Neue Technologien sind in den letzten Jahren rapide vorangeschritten und unterstützen auch in der Medizin innovative Weiterentwicklungen. Zunehmend werden Medizinprodukte zum Thema, die mit minimalem Aufwand und ohne große Unannehmlichkeiten für den Patienten zur Direktübertragung von Messwerten eingesetzt werden können. Einen Teilbereich dieser Produkte stellen Mikronadeln dar. Diese Mikronadeln können in Zukunft z. B. zur besseren Messung von Langzeit-EKG- und EEG-Signalen eingesetzt werden und sollen langfristig auch als diagnostisches Werkzeug zur Verfügung stehen, um in ausgewählten Fällen eine Blutabnahme zu ersetzen. Weitere zukünftige Anwendungsmöglichkeiten sind Impfungen ohne für den Patienten sichtbare Nadeln und Spritzen.
Jedoch ist es derzeit noch nicht möglich, diese experimentellen Technologien in einen kostengünstigen Massenfertigungsprozess zu überführen. Eine vielversprechende neue Materialklasse stellen hier die Cycloolefin-Copolymere (COP) dar. Die Auswahl dieser neuen Materialien und die damit verbundenen Fertigungsprozesse stellen aber auch ein potenzielles Risiko in der Anwendung dar und bedürfen genauer Untersuchungen.
Gemeinsam mit universitären und industriellen Partnern des Tyndall National Institute am University College Cork, der Johannes Kepler Universität Linz, der Stratec Consumables GmbH und der Profactor GmbH haben wir in einer kürzlich erschienenen Publikation Möglichkeiten aufgezeigt, wie bereits von Anfang an zellbiologische Methoden angewendet werden können, um die Entwicklung eines Massenfertigungsprozesses für Mikronadeln zu begleiten.
Die Materialauswahl ist für die Weiterentwicklung dieser Produkte ein entscheidender Schritt, da das Medizinprodukt für längere Zeit in unmittelbarem Kontakt mit der Haut steht. Dabei spielt die Einhaltung gesetzlicher Standards für Medizinprodukte eine essenzielle Rolle. Die Vorgaben, die normierte Tests mit Fibroblastenzelllinien vorschreiben, können jedoch nur eine grobe Annäherung an die zu erwartende Reaktion in der Haut sein. Diese Annäherung kann verbessert werden, indem neue Materialien, wie zum Beispiel COP, zusätzlich mit den tatsächlich relevanten Zelltypen getestet werden.
In einem Zellkulturverfahren haben wir zunächst humane Endothelzellen und Keratinozyten mit denselben Methoden untersucht, die für Materialtests nach ISO 10993-5 und USP <87> angewendet werden. Diese ersten Untersuchungen mit Materialüberständen brachten keine Unterschiede in der Zytotoxizität oder der Regulation von Entzündungsmarkern zum Vorschein, so dass eine grundsätzliche Verträglichkeit dieser bereits für medizinische Anwendungen getesteten Materialien auch für Zellen der Haut erwartet werden darf.
Als nächstes wurden Keratinozyten in direktem Kontakt mit dem Material kultiviert. Die Differenzierung und Zelladhäsion, die für eine effektive Bildung der Barrierefunktion benötigt werden, wurden genauer überprüft. Zwei von drei Materialien unterstützten die Bildung von Zell-Zell-Verbindungen. Im Fall des dritten Materials wurde eine deutlich verminderte Zelladhäsion und Differenzierung von Keratinozyten mit dieser Art von COP festgestellt, und es sollten weitere Tests durchgeführt werden, bevor dieses Material zur Anwendung kommt. Durch die genannten In-vitro-Methoden wurden nur COP für die Entwicklung des Fertigungsprozesses für Mikronadeln verwendet, die keine Veränderung in Keratinozyten hervorrufen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass zellbiologische Methoden eine ethisch unproblematische und kostengünstige Möglichkeit darstellen, um ein möglichst geeignetes Material für den weiteren Entwicklungs- und Prüfprozess von Mikronadeln auszuwählen.