Brief des Herausgebers 4/20

Liebe Leserinnen und Leser! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In dieser Krisenzeit sind unsere Spitzenpolitiker Virologen geworden. Das erkennt man daran, dass zu Beginn der Corona-Krise viele öffentlich „der Virus“ sagten (z. B. p. t. Sebastian Kurz, Peter Hacker und Margarete Schramböck), sie jetzt aber gelernt haben, dass wir Ärzte und Gelehrten „das Virus“ sagen. Ein Gesundheitsminister hat es in normalen Zeiten schon nicht leicht, weil er im Kräftefeld von Ärztekammer und Hauptverband der Sozialversicherungsträger agieren muss. Trotzdem kann der sich abstrampelnde jetzige Gesundheitsminister Trost darin finden, dass der erste Gesundheitsminister Österreichs, ein Fachgelehrter (Dr. Johann Horbaczewski), am Ende des 1. Weltkrieges nicht nur mit den „Einbußen der Volkskraft“ infolge des Krieges zu kämpfen hatte, sondern auch mit der Spanischen Grippe konfrontiert war, die weltweit geschätzte 50 Millionen Todesopfer forderte, darunter auch viele jüngere Leute wie z. B. Egon Schiele und seine Frau (beide verstarben im Alter von unter 30 Jahren).

COVID-19 hat bisher weltweit zu 6 Millionen Erkrankten und 400.000 Todesopfern geführt. Diese tragische Pandemie hat aber auch die Forschung stark stimuliert und das sowohl im Grundlagenbereich als auch auf klinischer Ebene. Wir lernen immer mehr über die involvierte Pathophysiologie. So haben Schweizer Forscher gezeigt, dass die Organschädigung, besonders in den kleinen Blutgefäßen der Lunge, aber auch anderer Organe, mit einer Endotheliitis beginnt (Lancet, April 20, 2020). Erfreulicherweise gibt es auch einen wichtigen Beitrag aus Österreich. Wie Annals of Internal Medicine (14. 5. 2020) berichtet, haben Forscher aus Graz (S. Lax et al.) und Wien (M. Trauner) beschrieben, dass bei den schweren Verläufen die Thrombose der mittleren und kleineren Lungengefäße trotz Antikoagulation zum Organversagen führt (mehr dazu in der Rubrik „Aktuell“). In einem separat ausgeschickten UNIVERSUM INNERE MEDIZIN-Sonderheft widmen wir uns weiteren wichtigen Aspekten der COVID-19-Erkrankung.

Leider haben wir das Ableben eines unserer verdienten Ehrenmitglieder, nämlich des Wieners Gerhard Giebisch, Professor für Physiologie an der Yale-Universität in New Haven, Connecticut zu beklagen. Giebisch war eine herausragende Persönlichkeit auf dem Gebiet der Nierenphysiologie. Als ich noch in Dallas an der Southwestern Medical School war, hat unser Klinikvorstand Donald Seldin als Nephrologe (wohl der erfolgreichste Chairman in Internal Medicine in den USA, über 30 Jahre im Amt und mit mehreren Nobelpreisen unter seinen Mitarbeitern) Gerhard Giebisch jedes Jahr zu Vorträgen und Forschungskonferenzen eingeladen, die höchst stimulierend waren. Ich war stolz, dass ein Österreicher so eine prominente Stellung in der nephrologischen Forschung innehatte. Die Professoren Watschinger und Oberbauer würdigen die Verdienste von Gerhard Giebisch im Nachruf auf den „Seiten der Gesellschaft“.

Der Fokus dieser Ausgabe widmet sich der Endokrinologie und dem Stoffwechsel. Frau Professorin Lechleitner sei für die Zusammenstellung interessanter, praxisrelevanter Themen gedankt.

Bleiben Sie frisch und gesund in dieser herausfordernden Zeit,

Ihr

O. Univ.-Prof. Dr. Günter J. Krejs