Das (inter-)nationale Meeting der American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD) ist neben dem inzwischen mächtig gewachsenen vergleichbaren europäischen Meeting die Pflichtveranstaltung für alle hepatologisch fokussierten Gastroenterologen dieser Welt. Dementsprechend kommt bereits über die Hälfte der ca. 9.000 Teilnehmer aus Ländern außerhalb der USA.
Kongress-Spezifika: Das klassische Format mit dem immer hervorragenden Postgraduate Course – dieses Jahr unter dem Thema „Personalized Medicine and the Practice of Hepatology“ –, Scientific Meeting, Early Morning Workshops und Meet the Professor Luncheons ist in den letzten Jahren um einen Leber-Transplant-Kurs, Basic-Science-Workshop und Endoskopie-Kurs erweitert worden. Die AASLD führt eine Reihe spezieller Interessengruppen, die die Jahrestagung als Plattform für Hybrid-Symposien aus aktueller Wissenschaft und State-of-the-Art-Übersichten sowie zur Formulierung aktueller Wissenschaftsinitiativen nützt. Ein Beispiel herausgegriffen: die Interessengruppe Delta-Hepatitis hat wegen der geringen Wirksamkeit aktueller Therapien eine neue internationale Initiative aufgelegt. Gesellschaften versammeln sich auch, um verdiente Mitglieder zu ehren. Dieses Jahr wurden Anna M. Diehl für ihre bahnbrechenden Beiträge zur modernen Fettleberforschung, Thomas D. Boyer, für seinen Beitrag zur portalen Hypertension und Nathan M. Bass für seine Beiträge zur Lebertransplantation ausgezeichnet. Daneben verteilt die Gesellschaft mehrere Millionen Dollar als Auszeichnung und Unterstützung an eine große Zahl junger Wissenschaftler.
Daten zu Protease-Inhibitoren der 1. Generation: Aus klinischer Sicht dominierten die aktuellen Ergebnisse aus den Studien zu den direkt antiviralen Therapien gegen Hepatitis-C-Virusinfektion (HCV). Nach mehr als einem Jahr Erfahrung mit den Proteaseinhibitoren (PI) der 1. Generation außerhalb von Zulassungsstudien liegen die ersten Real-Life-Daten u. a. auch in der Anwendung nach Lebertransplantation (LTx) vor. Zum einen bestätigt sich die hohe Wirksamkeit der Kombination mit Telaprevir bzw. Boceprevir, zum anderen ist auch klar geworden, dass aufgrund der zu Peg-Interferon (IFN)/Ribavirin (RBV) additiven Toxizität die dekompensierte Zirrhose klar als Kontraindikation zu betrachten ist. Auch nach LTx bestätigt sich die verbesserte Wirksamkeit. Die problematische Interferenz mit dem Metabolismus von Cyclosporin bzw. Tacrolimus lässt sich durch aufwändige Kontrollen und massive Dosisreduktion steuern. Interessant war zu lernen, dass die IFN-basierte Therapie in der transplantierten Leber eine eigene, prognostisch ominöse Form der Plasmazell-Hepatitis induzieren kann. Die additive Potenz der PI der 1. Generation erlaubt die Dosisreduktion von RBV zur Anämie-Behandlung in der Kombination mit Bozeprevir und die Aufteilung der Telaprevir-Tagesdosis auf 2 statt auf 3 Einzeldosen („OPTIMIZE“).
Daten zur nächsten Generation der Hepatitis- C-Therapeutika: Das Rennen um die Markteinführung der nächsten Generation der Hepatitis-C-Therapeutika, die wahrscheinlich bereits die ersten Interferon-freien Optionen enthalten wird, könnte nicht spannender sein. Vor mehr als einem Jahr haben uns die ersten kleinen Studien mit IFN-freien oralen Therapien mit einer unglaublichen „100%igen Heilung“ über alle Genotypen bei Fehlen von Nebenwirkungen sprachlos und gleichzeitig skeptisch gemacht. Die pharmazeutische Industrie ist, um dieses Ziel zu erreichen, bereit, für einen möglichen Gewinner ad hoc mehrere Milliarden Dollar zu investieren – so geschehen mit Sofosbuvir im vergangenen Jahr. Die in diesem Jahr gezeigten Ergebnisse haben dann die geweckten Hoffnungen bestätigt und erweitert. Gesichert scheint nun, dass eine Kombination aus einem NS5B-Polymeraseinhibitor (z. B. Sofosbuvir) in Kombination mit einem Hemmer des NS5A-Replikations-Komplexes (z. B. Daclatasvir) oder auch mit Ribavirin in bis zu 100 % Heilung erzielen kann. Durch die Zugabe eines PI der zweiten Generation (z. B. Asunaprevir) lässt sich die Therapie mit einer Kombination aus einem Hemmer der Polymerase- und des Replikationskomplexes mit unveränderter Effizienz sogar auf 12 Wochen halbieren. Dies ist allerdings bisher nur für nicht-zirrhotische therapienaive Patienten gezeigt. Weitere klingende Studien mit ausgezeichneten Ergebnissen sind: AVIATOR: vergleichbare IFN-freie Kombinationen von Ritonavir-Booster bei therapienaiven Patienten mit Substanzen von Abbott, verstärkt mit RBV; MATTERHORN: nomen est omen – eine Studie mit Null-Respondern erzielt mit Danoprevir (PI)/Ritonavir, Mericitabine (PI) und PEG-RBV eine 100%-ige Heilung bei Genotyp 1b und 73%ige bei Genotyp 1a. Die Kombination von Asunaprevir/Daclatasvir – allerdings mit PEG-RBV – vermag nach 24 Wochen 90–95 % der härtesten Gruppe der Null-Responder zu heilen. Die Kombination von PEG-RBV mit Simeprevir, einem problemlos 1-mal täglich zu verabreichenden PI, fällt da mit Heilungsraten von 79 % bei therapienaiven und 56 % bei vorbehandelten Patienten schon etwas ab.
Für Zirrhotiker zeigt der allerdings kleine SPARE-Trial Licht am Ende des Tunnels: die alleinige Kombination von Sofosbuvir mit RBV vermag den Großteil der Patienten zu heilen. Hier werden wohl noch größere Studien abzuwarten sein.
Die Kombination aus dem neuen PI Faldaprevir, einem NS5B-Polymerase-Inhibitor (BI 207127) und RBV kann nach 4-monatiger Therapie bei Patienten mit Genotyp-1-Infektion inklusive Zirrhotikern in bis zu 70 % der Behandelten zur Heilung führen (SOUND-C2). Auch in dieser Studie bestätigt sich, dass nur wenige Substanzen die hohe Resistenzbereitschaft des Sub-Genotyps 1a zu kompensieren vermögen. Hauptnebenwirkung dieser neuen Substanzen, die gegen alle Genotypen wirksam sind und ihre Wirkung unabhängig vom IL-28-Genotyp entfalten, ist vor allem ein z. T. schweres Fatigue-Syndrom. Erfreulicherweise verstärken diese Substanzen nicht die typischen PEG-RBV-Nebenwirkungen.
Konventionelle Dualtherapie: Fast schon ein bisschen im Abseits des generellen Interesses kommen noch wichtige Informationen zur konventionellen Dualtherapie. In der N-CORE-Studie wurde die Frage, ob Genotyp-2/3-Patienten, die keine RVR erreichen, durch eine von 24 auf 48 Wochen verlängerte Therapie profitieren, mit einem schwach statistisch abgesicherten Ja beantwortet.
Nicht weniger interessant, aber deutlich unspektakulärer sind die zahlreichen neuen Informationen zur alkoholischen und vor allem nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung, der portalen Hypertension, zur Pathophysiologie und Klinik der Cholestase-Syndrome, der hepatischen Enzephalopathie etc. Der Fortschritt in der Therapie des hepatozellulären Karzinoms kommt mit kleinen Schritten, auch wenn die neuen molekularbiologischen Grundlagenerkenntnisse atemberaubend sind. Tivantinib, ein neuer Tyrosinkinase-Inhibitor als Second-Line-Therapie, kann bei Met-exprimierenden hepatozellulären Karzinomen eine signifikante Lebensverlängerung bieten. Tenofovir und Entecavir haben ihre ausgezeichnete weitgehend problemlose Wirkung gegen Hepatitis B auch in Langzeitstudien bestätigt. Die Kombination mit PEG-Interferon kann immer noch nicht eindeutig als vorteilhaft bestätigt werden.
AUSBLICK: Vor dem Hintergrund der enormen Fülle an neuen Informationen, neuen und alten Kontakten bleibt doch die klare klinische Botschaft des Liver Meetings: „The near future for hepatitis C therapy looks bright“ – und die Vorfreude auf das Liver Meeting 2013 in Washington.