Die Pulmonalarterienembolie gehört nach wie vor zu den führenden maternalen Todesursachen in den westlichen Industrieländern.1 Das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) in der Schwangerschaft gilt um das 5-Fache erhöht, der Peak wird jedoch erst in der postpartalen Periode erreicht.2 Die Inzidenz der PAE in der Schwangerschaft wird mit 1–2 Fällen auf 1.000 Geburten angegeben.3 Als Risikofaktoren für die Entwicklung einer VTE in diesem Patientinnengut gelten ein bereits stattgehabtes Ereignis im Rahmen einer vorausgegangenen Schwangerschaft, Hyperemesis, Dehydrierung, Adipositas, Immobilität sowie Thrombophilien. Die postpartale VTE wird gehäuft nach Entbindungen mittels Sectio beobachtet.4
Die Abklärung des Verdachts auf eine PAE in der Schwangerschaft stellt eine Herausforderung dar. Symptome wie Tachykardie, Beinschwellung und Dyspnoe können einerseits als Hinweis für eine VTE angesehen werden, andererseits können selbige Beschwerden auch durch pyhsiologische, Schwangerschafts-assoziierte Veränderungen bedingt sein. Zudem ist eine Schwangerschaft meist auch per se mit einem kontinuierlichen Anstieg der D-Dimer-Spiegel verbunden.5 Der Verdacht einer PAE bei schwangeren Patientinnen kann mittels etablierter diagnostischer Algorithmen anhand von Klinik und D-Dimer mitunter aus den genannten Gründen in der überwiegenden Anzahl der Fälle nicht ausgeschlossen werden, sodass eine weiterführende bildgebende Diagnostik des Thorax erforderlich wird.6 Bedenken bestehen hierbei insbesondere durch mögliche Schäden für Fötus und Mutter, bedingt durch die Strahlenbelastung. Insgesamt sind die Empfehlungen zur Abklärung des Verdachts auf PAE in der Schwangerschaft im internationalen Vergleich als inkongruent anzusehen. 2019 wurden zu dieser Thematik einerseits der schwangerschaftsassoziierte YEARS-Algorithmus7 und andererseits eine ESC-Leitlinie8 veröffentlicht. Neuigkeiten daraus sollen nun in diesem Artikel beleuchtet werden.
ARTEMIS ist eine prospektive, internationale, multizentrische Studie. Eingeschlossen wurden schwangere Frauen mit Verdacht auf PAE, die aufgrund neu aufgetretener oder aggravierter thorakaler Beschwerden oder Dyspnoe an einer Notaufnahme oder an einer gynäkologischen bzw. geburtshilflichen Ambulanz vorstellig wurden. Bei suspizierter PAE sind gemäß des schwangerschaftsadaptierten YEARS-Algorithmus zunächst die D-Dimer-Bestimmung und die Erhebung von 3 YEARS-Kriterien (1. Klinische Zeichen der tiefen Venenthrombose, 2. Hämoptysen, 3. PAE als wahrscheinlichste Diagnose) durchzuführen. Bei klinischem Verdacht auf eine tiefe Venenthrombose (TVT) wird im nächsten Schritt eine Kompressionssonografie der tiefen Beinvenen durchgeführt. Bei Nachweis einer TVT ist keine weitere Diagnostik hinsichtlich der PAE indiziert, es erfolgt die Einleitung einer therapeutischen Antikoagulation. Bei allen übrigen Patientinnen wird in Abhängigkeit von der Anzahl der vorhandenen YEARS-Kriterien ein D-Dimer-Cut-off von 500 ng/ml oder 1.000 ng/ml zum Ausschluss einer PAE festgelegt. Bei Vorhandensein von maximal 1 der genannten 3 Kriterien wird ein D-Dimer-Wert bis zu 1.000 ng/ml toleriert, um eine PAE ausschließen zu können. Liegen hingegen 2 oder 3 Kriterien vor, so darf der D-Dimer-Spiegel 500 ng/ml nicht übersteigen. All jene Patientinnen, bei denen eine PAE nach Erhebung von Klinik und D-Dimer-Spiegel noch nicht sicher ausgeschlossen werden kann, werden einer CT-Angiografie der Pulmonalarterien zugeführt. Als primärer Outcome der Studie wurde die Inzidenz einer VTE nach initialem Ausschluss gemäß des YEARS-Algorithmus in einem Beobachtungszeitraum von 3 Monaten definiert. Anhand des erläuterten Algorithmus konnte eine zuvor suspizierte PAE in allen Trimestern sicher ausgeschlossen werden. Bei 20 Patientinnen wurde bei Studieneinschluss eine PAE diagnostiziert. Während des 3-monatigen Follow-ups kam es zu keinem PAE-Ereignis; bei 1 Patientin wurde eine TVT festgestellt. Durch Anwendung des Algorithmus konnte in 195 Fällen (39 %) auf die Durchführung einer CT-Angiografie verzichtet werden.7 Der YEARS-Algorithmus wurde zuvor bereits auch in einem allgemeinen Patientengut untersucht und 2017 publiziert.9 Der Unterschied ergibt sich dadurch, dass in der schwangerschaftsadaptierten Version bei klinischem Hinweis auf TVT zusätzlich eine Kompressionssonografie durchgeführt wird.
Diagnostik und Therapie der akuten PAE: Die rezent publizierte Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) über Diagnostik und Management der akuten PAE erläutert in einem eigenen Abschnitt Empfehlungen zum Vorgehen bei Schwangerschaft. Zunächst sollen eine Erhebung der klinischen Vortestwahrscheinlichkeit anhand eines etablierten Scores (z. B. Wells-Score oder Geneva-Score) und gegebenenfalls eine D-Dimer-Bestimmung erfolgen. Bei niedriger/intermediärer Vortestwahrscheinlichkeit und normbereichigem D-Dimer kann eine PAE ausgeschlossen werden. Bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit oder bei niedriger/intermediärer Vortestwahrscheinlichkeit in Kombination mit einem erhöhten D-Dimer-Spiegel über dem Referenzbereich (> 500 ng/ml) ist die unverzügliche therapeutische Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin (NMH) zu initiieren. Die weiterführende Abklärung erfolgt zunächst mittels eines Röntgens des Thorax sowie eines Duplex-Kompressionsultraschalls der Beinvenen. Bei Auffälligkeiten im Befund des Thoraxröntgens wird empfohlen, eine alternative Ursache für die geschilderten Beschwerden zu erwägen. Bei Nachweis einer TVT kann auch die PAE als bestätigt angesehen werden, eine weiterführende Diagnostik ist an dieser Stelle nicht erforderlich; die therapeutische Antikoagulation mit NMH soll fortgesetzt werden. Bei fehlendem Hinweis auf eine TVT besteht die Indikation zur weiterführenden bildgebenden Abklärung des PAE-Verdachts mittels Ventilations-Perfusions-Szintigrafie oder mittels CT-Angiografie der Pulmonalarterien, wobei die CT-Angiografie die Erstlinie insbesondere bei zuvor pathologischem Thoraxröntgen darstellt. Explizit wird auch auf die Strahlenbelastung in Zusammenhang mit einer Szintigrafie oder einer CT-Angiografie eingegangen. Aufgrund moderner Technologien ist es heutzutage möglich, die Strahlendosis bei erhaltener hoher Bildqualität signifikant zu reduzieren, sodass die Strahlenexposition deutlich unter dem Grenzwert für das Auftreten fötaler Komplikationen angegeben wird und auch für die Brust der Mutter eine vernachlässigbare Erhöhung des Krebsrisikos besteht. Der von der ESC empfohlene diagnostische Algorithmus ist in der Abbildung detailliert dargestellt. Auch der YEARS-Algorithmus wird in der ESC-Leitlinie beschrieben, findet letztlich jedoch nicht Eingang in die empfohlene diagnostische Kaskade.8
Critical Appraisal: Kritisch betrachtet werden kann zunächst die Indikation zur Erhebung der Vortestwahrscheinlichkeit sowie auch deren Aussagekraft. Wie bereits eingangs erwähnt, sind Symptome, wie sie durch eine PAE bedingt sein können, oft nur schwer von schwangerschaftsassoziierten Beschwerden abzugrenzen. Bei schwangeren Patientinnen würde sich zumeist anhand der etablierten Scores, welche in einem allgemeinen Patientengut untersucht wurden, eine hohe Vortestwahrscheinlichkeit ergeben, wodurch bei Ausschluss einer TVT gemäß des ESC-Algorithmus die Indikation zur weiterführenden Bildgebung gestellt werden müsste. Daher wäre die Ergänzung der ESC-Empfehlungen um eine generelle D-Dimer-Bestimmung durchaus sinnvoll – mit dem Ziel der Einsparung von CT-Untersuchungen, wie auch die ARTEMIS-Studie zeigen konnte. Hinterfragt werden kann auch der Stellenwert des Thoraxröntgens, welches der CT-Angiografie der Pulmonalarterien gemäß der ESC-Leitlinie vorgeschaltet werden soll. Die zusätzliche Strahlenexposition ist hinsichtlich der Wertigkeit der Untersuchung kritisch zu beurteilen. Hinzuweisen ist an dieser Stelle auch auf die große Wertigkeit des PAE-Ausschlusses, die gleichzusetzen ist mit jener eines PAE-Nachweises. Die Folge eines nicht ausgeschlossenen PAE-Verdachts wäre eine Antikoagulationstherapie für die gesamte Dauer der Schwangerschaft bis inklusive 6 Wochen postpartal. Zu bedenken sind hier das damit einhergehende Blutungsrisiko und insbesondere auch mögliche Blutungskomplikationen während der Geburt. Zudem würde auch bei jeder weiteren Schwangerschaft die Indikation zur therapeutischen Antikoagulation bestehen. Die Durchführung der CT-Angiografie der Pulmonalarterien kann somit unter Berücksichtigung sämtlicher Faktoren auch in der Schwangerschaft gerechtfertigt werden, sofern die Indikation hierzu sorgfältig gestellt wird.
Das Risiko für eine VTE gilt in der Schwangerschaft sowie auch postpartal als signifikant erhöht. Durch die schwangerschaftsassoziierte PAE besteht eine hohe maternale Sterblichkeitsrate, sodass ein suspizierter Verdacht in jedem Falle einer umfassenden Abklärung bedarf. Die Diagnostik der PAE in der Schwangerschaft ist als erschwert anzusehen. Sowohl der YEARS-Algorithmus als auch die ESC-Leitlinie bieten durchaus gut verwertbare diagnostische Empfehlungen, wenn auch diese einige Limitationen aufzuweisen scheinen.