Martin Laimer: Die Hauptaufgabe der OEADF ist, Fortbildungsformate sowohl für in Ausbildung stehende Dermatologen als auch für Fachärzte in Klinik und Niederlassung anzubieten. In einem Dialog mit dem dermatologischen Nachwuchs wollen wir – das ist das OEADF-Team mit Christine Prodinger, Ursula Pontoni und mir – gemeinsam ein Format für angehende Hautärzte entwickeln, das den Bedarf an spezifischen Qualifizierungsinhalten bestimmt und adäquat adressiert. Darunter verstehen wir eine zielgruppengerechte Integration von theoretischen Grundlagen, Praxistransferwissen und Erfahrungswerten mit inhaltlicher Gewichtung durch anerkannte Experten. Damit soll ein Mehrwert gegenüber klassischem Lehrbuchwissen erreicht werden.
Sowohl an in Ausbildung befindliche Kollegen als auch an Fachärzte richtet sich die jährliche OEADF-Tagung, die heuer im Mai in Graz stattfinden wird. Hier steht die Vermittlung von qualitätsgesichertem Praxistransferwissen im Mittelpunkt. Damit versuchen wir eine gewisse thematische Abgrenzung zur Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie zu erreichen, die verstärkt wissenschaftlich geprägt ist und auch bedeutende Inhalte der Grundlagenforschung aufbereitet.
Der umfangreiche dermatologische Kongresskalender spiegelt die Diversifizierung und die Spezialisierung unseres Faches wider. Es gibt mittlerweile eine wahre Inflation an Fortbildungen und auch Fortbildungsformaten, die notwendigerweise zum Teil sehr spezifisch sind. In diesem komplexen und dynamischen Umfeld sieht sich die OEADF in der Verantwortung, mit ihrer Tagung einen umfassenden Überblick zu den wichtigsten und praxisrelevanten Entwicklungen unseres Faches zu vermitteln – sprich, die Quintessenz, die jeder Dermatologe für die qualitätsgesicherte medizinisch-praktische Ausübung unseres Faches benötigt. Wenn es uns also gelingt, die zunehmend unüberschaubaren Informationsmengen anwendungsorientiert und akkurat zu destillieren und durch unsere Angebote zudem die Gemeinschaft und Gesellschaft der Dermatologen zu stärken, sehe ich Zweck und Ziele der OEADF erfüllt.
Neben den Vorbereitungen für die diesjährige Tagung versuchen wir gerade, wie oben erwähnt, die Formate für Residents zu überarbeiten. Zu diesem Zweck fand auch ganz rezent das OEADF-Forum Aus- und Fortbildung statt, zu dem alle Kolleginnen und Kollegen in Ausbildung eingeladen waren. Wir erhoffen uns, durch direktive und repräsentative Rückmeldungen unser spezifisches Serviceangebot verbessern und die Anliegen der jungen Kollegenschaft in unserer Fachgesellschaft authentischer vertreten zu können.
Die personalisierte Medizin hat natürlich auch in der Dermatologie Einzug gehalten. Die ätiopathogenetischen Grundlagen werden immer detaillierter und individueller charakterisiert, was fallspezifische, zielgerichtete Therapien beispielsweise in der Dermatoonkologie oder bei chronisch entzündlichen Hauterkrankungen ermöglicht. Diese innovativen, translational wirksamen Entwicklungen des Tumor- oder Immunprofilings haben Dermatologen maßgeblich ge-prägt und zum Teil federführend bis heute vorangetrieben. Unser Fach ist dadurch nicht nur sehr breit geworden, sondern hat auch ungemein an Tiefe gewonnen. Damit geht zwangsweise die Notwendigkeit zunehmender Spezialisierung einher – auch um Qualitätsstandards in einem teils sehr kompetitiven Umfeld erfüllen und sich gegenüber Begehrlichkeiten anderer Fachdisziplinen behaupten zu können. Den Generalisten als Einzelperson, der das gesamte Spektrum der Dermatologie hinlänglich abdecken kann, wird es deshalb zukünftig wahrscheinlich in dieser Form nicht mehr geben. Umso wichtiger sind aber gleichzeitig Angebote, die uns helfen sollen, den Überblick zu bewahren.
Weil selbst an akademischen Zentren die verfügbaren infrastrukturellen Ressourcen mitunter nicht ausreichen, um die meist nach betont quantitativen Parametern definierten Qualitätsstandards in allen Bereichen der Dermatologie zu erfüllen, erscheint gängigen Effizienzgedanken zufolge mittelfristig eine zumindest nationale Koordination definierter Zentren mit entsprechender Spezialisierung wahrscheinlich.
Entsprechend einer pragmatischen Versorgungshierarchie hat der niedergelassene Facharzt neben dem Hausarzt verstärkt eine zweite Gatekeeper-Funktion. Hierfür ist er idealerweise Generalist, der möglichst viel selbst abdecken kann, bei Bedarf aber als Distributor weiter, beispielsweise an eine Spezialambulanz in der Klinik, zuweist. Viele niedergelassene Dermatologen können zwar auf eine umfangreiche Spezialexpertise verweisen; häufig ist jedoch das Problem, dass die Erbringung derartig spezialisierter Leistungen nur unzureichend honoriert wird und für diese Kollegen deshalb unwirtschaftlich ist. Daher werden auch viele Patienten, die prinzipiell durchaus durch den niedergelassenen Facharzt auch mit innovativen Therapien bestens versorgt werden könnten, an die Klinik verwiesen, wo sie eigentlich unnötigerweise entsprechende Ressourcen belasten. Eine Überarbeitung der Leistungs- und Honorierungskataloge ist daher prinzipiell sinnvoll.
Dermatosen wie Erysipel, Herpes Zoster, Urtikaria oder Arzneimittelexantheme sind ein häufiger Vorstellungsgrund in der allgemeinmedizinischen Praxis. Da der Allgemeinmediziner hierfür oft auch die erste Anlaufstelle ist, sollte er gängige Hauterkrankungen zumindest grob einordnen können. Ein dermatologisches Basiswissen ist für den Hausarzt daher durchaus relevant und sollte deshalb zweckmäßigerweise auch als Ausbildungsinhalt vermittelt werden. Es ist allerdings nicht damit getan, die Dermatologie formal wieder zu einem verpflichtenden Teil der Ausbildung zum Allgemeinmediziner zu machen. Viel entscheidender ist, eine strukturierte, effiziente Vermittlung von relevanten Inhalten zu ermöglichen. Das wiederum erfordert Ressourcen, um einen qualitätsvollen Wissenstransfer zu ermöglichen. Wenn Turnusärzte dafür eingesetzt werden, Infusionsflaschen anzuhängen und den internistischen Status zu erheben, ist es nahezu irrelevant, ob die Dauer der verpflichtenden Zeit auf einer dermatologischen Station 0, 4 oder 8 Wochen beträgt. So prägt man sicher nicht nachhaltig im positiven Sinne und zugunsten unseres Faches.
Es ist auch in unserem Interesse, daneben die Zusammenarbeit und den Austausch mit Allgemeinmedizinern zu intensivieren. Das kann man heute in einem ersten Schritt beispielsweise, wie mancherorts bereits etabliert, mit gemeinsam organisierten Abendkursen, in denen die wichtigsten dermatologischen Wissensinhalte vermittelt werden.
Die Fortschritte in der Immundermatologie, Dermatoonkologie sowie der molekularen Dermatologie sind Gründe, dass sich die Attraktivität und der Stellenwert im Vergleich zu anderen Fachdisziplinen erhöht haben. Die Dermatologie konnte dadurch ihr Aktivitätsfeld umfassend ausbauen. Trotz allgegenwärtiger Herausforderungen kann Dermatologie sowohl im Krankenhaus als auch in der Niederlassung abwechslungsreich und attraktiv betrieben und die Themenvielfalt jeweils gut abgedeckt werden. Vielleicht haben wir auch deshalb zumindest derzeit kein Nachwuchsproblem. Das entbindet uns aber sicher nicht von der Verantwortung, die Qualität der Facharztausbildung laufend zu hinterfragen und auf die veränderten Ansprüche der jüngeren Generationen einzugehen. Angesichts der von Personalkürzungen, Bettenreduktionen und Arbeitsverdichtung geprägten Großwetterlage ist das für die Ausbildenden durchaus keine einfache Aufgabe. Gleichsam ist eine qualitätsvolle Ausbildung entscheidende Grundlage für eine effiziente Gesundheitsversorgung. Insofern amortisieren sich die hierfür aufgewendeten Ressourcen besonders schnell.
Vielen Dank für das Gespräch!