Ankylosierende Spondylitis – Update 2012

Neue Diagnosekriterien, neues pathophysiologisches Verständnis und neue therapeutische Alternativen

Mit der Einführung der neuen ASAS-Kriterien soll unter anderem die bisher durchschnittlich um 5–10 Jahre verzögerte Diagnosestellung der ankylosierenden Spondylitis verbessert und damit eine rechtzeitig einsetzende effiziente Therapie zur Verhinderung von Spätschäden und Invalidisierung ermöglicht werden. Zum Screening chronischer Rückenschmerzpatienten in der Primärversorgung, von denen etwa 5 % unter einer axialen Spondyloarthritis leiden, konnten einfache Überweisungsstrategien mit einer Früherkennungsrate von fast 50 % identifiziert werden (Tab. 1). Die definitive Diagnosestellung sollte mithilfe der ASAS-Kriterien durch einen erfahrenen Rheumatologen erfolgen (Tab. 2, 3).

Zur Verbesserung der Beurteilung der aktuellen Krankheitsaktivität wurden von der ASAS neue Scores entwickelt und validiert, die neben subjektiven Bewertungskriterien auch objektiv messbare Entzündungsparameter beinhalten, nämlich ASDAS-CRP bzw. ASDAS-ESR.1

Fortschritte und Rückschläge

in der medikamentösen Therapie

Im therapeutischen Management von Patienten mit axialer Spondyloarthritis konnten in den letzten Jahren einerseits große Fortschritte vor allem im Hinblick auf Schmerzreduktion, Funktionsverbesserung, Verbesserung der Lebensqualität und Erhalt der Arbeitsfähigkeit durch den Einsatz von TNF-alpha-Blockern erzielt werden. Andererseits zeigte sich in den klinischen Studien zur Wirksamkeit anderer Biologika zunehmend die pathophysiologische Sonderstellung der axialen Spondyloarthritis: Fehlende Evidenz für autoimmune T-Zell-Aktivität, fehlende spezifische Autoantikörper und die deutliche Assoziation mit HLA B27, einem MHC-Klasse-I-Molekül, das neben der Antigenpräsentation vor allem auch eine wichtige Rolle bei der Aktivierung des unspezifischen Immunsystems spielt, sprechen eher für das Vorliegen einer autoinflammatorischen Erkrankung. Dies würde unter anderem die Prädilektion der entzündlichen Herde in Geweben mit vermehrtem bakteriellen und mechanischen Stress und die unzureichende Wirksamkeit der B-Zell-Hemmung durch Rituximab sowie das gänzlich fehlende Ansprechen auf die T-Zell-Hemmung durch Abatacept im Rahmen klinischer Studien erklären. Auch die therapeutische Hemmung von IL-6 durch Tocilizumab und IL-1 durch Anakinra zeigte keinen signifikanten Effekt. Somit bietet bei Versagen einer Therapie mit mindestens 2 NSAR in voller Dosierung über insgesamt 4 Wochen der Einsatz der vier für diese Indikation zugelassenen TNF-alpha-Blocker (Infliximab, Etanercept, Adalimumab und Golimumab) derzeit nach wie vor die einzige in großen randomisierten kontrollierten Studien nachweisbar wirksame therapeutische Alternative.

Aktuelle Empfehlungen zum therapeutischen Management

Die 2005 erstmals publizierten ASAS/EULAR-Empfehlungen2 zum Management der ankylosierenden Spondylitis wurden 2010 um die Punkte „extraartikuläre Manifestationen“ und „Komorbiditäten“ ergänzt, wobei insbesondere auf das erhöhte kardiovaskuläre Risiko bei unkontrollierter Entzündungsaktivität sowie auf die erhöhte Osteoporose-Inzidenz mit Risiko für spinale Frakturen hingewiesen wird. In den Therapieempfehlungen der ASAS zur TNF-Therapie3 wird die Erweiterung der Therapieindikation für eine Anti-TNF-Therapie auf Patienten mit früher axialer Spondyloarthritis aufgrund der vorliegenden Daten der letzten Jahre als wissenschaftlich gerechtfertigt erachtet. Eine überaus wichtige Rolle in der Behandlung von Patienten mit axialer Spondyloarthritis spielen nach wie vor Bewegungstherapie und physikalische Therapie, in Studien konnte deren zusätzlicher Nutzen zur Verbesserung der Beweglichkeit insbesondere auch bei Patienten unter einer Anti-TNF-Therapie belegt werden.

Alternative Therapieoptionen zur Entzündungshemmung

Für 20–40 % der NSAR-refraktären Patienten, die trotz teilweise erfolgreichen Wechsels der verschiedenen Präparate nicht ausreichend auf eine Anti-TNF-alpha-Therapie ansprechen oder bei denen aufgrund verschiedener Vorerkrankungen eine Therapie mit einem TNF-alpha-Blocker kontraindiziert ist, sind alternative Therapiemöglichkeiten nach wie vor dringend notwendig. Vielversprechend scheinen in dieser Hinsicht der IL-17-Antikörper Secukinumab sowie der peroral zu verabreichende PDE-4-Inhibitor Apremilast, die gegenwärtig im Rahmen von Phase-III-Studien bei axialer Spondyloarthritis getestet werden.

Außerdem zeigte Thalidomid, ein rheumatologisches Nischentherapeutikum mit TNF-hemmender Wirkung, in einer großen, offenen chinesischen Studie mit über 200 Patienten ein ähnlich gutes Wirkspektrum wie die TNF-Antikörper bei akzeptablem Nebenwirkungsprofil. Die ausführlichen Daten dazu wurden aber bisher noch nicht international publiziert.

Herausforderung: Verhindern der radiologischen Progression

Das wesentliche Ziel einer früh einsetzenden Therapie der axialen Spondyloarthritis ist die Verhinderung der radiologischen Progression. In einer deutschen Inzeptionskohorte (GESPIC) mit 210 eingeschlossenen Patienten, deren Progressionsrate im Röntgen über eine Dauer von 2 Jahren verfolgt wurde, zeigte sich bei immerhin 10 % der Patienten mit einer frühen axialen Spondyloarthritis bereits innerhalb dieser 2 Jahre ein Übergang in eine ankylosierende Spondylitis, wobei ein erhöhtes CRP hierfür prädiktiv war. Bei Patienten mit bereits vorhandenen Syndesmophyten waren sowohl deren Vorhandensein als auch ein erhöhter CRP-Wert sowie ein bestehender Nikotinabusus prädiktiv für eine radiologische Progression. Interessanterweise hatten laut einer aktuellen Studie aus England Raucher auch einen früheren Beginn der Erkrankung, höhere Aktivitätsindizes (BASDAI), einen schlechteren Funktionsstatus (BASFI) und häufigere Entzündungen an den Sakroiliakalgelenken und der Wirbelsäule.

Pathophysiologisch wird derzeit intensiv am Zusammenhang zwischen Entzündung und Knochenneubildung geforscht, da noch nicht geklärt ist, ob die Osteoproliferation als Folge der Inflammation oder über einen unabhängigen Mechanismus stromaler Aktivierung entsteht. Für die zweite Hypothese spricht die Beobachtung, dass auch eine frühzeitige antiinflammatorische Therapie mit einem TNF-alpha-Blocker im Unterschied zu anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen offenbar nicht in der Lage ist, eine radiologische Progression zu verhindern. Für die Therapie mit NSAR bestehen lediglich in einer kleineren Studie Hinweise, dass durch eine kontinuierlicher Gabe über 2 Jahre im Vergleich zu einer bedarfsorientierten Einnahme die radiologische Progression verzögert werden kann. Die therapeutische Beeinflussung des strukturellen Schadens bleibt somit eine der großen He­rausforderungen für die Zukunft.

1 ASDAS-Calculato: http://www.asas-group.org/research.php?id=01
2 Braun J. et al., 2010 Update of the ASAS/EULAR recommendations for the management of ankylosing spondylitis. Ann Rheum Dis 2011 Jun; 70 (6):896-904
3 van der Heijde D. et al.: 2010 Update of the international ASAS recommendations for the use of anti-TNF agents in patients with axial spondyloarthritis. Ann Rheum Dis 2011 Jun; 70 (6):905-8

 

Die neuen ASAS-Diagnosekriterien fassen die frühe (präradiografische) axiale Spondyloarthri
tis und die nativ-radiologisch nachweisbare ankylosierende Spondylitis unter dem Krankheitsbild der axialen Spondyloarthritis zusammen. Wichtigstes Anliegen der Frühdiagnostik ist die rechtzeitig einsetzende effiziente Therapie zur Verhinderung von Spätschäden. Alternativen zur antiinflammatorischen Therapie mittels NSAR und TNF-alpha-Blockern werden dringend benötigt, der IL-17-Antikörper Secukinumab und der PDF-4-Inhibitor Apremilast erscheinen erfolgversprechend. Die therapeutische Beeinflussung des strukturellen Schadens bleibt eine der großen Herausforderungen für die Zukunft.
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