Adipositas ist mit einer Reihe von Folgekrankheiten assoziiert, welche letztendlich die gesteigerte Morbidität und Mortalität der betroffenen Population bedingen. Eine aktuelle Metaanalyse legt nahe, dass ein BMI von 30 bis 35 kg/m2 mit einem Verlust von 2–4 Jahren an Lebenserwartung einhergeht. Bei einem BMI von 40–45 kg/m2 steigt dieser Wert auf 8–10 Jahre. Ein Gutteil dieses deutlich erhöhten Risikos lässt sich auf 2 zentrale Faktoren zurückführen, die bei vielen adipösen Patienten manifest sind: das niedrige Ausmaß an körperlicher Leistungsfähigkeit, die Untrainiertheit einerseits und das Vorliegen eines abdominellen Fettverteilungsmusters andererseits.
Das Fettgewebe, dabei insbesondere das abdominelle Fett, muss als endokrines Organ gesehen werden, das eine Vielzahl so genannter Adipozytokine (z. B. Leptin, MCP-1, Adiponektin, TNF-alpha, IL-6, SAA, VEGF, Angiotensinogen) produziert, welche parakrin wirken, aber auch über einen „Overspill“ systemisch wirken können. Dabei ist die Expression sekretorischer Adipozytokine im abdominellen Fettgewebe um den Faktor 5–100 höher als im subkutanen Fettgewebe. Das Muster der sekretorischen Aktivität im Fettgewebe schlanker Menschen bzw. bei Vorliegen einer eher gynoiden, nicht-abdominellen Adipositas ist dabei geprägt von höheren Adiponektin-Spiegeln und niedrigen Leptin-Spiegeln. Insgesamt muss dieses Sekretionsmuster als neutral oder „antiinflammatorisch“ bezeichnet werden. Bei abdomineller Adipositas hingegen verändert sich dieses Muster in Richtung einer proinflammatorischen Aktivität. Diese wiederum trägt zur Manifestation der Folgekrankheiten der Adipositas bei.
Als primärer, initialer pathophysiologischer Schritt muss natürlich die Gewichtszunahme mit der daraus folgenden vermehrten Bildung reifer, fettgefüllter Adipozyten gesehen werden. In weiterer Folge kann dann durch lokale Gewebshypoxie (auf Basis eines hyperplastischen Gewebes mit zu geringer Kapillardichte) oder auch freie Fettsäuren (FFA) so genannter ER-Stress (Endoplasmatic Reticulum Stress) entstehen. Dieser setzt eine Signaltransduktionskaskade in Gang, welche ihrerseits proapoptotische, proinflammatorische Prozesse im Fettgewebe triggert. In Fettzellen wird dabei über Aktivierung des NF-kappaB-Pathways und des PPAR-gamma-Pathways das Adipozytokinmuster verändert: Adiponektin wird reduziert, Leptin vermehrt sezerniert. Es kommt zur Apoptose von Fettzellen und dadurch zur proinflammatorischen Aktivierung von Makrophagen. Ebenfalls wird die Lipolyse gesteigert (erhöhte lokale Konzentrationen von FFA) und die Sekretion von MCP-1 (Monocyte Chemoattractant Protein-1) steigt. Diese beiden Mediatoren wiederum spielen eine zentrale Rolle in der Interaktion zwischen Fettzellen und lokalen Gewebsmakrophagen.
Makrophagen im Fettgewebe spielen eine wichtige Rolle in der Initiierung und Propagierung der Inflammation bei Adipositas. Einerseits können die bereits vorhandenen Makrophagen zum Beispiel durch freie Fettsäuren über den Toll-like-Rezeptor 4 aktiviert werden. Andererseits steigt die Zahl der Gewebsmakrophagen, da durch die MCP-1-Freisetzung aus Fettzellen vermehrt Monozyten aus dem Blut ins Gewebe geleitet werden und sich dort zu Makrophagen differenzieren. Derzeit existiert gute experimentelle Evidenz dazu, dass ein Gutteil der aus dem Fettgewebe freigesetzten Adipozytokine von Makrophagen und nicht von Fettzellen sezerniert wird. Ebenfalls überzeugend konnte gezeigt werden, dass die Inhibierung von MCP-1 in Adipositas-Tiermodellen Folgekrankheiten reduzieren oder verhindern kann. Die makrozytäre Infiltration des abdominellen Fettgewebes, ein eigentlich immunologisch/inflammatorischer Prozess, ist damit offenbar zentral für die systemischen Effekte der Adipositas und ihre Folgekrankheiten.
Unter den systemischen Effekten des „proinflammatorischen“ Milieus, welches durch die abdominelle Adipositas geschaffen wird, sind zwei sicherlich von übergeordneter Bedeutung. Das sind a) die Insulinresistenz und b) die unabhängige Propagierung der Atherosklerose auf vaskulärer Ebene.
Insulinresistenz: Die Inflammationsprozesse im Fettgewebe führen einerseits zu einer lokalen Insulinresistenz. Auf dieser Basis werden vermehrt freie Fettsäuren sezerniert, die ihrerseits wieder lokal den Inflammationsprozess unterhalten und systemisch die Insulinwirkung reduzieren. Andererseits haben proinflammatorische Prozesse in Skelettmuskel und Leber, auf Basis sezernierter Adipozytokine, eine Reduktion der Insulinwirkung in diesen Geweben zur Folge. Das Resultat sind einerseits die typische Dyslipidämie der Insulinresistenz (hohe Triglyzeride, niedriges HDL) und bei Vorhandensein einer Betazelldysfunktion ein konsekutiver Typ-2-Diabetes. Andererseits können die erhöhten Insulinkonzentrationen, gemeinsam mit einem durch freie Fettsäuren oder Glukose mediierten oxidativen Stress, Karzinogenese und Tumorwachstum beeinflussen.
Die Atherogenese wird bei abdomineller Adipositas durch direkte Effekte von Adipozytokinen auf Zellen der Gefäßwand beeinflusst. Dabei muss auch auf die direkten positiven Effekte von Adiponektin hingewiesen werden, die natürlich bei abdomineller Adipositas auf Basis reduzierter Adiponektin-Spiegel nicht mehr zum Tragen kommen. Weiters können auch freie Fettsäuren direkt am Gefäß proatherogen wirken. Indirekt hat natürlich die Insulinresistenz ebenfalls einen Effekt.
Abdominelles Fett entscheidend: Angemerkt werden muss, dass Adipositas eigentlich nicht über den BMI alleine definiert werden sollte. Klinische Studien zeigen, dass es (gematcht für BMI, Alter, Geschlecht) insulinsensitive Adipöse gibt, die bei nur gering niedrigerem Bauchumfang wesentlich weniger abdominelles Fett und weniger Makrophageninfiltration zeigen. Diese Patienten zeigen wesentlich weniger Folgepathologien der Adipositas.
Interventionen zur Reduktion der Entzündungsaktivität und damit der Folgekrankheiten der Adipositas sollten natürlich einen präferenziellen Effekt auf das abdominelle Fettgewebe haben. Diese Forderung wird durch experimentelle Studien untermauert, die zeigen konnten, dass eine Resektion des omentalen Fettes bei Mäusen zu einer Verbesserung der Insulinresistenz und des Glukosestoffwechsels führt.
Gewichtsreduktion stellt damit eine wichtige Strategie dar, die allerdings leider von vielen Betroffenen nicht erreicht wird. Dabei zeigt eine große Metaanalyse, dass bei nur geringem bis mäßigem Gewichtsverlust vor allem abdominelles Fett abgebaut wird. Eine Tatsache, die gut zu der klinischen Beobachtung eines starken Effekts bereits geringer Gewichtsveränderungen auf Parameter der Glykämie bei Typ-2-Diabetikern passt.
Ausdauertraining verbessert die Insulinresistenz und Parameter der systemischen Inflammation bei Adipösen oder Typ-2-Diabetikern.
Pharmakologisch zeigen antidiabetische Behandlungsstrategien mit Metformin und Pioglitazon, die auf eine Verbesserung der Insulinresistenz abzielen, ebenfalls antientzündliche Effekte.
Neben der Gewichtsreduktion werden daher wohl in Zukunft speziell antiinflammatorische Strategien für Patienten mit abdomineller Adipositas eine Rolle spielen.
RESÜMEE: Die gesundheitlichen Auswirkungen der Adipositas, abseits mechanischer Komplikationen, sind zu einem überwiegenden Teil auf das mit ihr assoziierte proinflammatorische Milieu zurückzuführen. Damit stellt die „Entzündungsaktivität“ bei adipösen Patienten ein vom Körpergewicht als unabhängig zu betrachtendes Therapieziel dar.