Bedeutung von Compliance und Adhärenz

Eine Krebserkrankung stellt meist für die Betroffenen eine existenzielle Bedrohung dar und es kann zu vorübergehenden, aber auch manifesten Veränderungen in verschiedenen Lebensbereichen kommen. Die Behandlung einer Krebserkrankung und die damit verbunden Konsequenzen erfordern oft viele Bemühungen, um sich an die ungewohnten und neuen Situationen anzupassen.

In einer ganzheitlichen (bio-psycho-sozialen) onkologischen Behandlung und Betreuung ist die medikamentöse Tumorbehandlung eine elementare Säule. Die Tatsache, dass ein nicht zu unterschätzender Anteil an PatientInnen ihre verordneten Medikamente nicht bzw. nicht verschreibungskonform einnehmen, kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Verlängerung des krankheitsfreien Intervalls und eine längerfristige beobachtbare Verminderung der krankheitsbedingten Todesfälle mit sich bringen (Fallowfield, 2009).

Was ist mit Compliance und Adhärenz gemeint und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Das Wort Compliance leitet sich vom lateinischen Wort „clumpere“ ab, es bedeutet so viel wie „etwas abzuschließen“ und bezieht sich dabei auf den Grad der Adaptation und Flexibilität, der Obedienz und Submission (Anderson, 1994; zitiert nach Trinity 2009).

Nach Kyngäs et al. (2000) beinhalten die meisten Definitionen der Compliance Elemente, die sich auf die Verantwortlichkeit für sich selbst, die Rolle der PatientInnen im Krankheitsprozess und die Zusammenarbeit mit dem Behandlungsteam beziehen.

Während die Compliance per Definition die Bereitschaft ist, ärztliche Anweisungen zu befolgen, meint die Adhärenz eine Übereinstimmung, welche sich auf eine Wechselbeziehung zwischen Gleichrangigen bezieht. Des Weiteren geben die PatientInnen im Sinne der Compliance ihr passives Einverständnis zu einer therapeutischen Intervention. Im Konzept der Adhärenz sind PatientInnen Experten für sich und für ihr Leben, während ÄrztInnen Experten für ihr Fachgebiet sind (Albus, 1995). Die PatientInnen sind dabei nicht passive Empfänger einer vorgeschriebenen Therapie, sondern die angebotene Therapie geschieht im Kontext einer therapeutischen Allianz (Osterberg & Blaschke, 2005).

Viele Publikationen zeigen, dass die Adhärenz einer Langzeittherapie bei chronischen Erkrankungen problematisch ist (Osterberg & Blaschke, 2005).

Aus einer großen amerikanischen Untersuchung mit 12.000 Patientinnen geht hervor, dass eine von vier Frauen mit frühem Brustkrebs während des ersten Jahres der adjuvanten Anastrozol-Therapie ihre Medikamente nicht verschreibungskonform einnimmt und eine weitere Abnahme der Adhärenz mit Fortdauer der Therapie stattfindet (Partridge et al., 2008).

Wigertz et al. (2012) zeigten in einer aktuellen Studie mit Brustkrebspatientinnen, welche eine adjuvante Hormontherapie bekamen, ebenfalls eine suboptimale Adhärenz dieser Stichprobe. Drei Jahre nach der ersten Medikamenteneinnahme waren nur mehr 69 % der Teilnehmerinnen adhärent. Es wird eine positive Assoziation zwischen Adhärenz und einem jüngerem Alter zum Zeitpunkt der Diagnosestellung sowie der Größe der Tumoren beschrieben. Die Adhärenz war niedriger, wenn es während der Behandlung zu einer Medikamentenumstellung kam. Diese Studie zeigte im Gegensatz zu anderen Untersuchungen keine Zusammenhänge zwischen adhärentem Verhalten und sozioökonomischen Faktoren wie Bildung und Einkommen. Durch mangelnde Adhärenz und einen verfrühten Abbruch der Medikamenteneinnahme wird die Wirkung einer adjuvanten Therapie sehr stark limitiert und resultiert in einer gesteigerten Wiederauftretensrate. Auch im metastasierten Setting, in welchem man eine höhere PatientInnencompliance erwarten würde, lieferten Studien gegenteilige Ergebnisse (Atkins & Fallowfield, 2006).

Prädiktoren für mangelnde Adhärenz

Folgende Prädiktoren für eine mangelnde Adhärenz mit einer Langzeittherapie werden von Osterberg und Blaschke (2005) angeführt: Probleme in der Nachsorge, mangelnde Information über die Erkrankung und die Therapie, Probleme im Zugang zur Therapie, Therapiestrategien, die sehr komplex sind, Therapiekosten bzw. die Nebenkosten, die sehr hoch sind. Als weitere Gründe für eine mangelnde Adhärenz wird das fehlende Wissen über das Rezidivrisiko sowie das Auftreten von unerwünschten Nebenwirkungen genannt.

Es ist erforderlich, die Adhärenz bei PatientInnen mit Krebserkrankungen zu verbessern, um die Effektivität der Therapie voll nutzen zu können. Um dies zu erreichen, ist ein kontinuierlicher dynamischer Prozess notwendig, der die Wünsche und Bedürfnisse auf der PatientInnenebene berücksichtigt. Dabei ist es essenziell, den PatientInnen mehr Wissen über die Erkrankung sowie die Therapie zu übermitteln, das heißt die Bedeutung und Wertigkeit der Therapie und der möglichen Nebenwirkungen konkret zu beleuchten. Die Ängste und Sorgen der PatientInnen sollen aktiv angesprochen, wahrgenommen und aufgefangen werden. Des Weiteren sollten die PatientInnen über die Möglichkeiten des Austausches über Behandlungsstrategien und Gesundheitsverhalten informiert werden („peer group“).

Es sollte soweit als möglich auf eine Behandlungskontinuität geachtet, und es sollten Erinnerungsmodalitäten und Monitoringprogramme entwickelt werden, welche die Adhärenz der PatientInnen fördern.

Auch die PatientInnenkompetenz sowie Empowerment spielen eine wesentliche Rolle, da diese schlussendlich in einer aktiven Zusammenarbeit mit dem medizinischen Fachpersonal resultieren. Die PatientInnenkompetenz wird folgendermaßen definiert (Kösters, 2000; zitiert nach Koch & Weis, 2008): Im Konzept der PatientInnenkompetenz ist es den Betroffenen möglich, in ihrem Erleben, Wissen und Handeln im Umgang mit ihrer Erkrankung und deren Behandlung in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens spezifische Perspektiven zu gewinnen, die ihren Alltag trotz sozialer und/oder gesundheitlicher Problemlagen meistern lassen. Diese spezifischen Perspektiven sollten sowohl in der Behandlungsentscheidung sowie in der Behandlung selbst mehr Berücksichtigung finden.

Da die Arzt-PatientInnen-Beziehung wahrscheinlich den bedeutendsten Anteil im Kontext der Adhärenz/Compliance von PatientInnen hat, ist ein dialogisches Handeln, das Zuwendung, Offenheit, Selbstreflexion, aktives Hören und Gesprächsfähigkeit sowie authentisches Verhalten einschließt, unumgänglich.

 

 

Literatur:
Albus M.: Which factors modify drug compliance? Psychiatrie Praxis 1995; 22 (6):228-230
Atkins L., Fallowfield L.: Intentional and non-intentional non-adherence to medication amongst breast cancer patients. Eur J Cancer 2006; 42( 14):2271-2276
Fallowfield L.: The clinical importance of patient adherence to Therapy. Advances in Breast Cancer 2009; 99:1763-1768
Geisler L.: Arzt und Patient – Begegnung im Gespräch. Wirklichkeit und Wege. Frankfurt: Pmi Verlag, 2008
Koch U., Weis, J. (Hrsg.): Psychoonkologie. Eine Disziplin in der Entwicklung. Göttingen, Hogrefe Verlag, 2008
Kyngäs H., Duffy M.E., Kroll T.: Conceptual Analysis of Compliance. JCN 2000; 9: 5-12
Osterberg L., Blaschke T.: Adherence to medication. N Engl J Med 2005; 353:487-97
Partridge A.H. et al.: Adherence to Initial Adjuvant Anastrozole Therapy Among Women With Early-Stage Breast Cancer. J Clin Oncol 2008; 26 (4):556-562
– Trinity L.I.: Compliance: A Concept Analysis. Nursing Forum 2009; 44 (3):189-194
Wigertz A. et al.: Adherence and discontinuation of adjuvant hormonal therapy in breast cancer patients: a population-based study. Breast Cancer Res Treat 2009; 133:367-373
Klinischer und Gesundheitspsychologe,Klinische Abteilung für Onkologie,Universitätsklinik für Innere Medizin,Medizinische Universität Graz
In der modernen Medizin finden immer neuere Medikamente mit immer besserer Wirksamkeit Anwendung. Diese Medikamente können jedoch nur dann wirken, wenn sie ordnungsgemäß eingenommen werden. Damit eine Therapie möglichst erfolgreich sein kann, ist es von großer Bedeutung, die PatientInnen soweit als möglich mit einzubeziehen, mit ihnen gemeinsam Entscheidungen zu treffen und dadurch die Compliance/Adhärenz der PatientInnen zu fördern.
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