Lupus erythematodes
: Die diagnostische Bedeutung von Ro/SS-A-Antikörpern 


Antinukleäre Antikörper (ANA) sind ein wichtiger Baustein in der Diagnostik von Autoimmunerkrankungen. Es gibt viele verschiedene ANA (ds-DNA-Antikörper, Sm-Antikörper, RNP70-Antikörper, Ro/SS-A-Antikörper, La/SS-B-Antikörper, Scl-70-Antikörper, PM-Scl-Antikörper, Jo-1-Antikörper, CENP-Antikörper u. v. a. m.), die mit unterschiedlichen Autoimmunerkrankungen assoziiert sind. Ro/SS-A-Antikörper wurden bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (SLE; ca. 30–65 %), Sjögren-Syndrom, neonatalem LE, primär biliärer Zirrhose und hereditärem C2/C4-Mangel gefunden. Auch bei verschiedenen spezifischen kutanen LE-Formen (Tab. 1), insbesondere dem subakut kutanen Lupus erythematodes (ca. 70–80 %), sind Ro/SS-A-Antikörper ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik. Die biologische Funktion der Antigene, gegen die sich die Ro/SS-A-Antikörper richten und ob Ro/SS-A-Antikörper eine Rolle bei der Pathogenese von Autoimmunerkrankungen spielen, ist noch weitgehend unklar.

 

 

Fragen zur Prognose von Patienten mit Ro/SS-A-Antikörper

Bekannt ist eine erhöhte Photosensibilität bei Patienten mit Lupus erythematodes (LE) und nachweisbaren Ro/SS-A-Antikörpern. Bei diesen sind neben spezifischen kutanen LE-Formen (Tab. 1) v. a. die Gelenke, die Nieren und das Blut im Rahmen der Autoimmunerkrankung betroffen. Zudem wurden erhöhte Leberfunktionsparameter und Lupuspneumonien bei Ro/SS-A-Antikörper positiven LE-Patienten beschrieben.
Aufgrund der Vielfalt an möglichen Organmanifestationen und der Häufigkeit von Ro/SS-A-Antikörper-positiven LE-Patienten in der dermatologischen Praxis sind Untersuchungen zur Prognose dieser Patienten wichtig. Im Alltag stellen sich für den behandelnden Arzt diverse Fragen:

  • Welche Ro/SS-A-Antikörper-positive Patienten mit kutanem LE entwickeln über die Haut hinaus noch eine Beteiligung der inneren Organe?
  • Gibt es klinische oder laborchemische Warnsignale, um Risikogruppen für eine mögliche Organbeteiligung frühzeitig zu entdecken?
  • Bei welchen LE-Patienten sollten weiterführende bildgebende Untersuchungen veranlasst, und welche sollten an ein Spezialzentrum überwiesen werden?

In der Studie wurden alle Patientenseren, die im immunologischen Labor der Dermatologie von Jänner 2000 bis Dezember 2010 positiv auf Ro/SS-A-Antikörper getestet worden waren, eingeschlossen. Bei insgesamt 215 Patienten wurden Ro/SS-A-Antikörper nachgewiesen und auch die Diagnose eines LE gestellt. Diese Patienten wurden retrospektiv im Hinblick auf ihre Hautmanifestationen (spezifische und unspezifische LE-Formen – siehe Tab. 1), laborchemischen Merkmale und Beteiligung innerer Organe untersucht. Die zentrale Fragestellung der Studie war, ob es einen Zusammenhang zwischen kutanen LE-Formen und der Beteiligung innerer Organe bei Ro/SS-A-positiven LE-Patienten gibt, und welche Kriterien (klinisch, laborchemisch) auf ein erhöhtes Risiko für eine Organbeteiligung hinweisen. 


Gibt es ANA-negative LE-Patienten? Ja. Dies liegt an den unterschiedlichen Testsystemen (indirekte Immunfluoreszenz auf Hep-2-Zellen versus ELISA) und damit auch verwendeten Antigenen zum Nachweis der Autoantikörper. Nicht feststellbare ANA (mittels indirekter Immunfluoreszenz auf Hep-2-Zellen) bedeuten daher noch lange nicht, dass ein Patient keine Ro/SS-A-Antikörper bzw. folglich auch keinen LE hat. Bei ungefähr 20 % unserer Ro/SS-A-Antikörper-positiven LE-Patienten konnten keine ANA nachgewiesen werden. ANA-negative und Ro/SS-A-Antikörper-positive LE-Patienten sind klinisch v. a. durch spezifische kutane LE-Formen (Tab. 1) und ihr höheres Alter (> 50 Jahre) gekennzeichnet.


Welche spezifische kutane LE-Form tritt am häufigsten bei Ro/SS-A-Antikörper-positiven LE-Patienten auf? Bei mehr als einem Drittel unserer Patienten wurde ein subakut kutaner LE diagnostiziert. Eine Beteiligung innerer Organe wurde selten beobachtet. Am häufigsten wurden neuropsychiatrische Manifestationen festgestellt. An eine Beteiligung der inneren Organe sollte man bei jungen Patienten (< 50 Jahre), die Müdigkeit angeben, denken (Abb. 1).


 

 

Welche Patienten mit Ro/SS-A-Antikörper sollten an einem Spezialzentrum vorgestellt werden? „Hochrisiko“-Patienten sind junge Frauen (mittleres Alter: 33 Jahre) mit einem akut kutanen LE (z. B. Schmetterlingserythem oder dissiminiertem makulo-papulo-urtikariellem Exanthem), der jeweils ein Indikator für die Diagnose eines SLE bzw. SLE/SS war. Ein Drittel dieser Patienten hatte eine Nierenbeteiligung. Im Vergleich zu allen anderen spezifischen kutanen LE-Formen hatten diese Patienten signifikant häufiger Sm- und APS-Antikörper, Komplementverbrauch, Anämie und Thrombopenie, Fieber, Arthralgien, Myalgien und Müdigkeit. Als zweite Risikogruppe wurden Patienten mit einem mukosalen LE identifiziert, da bei diesen regelmäßig ein SLE oder ein SLE/SS-Syndrom diagnostiziert wurde, und sie auch häufiger eine Serositis entwickelten (Abb. 2).


 

 

Welche Merkmale haben Ro/SS-A-Antikörper-positive LE-Patienten, bei denen die inneren Organe beteiligt sind? Mittels logistischer Regressionsanalyse zeigte sich ein erhöhtes Risiko für eine innere Organbeteiligung bei Ro/SS-A-Antikörper-positiven LE-Patienten mit kutanen unspezifische LE-Formen (Tab. 1), einer Leukopenie, positiven ANA, Arthralgien sowie Müdigkeit. Vor allem Patienten mit Sm-Antikörper, einem akut kutanen LE, einer zusätzlichen Autoimmunerkrankung (z. B. Mb. Hashimoto) oder einer Serositis hatten ein erhöhtes Risiko für eine Beteiligung der Nieren. Demgegenüber stellten ein subakut kutaner LE sowie ein chronisch diskoider LE protektive Faktoren dar, d. h. bei diesen Ro/SS-A-Antikörper-positiven LE-Patienten wurde insgesamt seltener eine Beteiligung der inneren Organe beobachtet.


Spielt das Alter auch eine Rolle bei Ro/SS-A-Antikörper-positiven LE-Patienten? Als Faustregel gilt: Ältere Patienten (> 50 Jahre) mit spezifischen LE-Formen zeigen oft einen chronisch undulierenden Verlauf im Gegensatz zu jüngeren Patienten, bei denen ein LE foudroyant verlaufen kann. Bei jüngeren Patienten (< 50 Jahre) mit Ro/SS-A-Antikörpern sollte man bei vorliegendem ACLE und MLE immer an eine Organbeteiligung denken; bei einem subakut kutanen LE und einem chronisch kutanen LE sollte eine – wenn auch seltene – Organbeteiligung durch regelmäßige klinische Kontrollen nicht außer Acht gelassen werden. 


Conclusio

In unserer Studie konnte bei 89,9 % aller Ro/SS-A-Antikörper-positiven LE-Patienten eine Hautmanifestation im Sinne eines spezifischen und/oder unspezifischen kutanen LE (Tab. 1) nachgewiesen werden. Nur ca. 80 % unserer Ro/SS-A-Antikörper-positiven Patienten hatten auch nachweisbar ANA. Dies unterstreicht die Bedeutsamkeit der klinischen Fachkenntnis des Dermatologen, damit LE-Patienten primär als solche „verdächtigt“ werden, um anschließend eine weiterführende Diagnostik (z. B. Ro/SS-A-Antikörper) auch trotz negativer ANA einzuleiten.
Wir konnten zeigen, dass verschiedene spezifische kutane LE-Manifestationen mit unterschiedlichen Risiken im Hinblick auf eine Beteiligung der inneren Organe einhergehen. Zudem spielt das Alter ( 50 Jahre), in dem Ro/SS-A-Antikörper festgestellt werden, für die Prognose dieser LE-Patienten eine erhebliche Rolle. Schließlich sollte man immer an eine Beteiligung der inneren Organe bei Ro/SS-A-Antikörper-positiven LE-Patienten mit einem akut kutanen LE, einem mukosalen LE, einer Leukopenie, positiven ANA, Arthralgien und nachweisbaren unspezifischen kutanen LE-Manifestationen denken.

Referenzen
– Franceschini F, Cavazzana I, Anti-Ro/SSA and La/SSB antibodies. Autoimmunity 2005; 38:55–63.
– Popovic K, Brauner S, Ek M, Wahren-Herlenius M, Nyberg F, Fine specificity of the Ro/SSA autoantibody response in relation to serological and clinical findings in 96 patients with self-reported cutaneous symptoms induced by the sun. Lupus 2007; 16:10–7.
– Simmons-O’Brien E, Chen S, Watson R, Antoni C, Petri M, Hochberg M et al., One hundred anti-Ro (SS-A) antibody positive patients: a 10-year follow-up. Medicine (Baltimore) 1995; 74:109–30.
– Deng JS, Sontheimer RD, Gilliam JN, Relationships between antinuclear and anti-Ro/SS-A antibodies in subacute cutaneous lupus erythematosus. J Am Acad Dermatol 1984; 11:494–9.
– Gilliam JN, Sontheimer RD, Distinctive cutaneous subsets in the spectrum of lupus erythematosus. J Am Acad Dermatol 1981; 4:471–5.