Dem aktuellen, pathophysiologischen Verständnis des Diabetes mellitus Typ 2 entsprechend nimmt neben zahlreicher anderer Defekte die Betazelldysfunktion eine wesentliche Rolle ein. So sind interessanterweise die meisten der bisher gefundenen Diabetesgene mit Insulinsekretionsdefekten assoziiert. Typischerweise manifestiert sich die Störung der Insulinsekretion anfänglich in einer prandialen Hypgerglykämie, mit einer darauf folgenden mitunter inadäquat hohen Insulinsekretion. Der progrediente Verlauf des Typ-2-Diabetes macht eine kontinuierliche Intensivierung der blutzuckersenkenden Therapie erforderlich.
Gegenwärtig ist pro Jahr bei 5 % der Patienten, die bereits mit oralen Antidiabetika (OAD) behandelt werden, der Beginn einer Insulintherapie erforderlich. Die größten Anforderungen an den behandelnden Arzt stellen die Auswahl des richtigen Zeitpunkts für den Beginn einer Insulintherapie bzw. die Auswahl des richtigen Therapieschemas dar. Bezüglich des richtigen Zeitpunkts des Beginns und des verwendeten Therapieregimes variieren die zahlreichen nationalen und internationalen Leitlinien beträchtlich.
Aus der Sicht des Patienten sind die Einwände gegenüber einer Insulintherapie meist größer als der erwartete Nutzen. Im Rahmen der DAWN-Studie konnte gezeigt werden, dass jeder zweite Patient Bedenken gegen eine Insulintherapie aufgrund der Gewichtszunahme und aufgrund von Hypoglykämien hat. Jeder fünfte Studienteilnehmer gab an, durch die tägliche Auseinandersetzung mit der Krankheit erschöpft zu sein, und jeder sechste Patient empfand die Therapie als zu kompliziert. Gerade deshalb muss die Wahl der Therapie mit dem Patienten gemeinsam getroffen werden, da nur unter einer optimalen Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patienten ein gutes Ergebnis möglich ist.
Die basalunterstützte orale Therapie (BOT) wird meist als einfachste Form der Insulintherapie in Kombination mit einem oralen Antidiabetikum empfohlen. Die Effektivität und Sicherheit dieser Therapiestrategie konnte in zahlreichen Studien belegt werden. Generell kann diese Therapieform als einfacher und sicherer Einstieg für eine Insulintherapie verwendet werden.
Die konventionelle Therapie mit Mischinsulin ist nach wie vor in Österreich die häufigste Therapieform, da sie relativ einfach ist. Diese Therapie macht einen gleichförmigen Tagesablauf, kombiniert mit regelmäßiger Mahlzeiteneinnahme erforderlich.
Bei der prandialen Insulintherapie wird jeweils vor den Mahlzeiten ein rasch wirksames Analogon verabreicht, welches die postprandialen Blutzuckerspitzen abfängt. Unter dieser Therapieform kann es mitunter zu höheren Nüchternblutzuckerwerten kommen, da das exogen zugeführte Insulin über Nacht nicht mehr wirkt und damit die hepatale Glukoneogenese weniger effizient supprimiert wird als bei der Basalinsulintherapie.
Mittlerweile gibt es bereits einige große Studien und Metaanalysen, welche die unterschiedlichen Therapieschemata miteinander vergleichen:
Beispielsweise wurden im Rahmen der 4T-Studie insgesamt 708 Patienten in 3 unterschiedliche Gruppen – BOT (n = 234), prandiales Insulin (n = 239) und Mischinsulin (n = 235) randomisiert und 3 Jahre lang nachbeobachtet. In der Mischinsulingruppe konnte das HbA1c um 1,3 %, in der Gruppe mit prandialem Insulin um 1,4 % und in der Basalinsulingruppe um 1,2 % reduziert werden. Im direkten Vergleich waren daher alle 3 Therapieformen auf den ersten Blick als gleich effektiv einzustufen. Betrachtet man den Anteil der Patienten, welche einen HbA1c-Wert unter 6,5 % erreichen, so wurde dieser Endpunkt von 31,9 % der Patienten in der Mischinsulingruppe von 44,7 % der Patienten der prandialen Gruppe bzw. von 43,2 % der Patienten der Basalinsulingruppe erreicht. Die Mischinsulingruppe schnitt hinsichtlich dieses Endpunkts somit schlechter als die anderen Therapieformen ab. Bemerkenswert ist, dass aufgrund nicht zufriedenstellender Blutzuckerprofile bei einer Vielzahl der Patienten der anfänglich verabreichte Sulfonylharnstoff durch eine weitere Insulinpräparation ersetzt werden musste. Dieser Anteil war allerdings in der Mischinsulingruppe (67,7 %) signifikant geringer als in den beiden anderen Vergleichsgruppen. Die mittels kapillärer Messung erhaltenen Messwerte waren in der Basalinsulingruppe bzw. in der Mischinsulingruppe signifikant geringer als in der prandialen Insulingruppe. Interessanterweise fiel die Gewichtszunahme in der Basalinsulingruppe geringer als in den beiden anderen Therapiegruppen aus. Die höchste Hypoglykämiefrequenz wurde bei Patienten mit prandialer Insulintherapie beobachtet.
In der APOLLO-Studie wurde eine Basalinsulintherapie (Insulin glargin 1-mal täglich) mit einer prandialen Insulintherapie verglichen. Die aus APOLLO gewonnenen Daten zeigen, dass beide Therapieschemata eine gleichwertige HbA1c-Senkung erreichen können. Dennoch konnte bei der prandialen Insulintherapie eine signifikant höhere Hypoglykämierate beobachtet werden (24 Ereignisse pro Patient und Jahr).
BOT vs. Mischinsulin: Die derzeit am häufigsten verwendeten Therapieregime stellen sicher die Mischinsulintherapie bzw. die BOT dar. Entscheidet man sich zur Gabe eines Mischinsulins, so sollte den aktuellen Empfehlungen zufolge die verabreichte Gesamtdosis auf zwei Einzeldosen aufgeteilt werden. Dennoch gibt es zahlreiche Studien, welche die Effektivität, aber auch die Sicherheit einer 1-maligen Gabe eines Mischinsulins belegen.
In einer rezent durchgeführten Metaanalyse (Lasserson et al., Diabetologia 2009) wurden die basalunterstütze orale antidiabetische Therapie und die Mischinsulintherapie miteinander verglichen. In dieser Metaanalyse konnte die 2-mal tägliche Gabe eines Mischinsulins verglichen mit der Gabe eines Basalinsulins das HbA1c zusätzlich um 0,45 % reduzieren. Allerdings kam es unter der Mischinsulin zu einer zusätzlichen Gewichtszunahme von 1,3 kg, welche sich allerdings von der durch die Basalinsulintherapie verursachten Gewichtszunahme nicht unterschied. Leider konnten in dieser Studie die Frequenz und Inzidenz der Hypoglykämien nicht untersucht werden.
Im Gegensatz zur 4T-Studie zeigen einige andere Studien eine effektivere Senkung des HbA1c unter einer Therapie mit Mischinsulinen im Vergleich zur BOT. Dementsprechend treten allerdings auch Hypoglykämien unter einer Mischinsulintherapie signifikant häufiger als unter einer BOT auf.
Verglichen mit der Mischinsulintherapie bzw. der prandialen Insulintherapie sind die größten Vorteile der Basalinsulintherapie die reduzierte Applikationsfrequenz und die einfache Titrierbarkeit. Das wesentliche Ziel der Basalinsulintherapie ist sicherlich die Unterdrückung der nächtlichen hepatischen Glukoneogenese und die Betazellprotektion bei Patienten mit kurzer Diabetesdauer. Kann unter der Basalinsulintherapie keine effektive Glukosekontrolle erreicht werden, so ist eine weitere Steigerung meist kontraproduktiv, da das Betazellversagen in diesem Fall durch die zusätzliche Gabe eines prandialen Insulins wesentlich besser ausgeglichen werden kann.
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