Univ.-Prof. Dr. Hildegard Greinix: Zugelassen sind CAR-T-Zell-Therapien beim diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) im relapsierten oder therapierefraktären (r/r) Setting nach Versagen der Zweitlinientherapie, bei r/r akut lymphatischer Leukämie (ALL) bis zum Alter von 25 Jahren und beim r/r Mantelzelllymphom nach mindestens zwei vorangegangenen Therapielinien. In diesem Jahr ist zudem die EU-Zulassung für das r/r multiple Myelom zu erwarten.
Zu den beteiligten Zentren (mit den jeweiligen Leitern) zählen die Tirol Kliniken – Universitätsklinik für Innere Medizin V (Univ.-Prof. Dr. Dominik Wolf), Salzburg – III. Medizinische Universitätsklinik Salzburg, SCRI-LIMCR (Univ.-Prof. Dr. Richard Greil), Oberösterreich – Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern Elisabethinen (Univ.-Prof. Dr. Andreas Petzer), Steiermark – LKH-Universitätsklinikum Graz, Klinische Abteilung für Hämatologie (Univ.-Prof. Dr. Hildegard T. Greinix), Wien – Medizinische Universität Wien/Allgemeines Krankenhaus (Univ.-Prof. Dr. Ulrich Jäger) und Wien – St. Anna Kinderspital (Univ.-Prof. Dr. Christina Peters). Der Zusammenschluss dieser Zentren zu einem österreichischen CAR-T-Zell-Netzwerk erfolgte mit der Zielsetzung, eine Diskussionsplattform für alle an der CAR-T-Zell-Therapie Beteiligten zu schaffen – dies schließt nicht nur die auf diesem Gebiet tätigen Ärzte ein, sondern auch wissenschaftliches Personal für translationale und klinische Studien sowie Patienten und die Zuweiser bzw. Krankenhausträger. Eine Errungenschaft, die bereits 2020 umgesetzt werden konnte, war die Definition der essenziellen Grundvoraussetzungen, die ein CAR-T-Zell-Zentrum in Österreich erfüllen muss, um diese aufwendige Therapieform durchführen zu dürfen. Mit dem 2020 publizierten Positionspapier des Austrian CAR-T Cell Network (Greinix HT et al., memo 2020; 13:27–31) wurde eine Grundlage zur qualitätsgesicherten Durchführung, einer geeigneten Patientenselektion und einem fairen Zugang zur CAR-T-Zell-Therapie in Österreich geschaffen. Ein elementares Ziel des Zusammenschlusses war es außerdem, österreichweit eine gemeinsame Entscheidungsgrundlage für oder gegen eine CAR-T-Zell-Therapie festzulegen, um in erster Linie einen Tourismus von Patienten unter den Zentren zu unterbinden. Weiters zielt das Netzwerk darauf ab, gemeinsam klinische und translationale Studien durchzuführen (z. B. Biomarkerforschung) und sich gegenseitig bei Forschungsprojekten oder klinischen Studien zu unterstützen. Alle unsere Patienten werden prospektiv in einem österreichweiten CAR-T-Zell-Register erfasst. Da nicht jedes Bundesland in Österreich über ein CAR-T-Zell-Zentrum verfügt, ist es dem CAR-T-Zell-Netzwerk ein wichtiges Bestreben, sicherzustellen, dass alle Patienten in Österreich optimalen und gleichen Zugang zu einer CAR-T-Zell-Therapie erhalten.
Dieser Algorithmus dient als Werkzeug zur Auswahl jener Patienten, die am meisten von einer CAR-T-Zell-Therapie profitieren. Wichtig ist dies nicht nur, um den bereits vorhin erwähnten Patiententourismus zu vermeiden, sondern auch, weil die CAR-T-Zell-Therapie mit schweren Nebenwirkungen einhergehen kann und präexistente Komorbiditäten zu einem komplikationsbehafteten Verlauf beitragen können. Die Entscheidung, ob ein Patient für eine CAR-T-Zell-Therapie geeignet ist, sollte im multidisziplinären Team fallen (im Regelfall ist dies das Tumorboard). Der Selektionsalgorithmus umfasst 5 Hauptkriterien (Major Criteria), die zur Gänze erfüllt sein müssen. Diese stützen sich auf die kardiale Funktion, die Lungenfunktion, den ECOG-PS, die aktuelle ZNS-Beteiligung und den Infektionsstatus. Sind alle diese 5 Kriterien erfüllt, sind 7 erweiterte Selektionskriterien (Minor Criteria) zu überprüfen, von denen zumindest 6 erfüllt sein müssen. Letztlich muss auch darauf geachtet werden, ob der Patient in der Lage ist, den Zeitraum zwischen Leukapherese und Zellinfusion so zu überbrücken, dass seine Erkrankung nicht massiv voranschreitet.
Diese Frage ist schwer zu beantworten. Initial sind wir von einer höheren Zahl an Patienten ausgegangen, als wir aktuell therapiert haben. Das ist nicht nur in Österreich der Fall, sondern auch in anderen Ländern. Berechnungen (basierend auf der Prävalenz der Erkrankung) zufolge, müssten in Österreich in etwa 70 DLBCL-Patienten an ein Zentrum zugewiesen worden sein, diese Zahl erreichen wir aber nicht. Folglich liegt der Schwerpunkt des CAR-T-Zell-Netzwerks aktuell darin, die Zuweiser intensiver zu informieren, die Patienten zuzuweisen – und dies möglichst frühzeitig.
In Österreich sind die Transplantzentren gleichzeitig auch die CAR-T-Zell-Zentren, sodass die Transplantteams auch für die CAR-T-Zell-Therapie zuständig sind. Aus diesem Grund pflegen wir bereits sehr gute Kontakte zu den Zuweisern, die uns Patienten für eine Transplantation schicken. Über selbige Kanäle übermittelten wir nach Zulassung der CAR-T-Zell-Präparate bereits Informationen an die Zuweiser, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Patienten für eine CAR-T-Zell-Therapie in Frage kommen. Zusätzlich bieten wir an, dass z. B. Patienten mit DLBCL bereits dann bei uns vorstellig werden können, wenn sie nach der Erstlinientherapie refraktär sind oder wenn sie das erste Rezidiv erleiden. In der Regel kontaktieren uns die Zuweiser telefonisch, vor allem ältere Patienten lassen wir oft direkt zu uns ans Zentrum kommen, um einen Eindruck zu gewinnen, wie belastbar der Patient ist und in welchem Allgemeinzustand er sich befindet. Patienten aus unserem eigenen Haus werden ohnedies regelmäßig im Tumorboard besprochen.
Therapeutischer Erstlinienstandard beim DLBCL ist die Chemoimmuntherapie R-CHOP. Stellt sich nach 4 oder 6 Zyklen keine komplette Remission ein, wäre dies bereits der Zeitpunkt, um mit dem CAR-T-Zell-Zentrum Rücksprache zu halten. Spricht ein Patient initial zwar auf R-CHOP an, erleidet dann jedoch ein Rezidiv, ist ebenfalls bereits sofort Kontakt mit dem CAR-T-Zell-Zentrum für eine rechtzeitige Zuweisung aufzunehmen. Eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit dem Zentrum ist insofern wichtig, da bereits bei der Wahl der Salvage-Chemoimmuntherapie darauf geachtet werden muss, welche zelltoxischen Substanzen zum Einsatz kommen. Durch Letztere könnte eine erfolgreiche Leukapherese für die geplante CAR-T-Zell-Therapie u. U. erschwert bis unmöglich werden. Nach zwei Zyklen der Salvage-Therapie erfolgt eine Erfolgsbeurteilung (in der Regel mittels PET-CT), der Zuweiser meldet sich sofort, sobald der Patient progredient ist oder nach zwei Zyklen kein Ansprechen zeigt. Dies wäre der optimale Zeitpunkt, um die CAR-T-Zell-Therapie konkret und zügig zu planen.
Wie andere Therapien wird in Österreich auch die CAR-T-Zell-Therapie über die Krankenhausträger und Kassen finanziert. Die CAR-T-Zell-Therapie ist in der derzeitigen Form eine sehr individualisierte Therapie – jeder Patient wird einer Leukapherese unterzogen, und für jeden Patienten wird ein individuelles CAR-T-Zell-Produkt hergestellt. Hier ist nicht nur der Kosten-, sondern auch der Zeitfaktor wichtig. Beide Faktoren könnten durch ein Off-the-Shelf-Produkt, also beispielsweise allogene CAR-T-Zell-Produkte, die im Voraus gefertigt werden könnten, verringert werden. Hierzu gibt es bereits erste Daten; aus meiner Sicht ist die Möglichkeit, ein generelles CAR-T-Zell-Produkt zu generieren, das für alle Patienten anwendbar ist, eine Chance für eine deutliche Kostenreduktion. Der Import der Zellen aus dem Nicht-EU-Ausland, beispielsweise aus den USA, ist sehr aufwendig. Es gibt bereits erste Firmen, die auch in Europa produzieren. Das CAR-T-Zell-Produkt selbst vor Ort herzustellen wäre eine weitere Möglichkeit, um Kosten (und auch den logistischen Aufwand) zu reduzieren. Es ist also noch ein gewisser Spielraum vorhanden, an dem Firmen und akademische Zentren intensiv arbeiten.
Das Patientenregister für die CAR-T-Zell-Therapie ist – wie auch das Stammzelltransplantationsregister – in Innsbruck angesiedelt, beide befinden sich unter meiner Leitung. Wir geben die Daten an die EBMT weiter und versuchen zudem österreichweit weitere Items (klinische und auch laborchemische Daten wie auch Information zu Biomaterial) zu sammeln, die dann für translationale und klinische Forschung genutzt werden können.
Herausfordernd sind DLBCL-Patienten mit großer Lymphommasse oder biologisch aggressivem Lymphom, da diese den Zeitraum von 4 bis 6 Wochen, bis das fertige CAR-T-Zell-Produkt zur Verfügung steht, oftmals nicht durchstehen. Es gibt Lymphome mit rasanten Verdoppelungszeiten, hier geht es darum, eine Bridging-Therapie (wie etwa eine lokale Bestrahlung) durchzuführen, um eben diesen Zeitraum zu überbrücken und zu verhindern, dass Patienten durch das rasch progrediente Lymphom massive Beschwerden entwickeln (Schmerzen, deutliche Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Infektionsgefahr). Die Nebenwirkungen der CAR-T-Zell-Therapie beherrschen wir mittlerweile sehr gut, der Zugang zu intensivmedizinischer Betreuung ist für die Patienten bei Bedarf jedoch zu jedem Zeitpunkt gegeben. Eine weitere Herausforderung stellt sicherlich auch die Zeit nach erfolgter CAR-T-Zell-Infusion dar, da Patienten über einen längeren Zeitraum zytopen sein können und somit eine länger andauernde stationäre Betreuung benötigen. Wir bieten unseren Patienten eine sehr ausgedehnte Infektionsprophylaxe, die mit den Patienten und Angehörigen auch immer wieder sehr ausführlich besprochen wird, sodass wir bis dato bei keinem unserer Patienten in der Nachsorge einen gravierenden Infekt feststellen konnten. Erst circa 100 Tage nach Infusion kontrollieren wir unsere Patienten in größeren Abständen, intensivere Kontrollen führt dann der Zuweiser durch.
Mit Spannung erwarten wir die Daten der beiden randomisieren Phase-III-Studien BELINDA und ZUMA-7. In beiden Studien erfolgt die Randomisierung im Vergleich zur autologen Blutstammzelltransplantation bei DLBCL-Patienten im ersten Rezidiv. Die Studien sollen nicht nur die Frage klären, ob die CAR-T-Zell-Therapie beim DLBCL früher im Behandlungsverlauf eingesetzt werden sollte, sondern werden auch Hinweis darauf geben, welchen Stellenwert die autologe Blutstammzelltransplantation für diese Patientenpopulation künftig haben wird. Weiters wird in einer Myelomstudie, an der auch wir teilnehmen werden, die CAR-T-Zell-Therapie bereits in der Erstlinie evaluiert werden – mit der Intention, die Entwicklung von refraktären Subklonen zu verhindern. Dieser Ansatz wäre kurativ, da versucht wird, das Myelom mittels CAR-T-Zell-Therapie zu eradizieren. Weitere Studien laufen, um die Effizienz der CAR-T-Zellen zu verbessern – etwa durch Kombinationstherapien mit Checkpoint-Inhibitoren, Lenalidomid oder Ibrutinib – um die Expansion in vivo zu erhöhen, um so eine bessere Effizienz und eine längere Persistenz der Zellen zu erzielen. Diese Strategie zielt darauf ab, das immunsupprimierende Microenvironment des Tumors zu überwinden. Bei soliden Tumoren liefert die CAR-T-Zell-Therapie bis dato nur unbefriedigende Ergebnisse, da bei den meisten soliden Tumoren noch kein passendes spezifisches Antigen gefunden wurde. Dieses muss sehr selektiv sein, um keine Off-Target-Toxizitäten auszulösen. Erste Daten gibt es beim Glioblastom und beim Prostatakarzinom. Auch technisch gesehen werden einige Veränderungen auf uns zukommen, wie beispielsweise duale CAR-T-Zell-Produkte (z. B. gegen CD19 und CD20 oder gegen CD19 und CD22 gerichtete bizistronische Vektoren).