Sicher, man kann über eine Pflichtmitgliedschaft zur Standesvertretung und ihren dadurch erzwungenen Beitragszahlungen geteilter Meinung sein. Sicher kann man auch über Verhandlungskompromisse, Beschlüsse oder Maßnahmen dieser „Kammer“ diskutieren. Und es liegt im Ursächlichen einer akademisch gebildeten Berufsgruppe, aus der jeder Einzelne es täglich gewohnt ist, weitreichende Entscheidungen zu treffen und dafür auch Verantwortung zu tragen, dass diese Menschen auch das Vorgehen ihrer Vertretung individuell und kritisch hinterfragen und betrachten.
Aber bitte nehmen wir zur Kenntnis, dass schon bald einschneidende Entscheidungen im Gesundheitswesen durch Österreichs großpolitische Verantwortliche getroffen werden. So verhandelt schon jetzt eine sechsköpfige Arbeitsgruppe über „leistbare“ medizinische Versorgungsstrukturen der Zukunft. Die Gruppe besteht aus drei Damen, der Finanzministerin Fekter, selbst Betreiberin eines Schotterwerkes, der Wiener Gesundheitsstadträtin Wehsely und der Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse Reischl aus der Arbeiterkammer. Sowie drei Herren: der Gesundheitsminister und ehemaligen Obmann der GKK Oberösterreich Stöger, auch aus Oberösterreich Landeshauptmann und Finanz- und Gesundheitslandesrat Pühringer, also ein politischer Tausendsassa, und last not least der Vizepräsident der Österreichischen Wirtschaftskammer und Vorsitzende des Hauptverbandes Schelling.
Dabei kein Arzt, keine Ärztin! Sie glauben sicher nicht, dass dort unsere ärztlichen Interessen berücksichtigt werden. Das ist ein Treffen der „Finanziers“ und Machthaber. Wenn in diesem Land irgendjemand Ihre berechtigten Sorgen und Anliegen vertritt, dann Ihre Standesvertretung, die Ärztekammer. Ich erlaube mir dieses Urteil nach mehr als zehn Jahren intensiver Auseinandersetzung mit Sozialversicherungen, Hauptverband und Politik.
Politischer Erfolg ist immer relativ. Was der eine anerkennt, sieht der andere als Enttäuschung, was einem recht erscheint, ist dem anderen zuwider. Die Ärzteschaft ist an sich eine in hohem Maße heterogene Gruppe, die, obwohl in einem kleinen Land zu Hause, mit den verschiedensten Versorgungssystemen konfrontiert wird und von der eine oft unsensible Öffentlichkeit ständig allumfassende hochqualifizierte medizinische Spitzenleistungen erwartet, die dann auch noch von manchen von mir weniger geschätzten Patientenanwälten kompromisslos eingefordert werden. Doch bleibt für mich resümierend die Ärztevertretung als eine Einrichtung, die selbst von der Großpolitik, wenn auch teilweise nur zähneknirschend, respektiert wird. Ist denen doch wohl bewusst, welchen Einfluss wir durch unsere Patientennähe auf deren Zielgruppe, die Wähler nämlich, täglich ausüben können. Bitte nutzen Sie Ihr Stimmrecht zur Ärztekammerwahl 2012, und nutzen Sie es klug.