Bei autoinflammatorischen Erkrankungen handelt es sich um eine Gruppe seltener und heterogener Krankheiten, die sich besser verstehen lassen, wenn man den Unterschied zwischen den Begriffen autoinflammatorisch und autoimmun betrachtet.
Bei Autoimmunerkrankungen, wie beispielsweise der rheumatoiden Arthritis, der Myasthenia gravis oder dem Diabetes mellitus Typ 1, handelt es sich um Krankheiten, bei denen das erworbene Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Strukturen als fremd erkennt und es dadurch zu einer Aktivierung von T- und B-Lymphozyten mit anschließender Autoantikörperproduktion und Entzündungsreaktion kommt. Autoimmunerkrankungen haben, neben einer höheren Inzidenz bei Frauen, auch eine Reihe charakteristischer HLA-Genotyp-Varianten (beispielsweise HLA-B27 bei Spondyloarthritiden). Diese Gene kodieren HLA-Proteine, die sich auf der Oberfläche von Zellen mit Zellkernen finden und bei der Antigenpräsentation eine wichtige Rolle spielen.
Bei autoinflammatorischen Erkrankungen hingegen stehen nicht Zellen des erworbenen Immunsystems im Vordergrund, sondern Zellen des angeborenen Immunsystems. Dementsprechend gibt es bei dieser Gruppe von Erkrankungen keine Autoantikörperproduktion, keine charakteristischen HLA-Varianten, die einen Einfluss auf die Antigenpräsentation haben könnten, und auch keine höhere Inzidenz bei Frauen. Autoinflammatorische Erkrankungen gehen auf DNA-Mutationen angeborener Immunzellen (z. B. neutrophile Granulozyten, Makrophagen etc.) zurück, die zu Störungen von Zellrezeptoren sowie des Inflammasoms führen können. Das Inflammasom ist ein Proteinkomplex, der sich im Zytosol von angeborenen Immunzellen findet und dessen Aufgabe es letztendlich ist, nach dem Kontakt mit einem Pathogen (z. B. Bakterium), IL-1β und IL-18 in aktive Formen umzuwandeln (Abb.). Eine Mutation, die das Inflammasom betrifft, kann dementsprechend mit einer vermehrten Ausschüttung dieser proinflammatorischen Zytokine einhergehen, was sich klinisch unter anderem als rekurrierende Fieberschübe (vor allem aufgrund von IL-1β) äußert.
Traditionell zählen zu den autoinflammatorischen Erkrankungen die Gruppe der monogenetischen, periodischen Fiebersyndrome, allen voran das familiäre Mittelmeerfieber (FMF), das Hyperimmunglobulinämie-D-Syndrom (HIDS), die TNF-Rezeptor-assoziierten autoinflammatorischen Syndrome (TRAPS) sowie die cryopyrinassoziierten periodischen Syndrome (CAPS). Durch Erkenntnisse in den letzten Jahren, dass Störungen des angeborenen Immunsystems auch Ursache für andere Krankheiten sein können, ist die Gruppe der autoinflammatorischen Erkrankungen gewachsen, und so können nun auch das Still-Syndrom, die Gicht, Pseudogicht und die koronare Herzerkrankung zu dieser Gruppe gerechnet werden.
Diese Untergruppe der autoinflammatorischen Erkrankungen tritt meistens zum ersten Mal im Kindesalter auf, kann sich aber auch bei Erwachsenen erstmanifestieren (Tab.). Klinisch äußern sich diese Erkrankungen als rekurrierende Fieberepisoden mit unspezifischen Symptomen wie Gelenk- und Abdomenschmerzen, Hautveränderungen oder Sehstörungen. Entzündungswerte wie CRP und BSG sind erhöht, und es liegt zumeist eine Leukozytose vor. Eine ausführlichere Laboranalyse würde zumeist eine IL-1β- sowie eine Serum-Amyloid-A-Erhöhung zeigen. Serum-Amyloid A ist ein Akute-Phase-Protein, das bei chronischer Entzündung akkumuliert, wodurch es schlussendlich zu einer Amyloidose kommen kann. Die Fieberepisoden enden meist von selbst, und zwischen diesen Schüben ist der Patient symptomfrei. Differenzialdiagnostisch sollten Infektionserkrankungen (z. B. Malaria), Tumorerkrankungen (z. B. Hodgkin-Lymphom, Phäochromozytom etc.), andere autoinflammatorische Syndrome (z. B. Still-Syndrom, Schnitzler-Syndrom etc.) sowie vaskuläre Erkrankungen, die das Fieberzentrum im Hypothalamus beeinflussen könnten (z. B. rekurrente Pulmonalarterienembolien) ausgeschlossen werden. Zur Diagnosestellung wird, bei entsprechender Klinik und Verdacht auf ein Fiebersyndrom, eine Genanalyse zur Bestimmung bestimmter Genmutationen durchgeführt.
Das familiäre Mittelmeerfieber (FMF) geht auf eine autosomal rezessive Mutation im Mediterranean-Fever-(MEFV-)Gen zurück. Dieses Gen kodiert das Protein Pyrin, welches wiederum Teil des NLRP3-Inflammasoms ist (Abb.). Die Mutation im MEFV-Gen führt letztlich zu einer Überproduktion von IL-1β, auch ohne Stimulus durch ein externes Pathogen. Wie der Name schon sagt, manifestiert sich FMF vor allem bei Kindern mit Wurzeln im östlichen Mittelmeerraum (armenische, jüdische, arabische und türkische Herkunft). Zwei Typen lassen sich unterscheiden, wobei bei Typ I rekurrierende Fieberepisoden mit monoartikulären Arthritiden, Erysipelen und generalisierten Serositiden auftreten. Bei unbehandelten Patienten kann es durch den erhöhten Serum-Amyloid-A-Spiegel zu einer Amyloidose mit konsekutivem Nierenversagen kommen. Bei Typ II ist die renale Amyloidose die Erstmanifestation der Erkrankung. Beide Typen sprechen normalerweise auf Colchicin an, welches sowohl präventiv gegen die Fieberschübe wirkt als auch der Entwicklung einer renalen Amyloidose vorbeugt. Colchicin hemmt den Zusammenbau des Inflammasoms in neutrophilen Granulozyten und Makrophagen und hemmt so die Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine. Neben Colchicin ist auch der IL-1β-Inhibitor Canakinumab eine Therapieoption.
Ein Beispiel für eine autoinflammatorische Erkrankung abseits der Gruppe der monogenetischen, periodischen Fiebersyndrome ist das adulte Still-Syndrom (Adult Still’s Disease, ASD). Dieses entspricht der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis beim Erwachsenen, was sich durch ähnliche Klinik, ähnliche Laborwerte und eine Überregulation des angeborenen Immunsystems bei beiden Krankheiten zeigt. Bei ASD ist nicht ein einzelnes Gen für das Ausbrechen der Krankheit verantwortlich, und Theorien zur Ursache deuten auf ein multifaktorielles Geschehen hin. Die Patienten leiden an täglichen (oder jeden zweiten Tag auftretenden) Fieberschüben, Arthritiden, Lymphadenopathien und Hautmanifestationen, die sich als flüchtige, lachsfarbene, makulopapulöse Exantheme äußern. Im Labor zeigen sich zumeist eine Neutrophilie sowie erhöhte Ferritin-Werte. Die Therapie des ASD ist an die der rheumatoiden Arthritis angelehnt und reicht von der Gabe nichtsteroidaler Antirheumatika bis hin zu Biologika.
Die Gruppe der autoinflammatorischen Erkrankungen umfasst Krankheiten aus verschiedenen medizinischen Disziplinen, denen eine Störung im angeborenen Immunsystem gemein ist. Ein besseres Verständnis für die pathophysiologischen Prozesse dieser Erkrankungen ist nicht nur für die Forschung wichtig, sondern auch für das Finden der richtigen Diagnose bei komplizierten klinischen Fällen.