Prim. Univ.-Prof. Dr. Kurt Redlich: Biosimilars gibt es v. a. für jene rheumatologischen Therapien, die schon vergleichsweise lange am Markt sind. So sind in der Klasse der TNF-Blocker teilweise gleich mehrere Biosimilars für Infliximab, Etanercept und Adalimumab verfügbar. Daneben sind auch für den Anti-CD20-Antikörper Rituximab bereits Biosimilars zugelassen und in Verwendung. Die Biosimilars können dabei in sämtlichen Indikationen des Originalpräparats angewendet werden.
Ein Biosimilar ist – wie der Name sagt – ein biologische Arzneimittel, das einem anderen, bereits zugelassenen biologischen Arzneimittel ähnlich („similar“) ist. Während Nachahmerprodukte eines chemisch synthetischen Arzneimittels – sogenannte Generika – absolut identisch sind, ist dies aufgrund ihrer hochkomplexen Natur bei biologischen Arzneimitteln nicht zwingend der Fall. Mittels komplexer analytischer Verfahren („comparability exercise“) muss aber der Nachweis der Vergleichbarkeit erbracht werden. Verglichen werden Arzneimittelqualität, sprich physikochemische Eigenschaften und biologische Aktivität, sowie präklinische und klinische Eigenschaften. Nur wenn die Wirksamkeits- und Sicherheitsprofile eines Biosimilars und dessen Referenzprodukts gleich sind, sind die Kriterien für eine Zulassung durch die EMA erfüllt.
Was viele nicht wissen: Auch die Originalpräparate sind aufgrund des komplexen Herstellungsprozesses niemals ganz gleich und unterliegen einer nicht vermeidbaren Variabilität. Diese ist auch akzeptabel, sofern sie keinen Einfluss auf Wirksamkeit und Verträglichkeit hat.
Wurde der Nachweis der Similarität zum Original erbracht, kann man davon ausgehen, dass das Biosimilar die gleiche Wirkung, aber auch die gleichen Nebenwirkungen zeigt. Es hat daher keinen Sinn, das Biosimilar in jeder einzelnen Indikation, in der das Originalprodukt zugelassen wurde, noch einmal an Patienten zu testen. Das wäre eine Verschwendung von Geld und Ressourcen. Biosimilars werden aber zumindest in einer Indikation klinisch geprüft.
Bei der Zulassung der ersten Biosimilars im Bereich der Immunologie gab es eine gewisse Skepsis gegenüber der Extrapolation. Das erste Infliximab-Biosimilar wurde nach erfolgreicher klinischer Prüfung in den Indikationen rheumatoide Arthritis und axiale Spondyloarthritis auch zur Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen zugelassen. Besonders zu Beginn hätten sicher manche Gastroenterologen auch gerne klinische Daten zu Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa gehabt. Mittlerweile bestätigen zahlreiche Studien sowie Erfahrungen aus der Praxis die klinische Vergleichbarkeit von Biosimilar und Originator, und zwar in sämtlichen Indikationen.
Als Rheumatologe hätte ich daher keine Bedenken, ein in der Indikation Psoriasis geprüftes Biosimilar bei Patienten mit rheumatoider Arthritis einzusetzen – aber natürlich nur wenn der Originator für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen ist. Generell gilt: Je länger die Erfahrung mit einem Präparat, desto sicherer wird man im Umgang mit demselben, und das gilt natürlich auch für Biosimilars.
Was Neueinstellungen betrifft, gibt es vielfache Evidenz aus Studien, dass Original und Biosimilar als gleichwertige Erstverordnungsalternativen betrachtet werden können. Für das Infliximab-Biosimilar CT-P13 wurde dies beispielsweise in den Zulassungsstudien PLANETRA (bei rheumatoider Arthritis) und PLANETAS (bei axialer Spondyloarthritis) gezeigt.
Auch zum Switch, also zur Umstellung vom Originalpräparat auf ein Biosimilar, gibt es mittlerweile mehrere Studien. So wurde in der PLANETRA-Extensionsstudie gezeigt, dass es keinen Unterschied hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit gab zwischen Patienten, die vom Infliximab-Original auf das Biosimilar umgestellt wurden, und jenen, die von vornherein mit dem Biosimilar behandelt worden waren. Spiegeln diese Daten das Real Life wider? Ja, sagen die Ergebnisse der NOR-SWITCH-Studie, die die Auswirkungen der Umstellung vom Referenz-Infliximab auf das Biosimilar-Infliximab CT-P13 bei Patienten mit verschiedenen Indikationen (u. a. entzündliche Darmerkrankungen, rheumatoide Arthritis, Spondyloarthritis, Psoriasisarthritis und Plaque-Psoriasis) untersuchte. Auch diese Real-Life-Studie zeigte, dass Sicherheit und Wirksamkeit nach dem Switch weiterhin gegeben waren.
Auch für die zwei zugelassenen Etanercept-Biosimilars, wie auch für die Rituximab-Biosimilars, wurde der problemlose Switch vom Originator auf das Nachahmerprodukt in entsprechenden Studien gezeigt.
Auch zum mehrmaligen Switch gibt es bereits erste Daten: In der EGALITY-Studie hatte ein dreifacher Wechsel zwischen dem Biosimilar-Etanercept GP2015 und dem Referenzprodukt keinen klinisch relevanten Einfluss auf Wirksamkeit und Sicherheit bei Psoriasis-Patienten.
Noch zu wenig untersucht ist die radikale Interchangeability, also der wahllose Wechsel zwischen Original und verschiedenen verfügbaren Biosimilars, z. B. in dem Sinne, dass man immer das jeweils billigste Produkt verwenden würde. Ein solches Vorgehen wurde in Studien noch nicht hinreichend untersucht und ist demnach nicht zu empfehlen.
Für die Verwendung eines Biosimilars gibt es aus meiner Sicht einen sehr guten Grund, nämlich den geringeren Preis. Wäre das Biosimilar gleich teuer wie das Original, gäbe es keinerlei Anreiz, sich für das Nachahmerprodukt zu entscheiden, denn die Wirkung ist ja dieselbe.
Die Österreichische Gesellschaft für Rheumatologie hat schon sehr früh gefordert und gefördert, dass möglichst viele rheumatologische Patienten, die einer Biologika-Therapie bedürfen, mit Biosimilars behandelt werden sollen. Es besteht ein Konsens aller führenden Rheumatologen hierzulande, möglichst preisgünstige Alternativen zu verwenden – wenn vorhanden; denn Biologika gehören mit zu den teuersten Arzneimitteln.
Biosimilars sind spürbar billiger als das Originalprodukt. Die Preisbildung für Biosimilars ist im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz geregelt. Um in den Erstattungskodex aufgenommen zu werden, muss der Preis des ersten Biosimilars, das auf dem Markt kommt, um 38 % unter dem des Originators liegen. Alle weiteren Biosimilars werden erstattet, wenn ein genügend großer Abstand zum ersten Biosimilar besteht (–15 % für das zweite und –10 % für das dritte Biosimilar).
Dazu kommt, dass auch die Originatoren, so sie weiterhin im EKO bleiben wollen, nach dem Eintritt eines Biosimilars mit dem Preis nach unten gehen. Durch die Preissenkung wird Geld für neue, teure Therapien frei, für die es noch keine Biosimilars gibt.
Die Patienten haben in aller Regel Verständnis dafür. Voraussetzung ist natürlich eine umfassende Aufklärung durch den Arzt: Was ist ein Biosimilar? Warum soll der Patient ein solches bekommen? Welche Studiendaten gibt es dazu? Diese Fragen sollten klar beantwortet werden. Die sensibelste Situation stellt für mich der Switch dar, d. h. die Umstellung eines an und für sich gut eingestellten Patienten von einem hochpreisigen Originalpräparat auf ein deutlich billigeres Biosimilar. Hier müssen wir als Ärzte besonders gut aufklären. Was Neueinstellungen mit einem Biosimilar betrifft, sehe ich eigentlich keinen Grund, die Aufklärung anders durchzuführen, als ich das für das Originalpräparat tun würde. Denn gemäß den klinischen Erfahrungen können Original und Biosimilar als gleichwertige Erstverordnungsalternativen betrachtet werden.