Der EASL 2012 zeigte eindrucksvoll, dass die neuen Therapieoptionen für HCV-Patienten den klinischen Alltag bereits verändert haben und zunehmend auch schwer zu behandelnde Patientengruppen von den neuen Therapieoptionen profitieren. Es wurde eine Vielzahl an Studien mit neuen Protease- bzw. Polymerasehemmer der zweiten Generation vorgestellt. In den nächsten Monaten wird sich herausstellen, ob das Pendel eher in Richtung einer „superindividualisierten“ Therapie mit Berücksichtigung von Faktoren wie IL 28, HCV-Genotyp und Sub-Genotyp 1a, 1b und eventuell anderer genetischer Faktoren ausschlägt oder ob sich eine hochpotente Substanz herauskristallisiert, die aufgrund ihrer Wirksamkeit für eine große Zahl der Patienten mit HCV ein einfaches kurzes Therapieschema ermöglicht.
Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Daten zu den heute bereits zugelassenen Substanzen (Boceprevir, Telaprevir) dargestellt, um abschließend einen Ausblick in die nahe Zukunft mit ihren neuen Vertretern zu machen: Im Rahmen der PROVIDE-Studie (Abstr. 11) konnte gezeigt werden, dass Boceprevir bei gut charakterisierten Nullrespondern in der Vortherapie eine SVR-Rate von 40 % aufweist. Unter einer Tripletherapie mit Boceprevir erreichen doppelt so viele HIV/HCV-Koinfizierte (Mallolas J. et al., Abstr. 50) eine SVR wie unter Standardtherapie. 12 Wochen nach Therapieende (SVR12) war HCV bei 61 % der Patienten unter Boceprevir nicht nachweisbar, im Vergleich zu 27 % nach Standardbehandlung. Unterschiede zwischen den einzelnen HIV-Therapie-Regimen und klinisch relevante Medikamenteninteraktionen wurden nicht beobachtet. Dennoch wird allgemein empfohlen, Boceprevir nicht zusammen mit geboosterten Proteasehemmern einzusetzen. Es zeigt sich aber auch das beträchtliche Potenzial für diese Patientengruppe.
Lieber Ribavirin reduzieren als Erythropoetin geben (Poordad F. et al., EASL 2012; Abstr. 1419): Die Reduktion der Ribavirin- Dosis bei Anämie unter einer Tripletherapie mit Boceprevir hat den gleichen antianämischen Effekt wie die Gabe von Erythropoetin, ohne die SVR-Rate zu verschlechtern. Der Effekt der Ribavirin-Dosisreduktion und Erythropoetin- Gabe wurde in einer Phase-III-Studie mit 687 Patienten verglichen. Bei 500 der therapienaiven Patienten fiel das Hämoglobin unter 10 mg/dl. Diese Patienten erhielten entweder 40.000 IU/w Erythropoetin oder die Ribavirin-Dosis wurde in 200-mg-Schritten reduziert. In beiden Studienarmen erreichten gleich viele Patienten eine SVR (jeweils 71 %) und gleich viele erlitten einen Relaps (jeweils 10 %), sodass eine Ribavirinreduktion sich als klinischer Standard zu etablieren scheint.
Im Rahmen des französischen „Early access“- Programms CUPIC zeigte sich, dass die Tripletherapie (Abstr. 8) von Patienten mit Leberzirrhose mit einer unerwartet hohen Rate an schweren Nebenwirkungen verbunden ist. 455 Patienten hatten eine Leberzirrhose und 296 erhielten Telaprevir, 149 Boceprevir. In den ersten 16 Wochen wurden unter Boceprevir bei 38 % und unter Telaprevir bei 49 % der Patienten schwere Nebenwirkungen (SAE) beobachtet. In den klinischen Zulassungsstudien waren dagegen nur 14 % bzw. 9 % SAE aufgetreten. Schwere Infektionen traten selten auf (1–2 %), waren jedoch die häufigste Todesursache (n = 6), eine Therapie in dieser Patientengruppe ist daher nur mit größter Vorsicht und strenger Indikationsstellung durchzuführen. Coilly et al. (Abstr. 47) zeigten die ersten Ergebnisse der Tripletherapie bei Transplantat- Hepatitis. In der französischen Studie wurden 10 Patienten im Schnitt 26 Monate nach Lebertransplantation wegen einer schweren Hepatitis C der neuen Leber mit Tripletherapie behandelt. Bei der Hälfte der Patienten war die HCV-RNA zu Woche 24 negativ. Die Interaktionen zwischen den Immunsuppressiva und dem Proteasehemmer konnten gut kontrolliert werden. Diese Daten sind aus meiner Sicht besonders wichtig, da sich daraus für diese Patienten eine neue Perspektive ableiten lässt.
Der folgende Teil zum Themenblock Hepatitis C soll sich neuen Substanzen und insbesondere der IFN-freien Therapie widmen.
In der Studie ATOMIC (Abstr. 1) wurden Patienten mit HCV GT 1 mit GS-7977 400 mg in Kombination mit pegIFN und Ribavirin über 12 bzw. 24 Wochen behandelt. 99 % der Patienten waren am Ende der Behandlung virusfrei, es gab keinen virologischen Durchbruch. Nach 12 Wochen Therapie hatten 90 % der Patienten einen SVR12. Die Verträglichkeit war gut, bei lediglich 5 % der Patienten musste die Therapie wegen Nebenwirkungen abgebrochen werden, auch in dieser Studie zeigt die Substanz GS7977 hervorragende antivirale Wirksamkeit. Im Rahmen der ASPIRE-Studie zeigte sich bei vorbehandelten Patienten unter der Tripletherapie signifikant häufiger eine SVR als unter Standardtherapie, wobei auch Nullresponder und Zirrhotiker profitierten. Die 262 Patienten wurden 12, 24 oder 48 Wochen lang mit TMC435 OD in unterschiedlicher Dosierung behandelt. Einen SVR24 erreichen 85 % der Relapser, 75 % der partiellen Responder und 51 % der Nullresponder. In der Gruppe der am schwierigsten zu behandelnden Patienten, den Nullrespondern mit Leberzirrhose, waren 31 % 24 Wochen nach Therapieende virusfrei.
IFN-freie Therapie: Sulkowski M. et al. (Abstr. 1422) zeigte, dass Daclatasvir + GS-7977 ± RBV bei therapienaiven GT-1-, aber auch bei GT-2/3-Patienten extrem hohe Erfolgsraten (bis zu 100 %) zeigten. Allerdings sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass erst die Daten für 4 Wochen nach Therapieende vorliegen. In der SOUND-C2-Studie wurde eine Interferon- freie Therapie mit BI 201335, BI 207127 und Ribavirin untersucht. 37 Patienten davon hatten eine kompensierte Leberzirrhose. 71 % der Patienten mit GT 1b und 43 % mit GT 1a erreichten eine SVR. 21 % der Patienten hatten einen viralen Durchbruch und ein Patient (8 %) hatte einen Relaps.
Im Rahmen der Pilot-Studie (ABT-450/r + ABT- 072 + RBV in Treatment-Naive GT1 HCV) erreichten 91 % der Patienten einen SVR 24, allerdings sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass in der Studie lediglich Patienten mit dem günstigen IL-28-CC-Genotyp aufgenommen wurden. Im Rahmen dieser Studie wurde auch ein so genannter „late relapse“ zu Woche 36 beobachtet, sodass hier generell die Frage zu stellen ist, wann bei IFN-freien Regimen von einer Heilung zu sprechen ist. Besonders beeindruckend sind die Daten von IFN-freien Regimen bei „Null-Respondern“ im Rahmen der Vortherapie. Suzuki et al. (Abstr. 14) zeigten, dass die Kombination von Daclatasvir + Asunaprevir bei GT-1b-Patienten mit Null-Respondern oder IFN-Intoleranz bei 91 % bzw. 64 % zu einem SVR führt. Insgesamt belegen diese Daten die hervorragende Wirksamkeit der neuen DAAs. Dadurch ergeben sich in den nächsten Jahren für die HCV-Patienten sehr erfreuliche Perspektiven und Behandlungsoptionen.
Verglichen mit den Fortschritten im Bereich der Hepatitis C nahmen heuer die Neuerungen im Bereich der Hepatitis B einen kleineren Stellenwert ein. Exemplarisch seien hier zwei aus meiner Sicht wichtige Studien erwähnt.
Im Rahmen der ENTEBEStudie konnten Simon et al. (Abstr. 542) zeigen, dass bei Patienten mit chronischer HBV-Infektion und Versagen auf eine Nukleosid-/ Nukleotid- Therapie mit der Kombination Entecavir/ Tenofovir bereits 24 Wochen nach Therapiebeginn der Viral Load bei mehr als der Hälfte der Patienten < 50 IU/ ml betrug. Die Verträglichkeit war gut, die häufigsten Nebenwirkungen waren Übelkeit, Diarrhö, Müdigkeit und Haarausfall. Dies zeigt, dass ein Umstieg auf eine Kombinationstherapie eine gute Therapieoption für diese herausfordernde Patientengruppe darstellt. In einer offenen Phase-III3b-Studie mit 65 Patienten nach Lebertransplantation konnte durch Perrillo et al. (Abstr. 535) gezeigt werden, dass Entecavir mit oder ohne Anti-HBVImmunoglobulin die Reinfektion der neuen Leber verhinderte. Die HBV-DNA lag zum Zeitpunkt der Transplantation bei im Mittel 0,9 log IU/ml. Die meisten Transplantierten waren vorbehandelt (40 % Entecavir, 34 % Lamivudin und 19 % Adefovir, n = 1 Tenofovir). Sie erhielten 1 mg/d Entecavir für 72 Wochen +/– HBIg nach der Transplantation. In diesem Zeitraum kam es zu keiner einzigen Reinfektion.
Im Rahmen der multinationalen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten BRISKStudie stellte sich leider heraus, dass Brivanib bei Patienten, die eine Progression unter Sorafenib aufweisen, mit fortgeschrittenen HCC zu keiner signifikanten Zunahme des Überlebens führt.