Unsere Geschichte beginnt mit Joseph Plenck, dem militärchirurgischen Urvater der österreichischen Dermatologie, der mit seiner „Doctrina de morbis cutaneis“ 1776 einen Meilenstein setzte. Der Meister war allerdings fast ein halbes Jahrhundert später Ferdinand von Hebra (1816–1880), der durch einen Selbstversuch die Ursache der Scabies entdeckte, die Grundlage einer auf pathologischer Anatomie gegründeten Einteilung der Hautkrankheiten schuf, das Standardwerk „Allgemeine Pathologie und Symptomatologie der Hautkrankheiten“ verfasste, das Wasserbett schuf und eine große Zahl von Krankheiten als Erster beschrieb. Nachfolger von Hebra waren Isidor von Neumann (Pemphigus vegetans), Heinrich Auspitz (Akantholyse) und Moriz Kaposi (Xeroderma pigmentosum, systemischer Lupus erythematodes, das idiopathische, multiple Pigmentsarkom, Eczema herpeticatum). Unter ihm wurde unsere Gesellschaft gegründet. Gefolgt wurde er von Adolf Jarisch (Jarisch-Herxheimer-Reaktion), Victor Mucha (Dunkelfeldmikroskopie) und Ernest Finger, der mit Karl Landsteiner die Syphilis-Serologie entwickelte. Die Dermatologie war damals reine Morphologie, es gab keine Fotografie, und so wurden diese frühen deskriptiven Dermatologen von Künstlern begleitet – Anton Elfinger sowie Carl und Julius Heitzmann, die in meisterhaften Aquarellen die Hautkrankheiten darstellten.
Von 1910 bis 1933 setzte Stagnation ein – es gab ja nichts mehr zu beschreiben, und Funktion und Pathogenese konnten mangels fehlender Technologie nicht erforscht werden. In den Dreißigerjahren kam dann der jähe Niedergang mit der Vertreibung und Ermordung jüdischer Kollegen und dem Krieg. Nach dem Nachkriegskoma kam es erst ab 1960 zu einer langsamen Erholung. In den späten 1960er-Jahren erfolgte schließlich und endlich der Aufbruch zu neuen Horizonten und der Beginn einer modernen dermatologischen Forschung. Das Ziel war, von der Morphologie zur Funktion und damit zur Pathogenese von Krankheiten zu gelangen. Ermöglicht wurde dies durch die rasante Entwicklung in der Forschungstechnologie.
Lassen Sie mich dazu den Fokus auf die Langerhanszelle richten, die einen Katalysator in dieser Entwicklung der dermatologischen Forschung in Österreich darstellte. Immer wenn mit einer neuen Technologie eine Grenze erreicht wurde, mussten noch neuere weiterführende Technologien erlernt werden. Zuerst gab es nur die Enzymhistochemie (Abb. 1), begleitet und gefolgt von der Elektronenmikroskopie, der ultrastrukturellen Enzymhistochemie, dem Einsatz von Tracern und, nachdem es sich herausgestellt hatte, dass die Langerhanszelle eine immunologische Funktion haben könnte, dem Einsatz aller damals zur Verfügung stehenden immunologischen Methoden, der experimentellen Manipulation und letztlich der Molekularbiologie. Das musste alles erlernt werden. Es war dies der generelle Trend in der medizinischen Forschung, doch sind wir österreichischen Dermatologen sehr schnell auf den fahrenden Zug aufgesprungen. Diese Entwicklung war nur möglich, weil Österreicher ins Ausland, vorwiegend in die Vereinigten Staaten „emigrierten“, um dort die neuen Technologien zu erlernen und diese zusammen mit einem neu erworbenen funktionellen Denken nach ihrer Rückkehr in Österreich für die hiesige Forschung einsetzten. Alle führenden Dermatologen in Österreich haben diese Entwicklung mitgemacht, und dieser Trend hält bis in die heutige Zeit an. Umgekehrt hatte die österreichische Dermatologie einen so guten Ruf erlangt, dass ab den 1970er-Jahren US-Amerikaner Sabbaticals bei uns ableisteten. Als Beispiele seien Peter Elias, Martin Carter, Dean Mann und Paul Bergstresser genannt, um nur einige zu erwähnen, und natürlich eine ganze Legion japanischer, chinesischer, koreanischer Postdocs, darunter auch Amerikaner, Deutsche und Engländer, die unsere Labors bevölkerten.
Lassen Sie mich zur Langerhanszelle als Katalysator zurückkehren. Der Nachweis, dass die Langerhanszelle immunologische Marker trägt, führte zur Analyse ihrer immunologischen Funktion und Etablierung als potente immunstimulatorische und antigenpräsentierende Zelle (Stingl, Schuler, Romani). Als Amplifikationseffekt entstand das Konzept der Haut als ein integriertes Immunorgan (Stingl), der Nachweis, dass Langerhanszellen ein Reservoir für HIV darstellen (Rappersberger, Tschachler) sowie der Nachweis, dass zytotoxische dendritische Zellen tumorizid wirken (Stingl, Schuler). Spin-offs von immenser Bedeutung waren dann die Entdeckung von ETAF (Luger), der Nachweis, dass Keratinozyten TNF-α produzieren (Luger), und die immunologische Rolle des Alpha-Melanozyten-stimulierenden Hormons (Luger) sowie die Entdeckung, dass es noch andere Immunzellen in der Epidermis gibt, wie beispielsweise Thy-1-T-Zellen (Tschachler), die heute als innate immunity lymphocytes aufgefasst werden.
Die geschilderten Technologien ermöglichten eine Reihe von Spin-offs, beispielsweise der Nachweis, dass die Epidermalzellen Lysosomen enthalten, dass Melanosomkomplexe Lysosomen sind und dass der Pigmenttransfer von Melanozyten in Keratinozyten ein phagozytärer Prozess ist (Wolff, Hönigsmann, Konrad). Ferner war es möglich, ebenfalls ein Spin-off, die ultrastrukturelle Lokalisation der Bindungsstätte von Autoantikörpern bei autoimmunbullösen Dermatosen zu visualisieren (Wolff, Schreiner, Hönigsmann, Holubar, Konrad). Ebenfalls ein Spin-off war weiterhin das Antigen-Mapping, des Splits bei mechanobullösen Dermatosen (Hintner) sowie die Beschreibung von GABEB (Hintner, Wolff). Diese Spin-offs haben sich auch bis in die jüngere Vergangenheit fortgesetzt, beispielsweise Bindung von Pemphigus-foliaceus-Autoantikörpern an Desmoglein-1 (Ortiz-Urda, Rappersberger) sowie der Autoantikörper gegen Desmoplakin-1 und -2 bei einem Subset von Erythema multiforme (Födinger, Rappersberger). Der Ort der akantholytischen Wirkung des Exfoliatins beim SSS-Syndrom war ein früherer Spin-off (Elias, Fritsch) wie auch die HLA-DR-Biosynthese in Keratinozyten bei entzündlichen Prozessen (Volc-Platzer, Stingl).
Weltweit durchgesetzt hat sich heute die Dermoskopie (damals von uns noch Epilumineszenzmikroskopie genannt) und die digitale Dermoskopie, die beide in Österreich entwickelt wurden (Fritsch, Pehamberger, Binder, Kittler, Wolff) (Abb. 2). In der Behandlung des fortgeschrittenen Melanoms wurden Antisense-Gen-Antagonisten (Jansen, Pehamberger) eingesetzt und Krebsvakzine gegen das Melanom entwickelt (Stingl, Schuler). Auf dem Gebiet der Tumorpathologie kam es zur GATC-Klassifikation des primären kutanen Lymphoms (Kerl, Willemze), und die Gruppe von Petzelbauer konnte zeigen, dass autokrines VGEF synergistisch mit EGFR bei der Promotion epithelialer Krebsentwicklung wirkt.
Rekonstitution der defekten Basalmembran bei Epidermolysis bullosa mittels Gentherapie war ein Klassiker in der frühen Entwicklung der gentherapeutischen Bemühungen (Ortiz-Urda).
PUVA entstand durch eine Zusammenarbeit von Fitzpatrick und mir, die wir ein zweitausend Jahre altes System der alten Ägypter wieder aufgriffen, um mit Psoralenen plus UVA verstärkte Pigmentierung zu erreichen. Aufgrund von Berichten, dass Psoralene in der DNA interkalieren, war die Überlegung naheliegend, die Kombination zu langwelligem Ultraviolettlicht und Psoralenen bei Psoriasis, einer – wie man damals glaubte – hyperproliferativen Erkrankung, einzusetzen. Es war ein voller Erfolg. Leider entschlossen sich unsere amerikanischen Freunde, ihre Daten unabhängig zu publizieren, was uns zurückwarf. Alles andere Relevante auf diesem Gebiet geschah dann später in Wien und in Innsbruck (Wolff, Hönigsmann, Konrad). Auch die Entwicklung der Re-PUVA-Therapie (Fritsch) und die Entwicklung der Photopherese durch Edelson in Yale, bei der Österreicher aktiv beteiligt waren. Was sich auf dem Gebiet der Photo-Immunologie abgespielt hat, passierte, wenn auch nicht ausschließlich, aber vorwiegend in Wien, Innsbruck (Stingl, Aberer) und durch Österreicher in Münster und Kiel (Luger, Schwarz). UV-Schaden und Reparation ist dann ein Gebiet, auf dem P. Wolf in Graz in Zusammenarbeit mit Kripke massiv beteiligt war. Vor allem, dass topische T4-Endonuklease-5 in menschlicher Haut vor UV-induziertem Krebs schützt.
Hier möchte ich Pimecrolimus, Peptid Bp15-42, Filaggrin und die epidermale Barriere erwähnen. Ascomycin SDZ-281-240 ist der Vorläufer von Pimecrolimus, mithilfe dessen in einer Pilotstudie in Wien eine komplette Rückbildung der Psoriasis erreicht werden konnte (Rappersberger) (Abb. 3). Auch systemisch wirkt Pimecrolimus bei Plaque-Psoriasis, wobei ich diese Arbeit deswegen zitiere, weil sie die erste pharmakogenomische Arbeit überhaupt war, die bei der Psoriasis und in der Dermatologie durchgeführt wurde (Rappersberger). Große Würfe gelangen der Gruppe von Petzelbauer, die zeigen konnte, dass Peptid Bq15-42 das Myocard gegen Ischämie-Reperfusionsschaden schützt, und Schmuth durch die Aufklärung der Rolle von Filaggrin in der epidermalen Barriere – von Bedeutung für atopische Dermatitis und Ichthyosen. Auch noch die rezenten, richtungsweisenden Forschungen von Weninger (früher Wien, jetzt Sydney) über Leukozyten- und Makrophagen-Bewegungen in situ seien erwähnt, bei denen eine revolutionäre neue mikroskopische Methode in vivo eingesetzt wird. Wie breit die dermatologische Forschung in den letzten zwei Jahrzehnten geworden ist, zeigen die Arbeiten von Kirnbauer über die „self-assembly“ von HPV-Viruspartikeln – immerhin beruht die HPV-Vakzinierung auch auf diesen Arbeiten.
Wissenschaftlich bzw. forschungsmäßig waren und sind wir also gut aufgestellt. Nach einer Evaluierung durch die City University of London waren wir um die Jahrtausendwende die absolute Nummer eins in Europa. Durch die Forschungsleistungen nahm aber auch automatisch die Gewichtung der österreichischen Dermatologie im Ausland und global zu. Wir waren federführend bei der Gründung der ESDR und haben mehrere Präsidenten und Generalsekretäre dieser europäischen Forschungsgesellschaft gestellt. Ich war Präsident der ILDS (1985–1990), später Georg Stingl deren Generalsekretär, bis vor Kurzem Angelika Stary Präsidentin der ISSTDR, und derzeit stellen wir den Präsidenten der EADV (Tschachler). Alle dermatologischen Lehrstühle in Österreich sind von Österreichern besetzt. Ferner drei Lehrstühle in Deutschland (Luger, Schwarz, Schuler) und zwei in Australien (Weninger, Soyer).
Auch die Struktur der ÖGDV hat sich gewaltig verändert. Wir haben die Facharztprüfung, die Ausbildungsordnung, die ÖADF und viele Arbeitsgemeinschaften sind enorm aktiv, und die ÖGDV-Jahrestagung ist seit vielen Jahren schon zu einem dreitägigen Kongress mit internationaler Beteiligung angewachsen. Als ich ein junger Assistenzarzt war, war diese Jahrestagung ein einziger Samstagvormittag, bei dem Patienten in vivo demonstriert wurden – die saßen tatsächlich dort!
Also eine eindeutige Erfolgsstory. Eine Story, auf die wir stolz sein können, die aber auch verpflichtet. Wir dürfen uns auf unseren Lorbeeren nicht ausruhen, sondern müssen weiter nach Exzellenz streben. Wir müssen den Nachwuchs noch mehr als bisher fördern, um sicherzustellen, dass Kreativität in unserer Gesellschaft und damit auch Leistungsstreben und das Erbringen von außergewöhnlichen Leistungen ein Markenzeichen unserer Gesellschaft bleibt. Wir müssen auf Qualität achten und diese kontrollieren. Nur Qualität garantiert unseren guten Ruf bei anderen medizinischen Disziplinen und einen erfolgreichen Abwehrkampf gegen deren Begehrlichkeiten. Wir müssen verhindern, dass die Bemühungen der klinischen Immunologen und Rheumatologen, die ein Auge auf die dermatologischen Autoimmunkrankheiten werfen, Erfolg haben; wir müssen verhindern, dass die Onkologen das Melanom und die Hautkarzinome für sich beanspruchen, und wir müssen verhindern, dass die Hämatologen sich der Hautlymphome bemächtigen. Bestrebungen in diese Richtung gibt es schon seit Jahren. Dazu muss aber die Dermatologie eine klinische medizinische Disziplin bleiben und darf nicht zur sogenannten ästhetischen Medizin werden. Denn von da ist es dann nur noch ein kleiner Schritt von der Medizin zur Kosmetologie.
Voraussetzung dafür ist aber auch der Erhalt klinischer Betten in den Spitälern, denn wenn wir keine schweren und lebensbedrohlichen Dermatosen diagnostizieren und behandeln dürfen, können wir gleich die Fahne streichen. Nur eine klinische Dermatologie auf höchstem Niveau wird uns nämlich attraktiv genug machen, die Besten des Nachwuchses für unser Fach zu rekrutieren, denn die werden die Träger der Dermatologie in der Zukunft sein.