Frequenz von B-Raf-Mutationen bei Nävi – Korrelation mit dem dermatoskopisch-histopathologischen Muster

Die Entstehung melanozytärer Nävi ist ein komplexer und dynamischer Prozess, der durch unterschiedliche endogene und exogene Faktoren beeinflusst wird. Studien belegen, dass die Anzahl, das dermatoskopische Muster und die histopathologischen Merkmale von Nävi stark vom Alter abhängen, was in den letzten Jahren zu neuen Konzepten der Nävogenese geführt hat (Abb. 1 + 2).
Von besonderer Bedeutung für das Verständnis der Nävogenese sind neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung, wobei Mutationen im B-Raf-Gen eine besondere Rolle zugeschrieben wird. Das B-Raf-Gen spielt eine zentrale Rolle in der Regulation des Zellwachstums und -überlebens sowie der Zelldifferenzierung. Mutationen im B-Raf-Gen werden bei etwa der Hälfte aller Melanome und einer unterschiedlichen Anzahl von erworbenen Nävi beobachtet, wobei die Angaben zwischen 40 und 80% liegen.
Bis heute gibt es jedoch kaum Daten, die über die Häufigkeit von B-Raf-Mutationen in Nävi mit verschiedenen dermatoskopischen Mustern berichten.

Methode

In einer von unserer Arbeitsgruppe kürzlich durchgeführten Studie testeten wir die Häufigkeit von B-Raf-Mutationen bei 45 erworbenen Nävi, die wir dem dermatoskopischen Muster entsprechend in folgende vier Gruppen unterteilten: (i) 5 (11,1%) Nävi mit globulärem Muster (G-Muster), (ii) 17 (37,7%) Nävi mit retikulärem Muster (R-Muster), (iii) 11 (24,4%) Nävi mit gemischtem Muster und kleinen Globuli in der Peripherie (MP-Muster) und (iv) 12 (26,6%) Nävi mit gemischtem Muster mit Globuli oder homogenen Arealen im Zentrum und peripheren Netzwerk (MC-Muster). Zusätzlich verglichen wir in einem kleineren Subset von 24 Nävi die Ergebnisse von zwei verschiedenen Testmethoden, die mit unterschiedlicher Sensibilität das Vorliegen von B-Raf-Mutationen erkennen.

Ergebnisse

Mittels der weniger sensiblen Untersuchungsmethode konnten B-Raf-Mutationen bei insgesamt sechs (13,3%) von allen 45 untersuchten Nävi nachgewiesen werden. Unter diesen fanden sich je zwei Nävi mit G-Muster, mit MP-Muster und mit MC-Muster (alle histopathologisch vom Compound-Typ). Keiner der als R-Muster oder histopathologisch als junktionaler Nävus klassifizierten Nävi wies B-Raf-Mutationen auf.
Im deutlichen Gegensatz dazu stieg die Häufigkeit des Nachweises von B-Raf-Mutationen mittels der weitaus sensibleren Methode; 79,2% der untersuchten Nävi zeigten ein mutiertes B-Raf-Gen. Interessanterweise zeigten alle Nävi mit G-Muster, 90,9% der Nävi mit MP-Muster, 75% der Nävi mit R-Muster, aber nur 57% der Nävi mit MC-Muster Mutationen im B-Raf-Gen auf.

Kommentar

Unsere Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die Rolle von B-Raf-Mutationen in der Entstehung melanozytärer Nävi:

  1. Die Häufigkeit von B-Raf-Mutationen bei Nävi hängt vom dermatoskopisch-histopathologischen Muster, der aktuellen Wachstumsphase und der Lokalisation der Melanozyten in den verschiedenen Schichten der Haut ab. Wachsende Nävi (MP-Muster) und primär dermale Nävi (G-Muster) wiesen in unserer Studie höhere Mutationsraten auf als stabile oder junktionale Nävi (R- oder MC-Muster).
  2. Diese Beobachtungen stellen somit die Behauptung in Frage, dass starke UV-Strahlung zu Mutationen im B-Raf-Gen führen kann. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dürfte man hohe Mutationsraten gerade bei junktionalen Nävi (R-Muster) erwarten, deren epidermale Melanozyten weitaus höheren Dosen von UV-Strahlung ausgesetzt sind als die dermalen Melanozyten von Nävi mit G-Muster.
  3. Eine Erklärung für unsere Beobachtungen kommt aus der Stammzellforschung: Es wird heute angenommen, dass Vorläuferzellen der Melanozyten (Melanoblasten) von pluripotenten Stammzellen der Neuralleiste abstammen und während der Embryogenese entlang der Nervenbahnen in die Dermis gelangen, dort reifen und schließlich als funktionstüchtige Melanozyten in die Epidermis wandern. Eine kurzfristige Unterbrechung oder verspätete Expression chemotaktischer Faktoren der sich entwickelnden embryonalen Epidermis, welche die Zellreifung und Migration der Melanoblasten in die Epidermis beeinflussen, könnte zu einem Arrest von Melanoblasten in der Dermis führen, die in weiterer Folge für die Formation von Nävi mit G-Muster verantwortlich sind.
    Sollte dieses Modell zutreffen, könnten Melanoblasten mit B-Raf-Mutationen Reifungsstörungen aufweisen, die vermutlich ein höheres proliferatives Potenzial haben als reife epidermale Melanozyten. Diese Behauptung wird durch die Tatsache gestützt, dass Nävi mit überwiegend dermaler Komponente generell einen größeren Durchmesser haben als rein junktionale Nävi.
  4. Unsere Ergebnisse erlauben auch den Rückschluss, dass die Häufigkeit von B-Raf-Mutationen vermutlich von der aktuellen Wachstumsphase eines individuellen Nävus abhängt (Abb. 3).
    So weiß man heute dank digitaler Verlaufsbeobachtungen, dass wachsende Nävi durch ein MP-Muster gekennzeichnet sind. Im Laufe der Zeit nehmen sie so lange an Größe zu, bis das Verschwinden der peripheren Globuli das Ende der aktiven Wachstumsphase andeutet. Ab diesem Zeitpunkt findet man zumeist ein R- oder MC-Muster. Nach dem 40. Lebensjahr verschwindet eine zunehmende Anzahl dieser Nävi durch Regression oder Involution, was sich auch in dem Satz “wir werden ohne Nävi geboren und wir werden ohne Nävi sterben” widerspiegelt.
    In diesem Zusammenhang sei hervorgehoben, dass Studien Folgendes belegen: Melanozyten mit B-Raf-Mutationen exprimieren gleichzeitig auch molekulargenetische Inhibitoren des Zellzyklus, die eine so genannte Onkogen-induzierte Seneszenz induzieren. Mit anderen Worten, Mutationen in B-Raf bei wachsenden Nävi scheinen unter anderem deren Wachstum und Involution zu kontrollieren.
  5. Von der technischen Seite her demonstrierte unsere Studie, dass die Häufigkeit von B-Raf-Mutationen bei Nävi maßgeblich von der verwendeten Untersuchungsmethode abhängt; dieser Umstand sollte in Zukunft bedacht werden, wenn man Daten in der Literatur vergleichen will.

Zu guter Letzt unterstreichen unsere Beobachtungen die Wichtigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen klinischer und Grundlagenforschung.

The Dermoscopical and Histopathological Patterns of Nevi Correlate with the Frequency of B-Raf-Mutations.
Zalaudek I, Guelly C, Pellacani G, Hofmann-Wellenhof R, Trajanoski S, Kittler H, Scope A, Marghoob AA, Longo C, Leinweber B, Ferrara G, Saida T, Grichnik JM, Argenziano G, Becker JC; J Invest Dermatol 2011 Feb; 131(2): 542-5
Diese Studie wurde durch das Elise-Richter-Programm des FWF (Projektnummer V9-B05) unterstützt.