermaßen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines biochemischen Rezidivs sowie schließlich einer Fernmetastasierung. Das optimale Management dieser Patienten ist nach wie vor umstritten. Bis jetzt haben drei randomisierte Phase-III-Studien gezeigt, dass eine adjuvante Radiotherapie (ART) bei gewissen ungünstigen pathologischen Charakteristika klinisch relevante Endpunkte wie biochemisches rezidivfreies Überleben oder Gesamtüberleben verbessert. Obwohl diese Studien einen Vorteil der ART dokumentieren, gehen viele Experten davon aus, dass die ART bei einem signifikanten Teil der Patienten Übertherapie und nicht gerechtfertigte therapieassoziierte Morbidität zur Folge hat. Viele Ärzte sprechen sich daher lieber für eine engmaschige Überwachung gefolgt von einer frühen Salvage-Radiotherapie (SRT) bei Eintreten eines biochemischen Rezidivs aus. Dr. Jens Hansen evaluiert gekonnt die Evidenz für die ART und die Unterscheidung zwischen ART und früher SRT. Aktuelle und künftige Forschungsfelder für diese Patientenpopulation umfassen Dosiseskalation der Radiotherapie, Hypofraktionierung und limitierte Androgendeprivationstherapie.
Ein interessantes neues Gebiet, in dem ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat, ist jenes des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (CRPC), bei dem trotz Vorliegens von Androgenspiegeln im Kastrationsbereich eine Krankheitsprogression eintritt, aber dennoch eine Sensitivität gegenüber weiteren hormonellen Manipulationen erhalten bleibt. Für die Bearbeitung dieses Themas konnte ich Priv.-Doz. Dr. Maria De Santis, eine im urologischen Bereich international anerkannte europäische Koryphäe aus der medizinischen Onkologie, gewinnen. Viele Jahre lang war die Therapie des CRPC auf den Einsatz von Docetaxel im metastasierten Stadium beschränkt. Dies hat sich in letzter Zeit dank der Zulassung einiger neuer Substanzen geändert. Sipuleucel-T, eine immuntherapeutische Impfung, steht nun für Patienten (in den USA) mit nichtmetastasiertem CRPC zur Verfügung. Abirateron, ein oraler Enzyminhibitor der Androgen-Biosynthese, wurde ebenso wie das Zytostatikum Cabazitaxel für die Therapie des metastasierten CRPC zugelassen. Auch stellt nun der subkutan zu verabreichende Antikörper Denosumab zusätzlich zum intravenösen Bisphosphonat Zoledronat eine Option für die Behandlung von CRPC-Patienten mit Knochenmetastasen dar. Weitere therapeutische Fortschritte beim metastasierten CRPC umfassen Therapien, welche am Androgenrezeptor ansetzen (MDV3100), sowie andere immunbasierte Wirkstoffe, PROSTVAC und Ipilimumab. In der Kategorie der zielgerichteten Therapien kristallisiert sich des Weiteren eine ganze Reihe an Substanzen heraus. Die Wirkmechanismen der viel versprechendsten Vertreter werden von Priv.-Doz. Dr. Maria De Santis neben den gegenwärtigen therapeutischen Optionen auf geschickte Weise diskutiert, und ihr potenzieller Stellenwert in der Therapielandschaft des CRPC wird geprüft.
Vor mehr als 60 Jahren publizierte Huggins seine bahnbrechenden Forschungsergebnisse, denen zufolge die Kastration zur Rückbildung des metastasierten Prostatakarzinoms führt, wodurch die Themenbereiche Prostatakarzinom und Testosteron für immer miteinander verbunden wurden. Die Erkenntnis, dass das Prostatakarzinom zum Großteil androgenabhängig ist, führte dazu, dass Ärzte eine Testosteronsubstitution (TRT) bei hypogonadalen Männern nur ungern verordnen bzw. teilweise sogar offen ablehnen. Allerdings ist die Inzidenz des Hypogonadismus in genau jener Population aus älteren Männern am höchsten, die am ehesten ein Prostatakarzinom entwickeln, und das Risiko für die Entstehung eines Hypogonadismus nimmt durch die Tumortherapie weiter zu. Darüber hinaus sind die Benefits der TRT (u. a. Verbesserungen von Libido, erektiler Dysfunktion, Stimmung, Kognition, fettfreier Körpermasse und Knochendichte) mittlerweile gut dokumentiert. Es stellt sich daher die Frage, wie man die Vorteile der TRT beim hypogonadalen Mann und das potenzielle Risiko, dass die TRT das Wachstum eines okkulten Karzinoms anregt oder nach Therapie eines Karzinoms ein Rezidiv hervorruft, unter einen Hut bringen soll.
Genau diese Fragestellung behandelt Prim. Dr. Wolfgang Loidl, ein weithin anerkannter Prostatakarzinomexperte, in einer umfassenden Diskussion der verfügbaren Daten. Er präsentiert Vorschläge für das Management von Prostatakarzinomüberlebenden, die an hypogonadalen Symptomen leiden. Obwohl bereits mehrfach versucht wurde, eine Zunahme des Prostatakarzinomrisikos durch höhere Testosteronspiegel nachzuweisen, gibt es bis dato keine überzeugende wissenschaftliche Evidenz für die Stützung dieser Hypothese. Ungeachtet dessen sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen der Prostata unter einer TRT aufgrund der gängigen Bedenken im Zusammenhang mit der Hormon/Krebs-Thematik unumgänglich. Als Kliniker haben wir die Pflicht, die ganze Person zu berücksichtigen und unsere Therapieentscheidung auf der Basis einer Risiko-Nutzen-Evaluierung zu treffen. Im Zeitalter der evidenzbasierten Medizin sollten wir dieselben strikten Standards für die Risikofeststellung anwenden wie für die Feststellung der Sicherheit.
Ich hoffe, dass Sie die vorliegende Lektüre ebenso genießen, wie es mir ein Vergnügen war, sie für Sie zusammenzustellen.
Mit kollegialen Grüßen
Dr. Shahrokh F. Shariat