Injizierbare Füllmaterialien und Botulinumtoxin sind die zwei Standsäulen der ästhetischen Medizin. Was gibt es Neues?
Bis auf das Hydroxylapatit, bei dem jedoch nicht wirklich klar ist, welche Vorteile dieses Präparat hat, stehen als resorbierbare, injizierbare Füllmaterialien nur Hyaluronsäure-Präparate (HA-Präparate) zur Verfügung (abgesehen von Polymilchsäure, die kein typisches Füllmaterial ist). Die HA-Präparate lassen sich einerseits unterscheiden in solche mit Lidocain und solche ohne und andererseits in solche mit guten klinischen Studien und solche ohne.
Braucht es Lidocain? Definitiv, vor allem dann, wenn oberflächig injiziert wird. Kollegen, die dies nicht glauben, sei ein Selbstversuch empfohlen. Die Entscheidung, ob mit oder ohne Lidocain, ist eine Entscheidung für eine Injektion mit mehr oder weniger Schmerzen. Die Entscheidung für ein Füllmaterial mit oder ohne klinische Studien ist eine Entscheidung für Präparate, zu denen es Informationen zu Wirksamkeit und Sicherheit gibt, und solche, zu denen es keine gibt.
Vorsicht geboten: Zwischen den einzelnen Hyaluronsäurepräparaten gibt es Unterschiede, und es besteht auch der Eindruck, dass es Präparate der Kategorie ohne gute klinische Studien gibt, die ein erhöhtes Risiko an unerwünschten entzündlichen Reaktionen aufweisen. Der Preisvorteil eines nicht durch klinische Studien gesicherten Präparates kann rasch zunichte gemacht werden, wenn ein Patient beispielsweise mit einer abszedierenden Entzündung im Gesichtsbereich auf ein HA-Präparat reagiert.
Last, but not least: die Kanüle. Es gibt Kollegen, die den Eindruck erwecken, dass Hyaluronsäure nur noch mit der Kanüle injiziert werden sollte. Das stimmt natürlich nicht. Die Injektion mit der Kanüle kann z. B. bei der Wangenaugmentation hilfreich sein. Jedoch sollte man nicht vergessen, dass auch mit einer Nadel eine gute Wangenkorrektur möglich ist – hier sei auf Gerhard Sattler und seine Turmtechnik verwiesen.
Was ist noch neu? Es gibt mittlerweile mehr HA-Präparate, die für die sehr oberflächige Injektion im Sinne einer Mesotherapie eingesetzt werden können. Dies ist zu begrüßen, da die Behandlung der elastotischen Haut eine der wichtigsten Herausforderung des ästhetischen Dermatologen darstellt. Nicht zu vergessen: Nach wie vor kann es – selten, aber doch – vor allem im Bereich der Glabella und der Nasenflügel zu einer Gefäßokklusion als Reaktion auf die Injektion eines Füllers kommen. Deshalb gehört die Hyaluronidase in den Kühlschrank jedes Kollegen, der mit Hyaluronsäure arbeitet.
Kann es nach über 10 Jahren Erfahrung mit Botulinumtoxin in der ästhetischen Medizin überhaupt noch etwas Neues geben? Es kann.
Zunächst das Kuriose: Es gibt Bestrebungen einer Gesellschaft, die das Wort „Toxin“ im Namen führt, auf das Toxin zu verzichten. Also nur Botulinum statt Botulinumtoxin. Macht das Sinn im globalen Internetzeitalter? Kann die Wahl eines anderen Wortes in einer solitären Sprache Ängste vermeiden helfen? Gibt es hierzu Evidenz? Um die Therapie mit Botulinumtoxin akzeptabler zu machen (falls sie dies nicht schon ist), ist es wichtig, dass gute Therapieergebnisse beispielhaft dargestellt werden. Aber Vorsicht! „Natural look“ bedeutet auch häufigere Behandlungen und ist nicht von allen Patienten gewollt.
Was gibt es noch? Kampf um das richtige Verhältnis. Der Focus liegt zur Zeit weniger auf dem Verhältnis von Vistabel®/Bocouture® zu Azzalure® – hier ist ein Verhältnis von etwa 1 : 2,5 mittlerweile akzeptiert – sondern auf dem Verhältnis von Vistabel® und Bocouture®. Hier pendelt sich die Diskussion zurzeit zwischen 1 : 1, 1 : 1,5 und 1,5 : 1 ein. Das wirkliche Verhältnis wird wahrscheinlich um 1 : 1 liegen. Die Studien zu den Verhältnissen 1,5 : 1 und 1 : 1,5 sind von so bescheidender Qualität, dass sie bereits zu einer Rüge der PMCPA (einer britischen Non-Profit-Organisation, die den „Code of Practice“ der pharmazeutischen Unternehmen überwacht) geführt haben. Warum ist dieses Thema so umkämpft? Hier geht es um Geld. Je nach dem Verhältnis der einzelnen Präparate zueinander wird die Anwendung eines Präparates wirtschaftlicher oder unwirtschaftlicher.
Zu diesem Thema passt auch das Schlagwort „Diffusion“.
Es ist ein Mythos, dass unterschiedliche Präparate unterschiedlich diffundieren. Aus neueren Studien weiß man, dass alle BoNT-A-Präparate das gleiche 150-kD-Protein enthalten, d. h. sie verhalten sich alle identisch. Unterschiede in der Wirkung lassen sich nur durch Unterschiede in den Einheiten erklären.
Wo geht der Weg hin? Die Therapie wird immer individualisierter. Wünsche des Patienten, Einschätzung des Arztes sowie Muskelaktivität müssen einbezogen werden, um ein optimales Behandlungsergebnis mit Botulinumtoxin – oder, in Gottes Namen, auch mit Botulinum – zu erhalten.
Neues gibt es immer. Die Herausforderung ist, bei allen Neuigkeiten/Diskussionen einen klaren Kopf zu bewahren. Wo gute Evidenz vorhanden ist, sollte sie bei Entscheidungen hinzugezogen werden – fehlt sie, ist höchste Vorsicht angebracht.