Der akute Schlaganfall stellt nach der koronaren Herzerkrankung die zweithäufigste Todesursache weltweit dar und ist in Industrieländern wie Österreich die dritthäufigste Todesursache. Darüber hinaus ist er aber auch die zweithäufigste Ursache für eine bleibende Behinderung. Von den in Österreich errechneten 16.000-20.000 Schlaganfallpatienten jährlich sind 80 bis 85 % ischämische Ereignisse.
Die Ursachen sind arteriosklerotische Thrombosen und Embolien der Hirngefäße bzw. der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße, intrakranielle Veränderungen der kleinen Gefäße (Small Vessel Disease) und kardiogene Embolien, vor allem bei Vorhofflimmern.
Intravenöse Thrombolyse: Die einzige etablierte kausale Therapie des akuten ischämischen Schlaganfalls ist die intravenöse Thrombolyse (IVT) mit Alteplase (einem rekombinant hergestellten Gewebs-Plasminogen-Aktivator/rt-PA) innerhalb der ersten 3 Stunden nach Symptombeginn (wobei neuere Daten einen Nutzen bis zu 4,5 Stunden belegen).
Der Nutzen zeigte sich in einer signifikant geringeren Funktionseinschränkung nach 3 Monaten.
Die gefürchtetste Komplikation dieser Therapie ist die intrakranielle Blutung, welche in 6-7% der Fälle auftritt. Trotz dieses im Vergleich etwa zum Herzinfarkt limitierten Zeitfensters kommen in Österreich durch die flächendeckende Versorgung mit Stroke Units im Durchschnitt mehr als 15% in den Genuss dieser Therapie.
Die Wiedereröffnungsraten eines verschlossenen Gefäßes durch die IVT zeigen eine Abhängigkeit von der Gefäßgröße, das heißt je proximaler sich der Gefäßverschluss im Gefäßbaum befindet, umso weniger wahrscheinlich ist die Rekanalisation, die nach einer Stunde im Durchschnitt bei 30% liegt. Allerdings wurde dies für die IVT vor allem in Hinblick auf den Zeitpunkt der Wiedereröffnung (und damit einer Reperfusion von minderversorgtem Hirngewebe) und damit assoziierte klinische Ergebnisse nicht ausreichend untersucht. Je größer das primäre klinische Defizit, umso proximaler scheint der Gefäßverschluss zu liegen. Patienten mit schwerem klinischen Defizit, höherem Alter, vorbestehender Funktionseinschränkung und Diabetes profitieren in geringerem Ausmaß von der IVT. Daher ergibt sich für den schweren Schlaganfall z.B. mit einem Gefäßverschluss im Bereich der intrakraniellen Aufgabelung der A. carotis interna in die A. cerebri media und die A. cerebri anterior (sog. Karotis-T) oder des proximalen Anteils der A. cerebri media die Notwendigkeit für die Suche nach effektiveren Therapien.
Mechanische Thrombektomie: Bereits 1999 konnte eine Studie einen signifikanten Vorteil einer intraarteriellen Therapie mit Urokinase bei Verschlüssen der A. cerebri media gegenüber Placebo bezüglich des klinischen Outcomes nach 3 Monaten zeigen, welcher sich in einer Metanalyse mit neueren Daten bestätigte. In den letzten Jahren gab es eine rasante Entwicklung von endovaskulären Hilfsmitteln für die mechanische Thrombektomie von zerebralen Gefäßen, wobei eine Rekanalisation in 48 bis über 82% erreicht wurde. Diese Fallserien berichteten von sehr schweren klinischen Fällen mit proximalen Gefäßverschlüssen bis zu 8 Stunden nach Symptombeginn, bei denen eine Kontraindikation für eine IVT oder eine fehlende Wirksamkeit der IVT bestand. Dementsprechend hoch waren auch die Mortalitätsraten (31-44%) und Komplikationen wie symptomatische (also klinisch relevante) intrakranielle Blutungen (7,8 bis 11,2%), sodass die Effektivität dieser Therapie fraglich blieb. Neuere Hilfsmittel für die mechanische Thrombektomie zeigen eine vollständige Rekanalisation von 84-90% bei wesentlich geringerer Mortalität. Bei diesen so genannten “Stent-Retrievern” wird im Thrombus ein selbstexpandierender Stent frei-, aber nicht abgesetzt, der dadurch den Thrombus an die Gefäßwand drückt und zu einer unmittelbaren Reperfusion führt. Anschließend wird versucht, unter kurzzeitiger proximaler Ballonokklusion des zuführenden Gefäßes und unter Anwendung eines zusätzlichen händisch oder durch eine Sogpumpe erzeugten Unterdrucks den Stent mit dem Thrombus zu bergen.
Kombinationstherapien: Ein weiteres Konzept der Kombination von IVT und intraarterieller Gabe von rt-PA und/oder die Anwendung von endovaskulären mechanischen Hilfsmitteln innerhalb von 3 Stunden nach Symptombeginn (sog. Bridging) konnte nachweisen, dass die Blutungs- und Mortalitätsraten mit den randomisierten IVT-Studien vergleichbar sind. Allerdings gibt es derzeit keine randomisierten Studien, die die IVT direkt mit der kombinierten IVT/endovaskulären Therapie innerhalb von 3 oder 6 Stunden bei Patienten mit proximalen Verschlüssen verglichen haben, diese sind aber unterwegs (http://clinicaltrials.gov/show/NCT 00540527).
Fazit: In der Praxis wird die endovaskuläre Therapie des ischämischen Schlaganfalls bei großen Gefäßverschlüssen, insbesondere unter Anwendung des Bridging-Konzepts und, erleichtert durch bessere Infrastrukturmaßnahmen wie z.B. der Verfügbarkeit von Interventionalisten, von immer mehr Zentren eingesetzt und in den Richtlinien der Europäischen Schlaganfall-Gesellschaft (ESO) auch empfohlen (Evidenz/Empfehlungsstärke II B). Der wesentliche Vorteil der IVT ist (nach Ausschluss von Kontraindikationen vor allem durch die Bildgebung) die rasche Anwendbarkeit mit angestrebten “Door to Needle”-Zeiten von unter 60 Minuten. Der Vorteil der endovaskulären Therapie liegt in der möglicherweise besseren Wirksamkeit bei diesen schweren Schlaganfällen bei derzeit noch längeren “Door to Reperfusion”-Zeiten, das heißt bis der Katheter im Bereich des Thrombus platziert bzw. eine Rekanalisation des Gefäßes und ausreichende Reperfusion des distalen Gefäßbettes und damit des Gehirngewebes durch mechanische Hilfsmittel oder intraarterielle Verabreichung von rt-PA erreicht ist. Erste Daten bei Patienten mit erfolgreicher endovaskulärer Rekanalisation zeigen eine lineare Abnahme des klinischen Erfolges mit einem Nutzen innerhalb von 6 Stunden im Vergleich zu einer nicht erfolgreichen Intervention.
Fact-Box
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