Es gibt europaweit große Unterschiede, was die Dichte an Dermatologen betrifft. In Großbritannien werden in etwa 100.000 Einwohner von einem Hautarzt versorgt, in Österreich in etwa 15.000. Durch die geringere Zahl an Hautärzten hat sich in GB natürlich nicht die Zahl der Patienten mit Hautkrankheiten verringert: Die Wartezeiten, bis diese von einem Experten gesehen werden, sind jedoch dramatisch länger. Kollegen von der Insel berichten mir, dass manche Hautärzte mehr als ein Jahr im Voraus ausgebucht sind. Der Unterschied zwischen Österreich und Großbritannien hat vor allem auch damit zu tun, dass das Fach Dermatologie in Österreich ein viel größeres Spektrum von Krankheiten abdeckt. In Österreich, übrigens ebenso wie in Deutschland und der Schweiz, sind die Diagnostik und Behandlung allergischer Krankheiten ein integraler Bestandteil der Dermatologie, und Patienten mit Hautkrebs werden ebenso von Dermatologen behandelt wie Patienten mit infektiösen Hautkrankheiten und sexuell übertragenen Krankheiten. In Großbritannien hingegen sind diese Themen nur mehr rudimentär im Fach vertreten, und der Bereich genitourinary medicine, der bei uns der Behandlung sexuell übertragener Erkrankungen entspricht, hat sich vollkommen verselbstständigt.
Dermatologie ist ein „Organfach“, und ich halte es für unbedingt erforderlich, dafür einzutreten, dass auch künftige Generationen von Hautärzten in der Lage sein sollen, alle Erkrankungen dieses Organs, ob infektiös, neoplastisch oder allergisch, zu diagnostizieren und zu behandeln.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen ist unabdingbar und im klinischen Alltag gelebte Realität. Selbstverständlich wird jeder Dermatologe, der einen Patienten mit Psoriasisarthritis behandelt, die Zusammenarbeit mit Rheumatologen suchen, und ebenso selbstverständlich wird die Vorgangsweise bei einem Patienten mit metastasierendem Melanom in Tumorboards mit Onkologen, Chirurgen und Pathologen abgestimmt. Wichtig ist jedoch, dass der Patient einen fixen Ansprechpartner hat, der diese interdisziplinäre Zusammenarbeit koordiniert, und dieser Ansprechpartner sollte derjenige sein, der die Erstdiagnose gestellt hat, und das ist im Falle von Hautkrankheiten eben der Dermatologe/die Dermatologin.
In der Dermatologie ist es, wie in allen Bereichen der Medizin, in den letzten Jahrzehnten zu einem nahezu exponentiellen Zuwachs an Wissen um die Pathogenese und die Behandlung von Krankheiten gekommen. So wurden etwa in der pädiatrischen Dermatologie die genetischen Ursachen vieler seltener Krankheitsbilder aufgeklärt und damit diese Krankheiten einer zielgerichteten Behandlung zugänglich. Diese Entwicklung muss zwangsläufig zu einer Spezialisierung führen. Das neue Ausbildungsmodell zum Facharzt für Dermatologie trägt dieser Entwicklung Rechnung, indem nach 3 Jahren Ausbildung im Gesamtfach weitere 27 Monate für eine Spezialisierung zur Verfügung stehen. Ich halte dieses Modell für wirklich erprobenswert. Die Tatsache, dass die Verantwortlichen für diese neue Ausbildungsordnung, nämlich das Bundesministerium für Gesundheit und die Ärztekammer, die „Gegenfächer“, nämlich Innere Medizin und Chirurgie, von 18 Monaten auf 9 Monate gekürzt haben, halte ich allerdings für langfristig schädlich für das Fach und nachteilig für die Patienten.
Es liegt in der Natur von Hautkrankheiten, dass sie sichtbar sind und dementsprechend häufig zu ästhetischen Beeinträchtigungen und oft auch zu sozialer Stigmatisierung führen. Die Heilung von Hautkrankheiten ist daher in vielen Fällen auch eine Hilfestellung für die soziale (Re-)Integration. Auch bei der Entfernung von Hauttumoren, etwa im Gesichtsbereich, geht es neben der rein medizinisch notwendigen Radikalität selbstverständlich auch um ästhetisch akzeptable Resultate der Operationen. Das heißt, der Dermatologe ist in seiner Arbeit seit jeher automatisch auch mit „ästhetischen“ Fragestellungen konfrontiert, und es ist daher wichtig, dass diesbezügliche Überlegungen auch ein Teil der Ausbildung sind. Inwieweit sich ein Hautarzt/eine Hautärztin in der Privatpraxis auf rein ästhetische Prozeduren einlassen bzw. spezialisieren will, ist letztlich eine persönliche Entscheidung.
Was sich in den letzten Jahren in der Behandlung von Hautkrankheiten getan hat, ist wirklich phantastisch. Dieser Aufbruch hat vor mehr als 10 Jahren mit einer neuen Klasse von Medikamenten, den Biologika, zur Behandlung der Psoriasis begonnen und setzt sich mit den innovativen Therapieansätzen beim Basalzellkarzinom und beim Melanom fort. Besonders beim Melanom gibt es mittlerweile jedes Jahr neue Medikamente oder Medikamentenkombinationen, die diesen aggressiven Tumor bekämpfen und das Leben der Patienten deutlich verlängern. Diese Entwicklung, die wir auf diesem Gebiet sehen, ähnelt der Entwicklung, die in den ’90er Jahren schließlich zur erfolgreichen Behandlung der HIV-Krankheit führte. Es besteht erstmals die berechtigte große Hoffnung, dass die Kombination von Medikamenten, welche Tumorzellen direkt treffen, mit Medikamenten, welche die Immunantwort gegen die Tumoren entfesseln, zu einer Verhinderung des Tumorwachstums bzw. sogar zu einer Eliminierung der Tumoren führen wird. Die Entwicklung dieser neuen Medikamente war nur durch die Ergebnisse jahrzehntelanger Grundlagenforschung möglich, einer Grundlagenforschung, die größtenteils an staatlichen Institutionen (vor allem in den USA), die aus öffentlichen Geldern finanziert wurden, durchgeführt wurde. Die sogenannte „Translational Research“, welche die Ergebnisse der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung bringt, kann natürlich erst einsetzen, wenn die Grundlagen erforscht sind. Daher darf man nicht müde werden, die öffentlichen Geldgeber darauf hinzuweisen, dass nur die Investition in die Grundlagenforschung ein Garant für den Fortschritt sein kann.
Als Ärzte müssen wir in erster Linie das Wohl oder – wie im Falle der neuen Tumormedikamente – sogar das Überleben des individuellen Patienten im Auge haben und notfalls dafür kämpfen, dass diese Medikamente dem Patienten zugänglich gemacht werden. Ja, die neuen Tumormedikamente sind unglaublich teuer, und ja, die frühen Phasen der Entwicklung dieser Medikamente wurden zu großen Teilen aus öffentlichen Geldern finanziert. Es ist daher meiner Meinung nach jetzt die Aufgabe der Politik und der Sozialversicherung, harte Verhandlungen mit den Pharmafirmen zu führen, damit die Preise dieser neuen Therapien sich auf ein für das Gesundheitsbudget erträgliches Maß hinbewegen.
Als derzeitiger Präsident der EADV bin ich in erster Linie glücklich darüber, dass wir es wieder geschafft haben, einen so erfolgreichen Kongress mit 10.000 Teilnehmern zu veranstalten. Die neue Programmstruktur mit wissenschaftlichen Sitzungen, maßgeschneidert für Assistenten, für Hautärzte in der Praxis und für Experten, wurde von den Teilnehmern sehr gut angenommen und sogar ungefragt gelobt. Die Sitzungen waren sehr gut besucht und die Vortragenden durchwegs auf höchstem Niveau. Einer der Höhepunkte war für mich zweifellos der Eröffnungsvortrag von Mina Bissell aus Berkeley „Why we develop so few cancers“. Sie hat fulminant die Ergebnisse ihrer jahrzehntelangen Forschung über die Rolle der Tumorumgebung und der extrazellulären Matrix an der Entstehung von Tumoren zusammengefasst. Neben den rein wissenschaftlichen Aspekten war sie aber auch ein Feuerwerk an Ideen und Lebensweisheiten und ein exzellentes Rollenmodell dafür, dass der Forschergeist und wissenschaftliche Kreativität kein Alterslimit haben muss.
Ich hoffe, dass unser Fach auch in 5 Jahren einer der zentralen Pfeiler der klinischen Medizin sein wird und dass auch die nächste Generation von Hautärzten ihre Freude daran hat, in dem Labyrinth der mehr als tausend verschiedenen Hautkrankheiten den roten Faden zur Diagnose zu suchen.