Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Pohl, Vorstand der Abteilung für Atmungs- und Lungenerkrankungen, Krankenhaus Hietzing, Wien, spricht anlässlich der aktuellen Pandemie mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 über die differenzialdiagnostische Unterscheidung zwischen COVID-19 und Asthma bzw. COVID-19 und COPD. Der Experte informiert zudem, ob Patienten mit Asthma und COPD ein höheres Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion aufweisen und ob diese eine Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung darstellen. Ebenso wird den Fragen nachgegangen, ob der Raucherstatus den Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion beeinflusst und ob bestehende Therapien während der Pandemie fortzuführen oder zu beenden sind. In jedem Fall sei sowohl bei Asthma als auch bei COPD eine optimale Krankheitskontrolle anzustreben, um Exazerbationen und somit Hospitalisierungen zu vermeiden.
Pohl: Zuerst einmal muss festgehalten werden, dass Asthma und COPD generell mit keinem Risiko für eine erhöhte SARS-CoV-2-Infektanfälligkeit assoziiert sind – sofern die Patienten die aktuell empfohlenen Präventivmaßnahmen zur Vermeidung von COVID-19 einhalten. Auch sollen die Patienten ihre Therapie wie verordnet weiterführen und die Medikation keinesfalls eigenständig absetzen oder ändern (weder die Einnahmehäufigkeit noch die Dosis), da sich ansonsten das Risiko einer Verschlechterung der Grunderkrankung erhöht.
Durch eine konsequente Fortführung der verordneten Therapie können Exazerbationen verhindert und somit unnötige Arztbesuche oder Krankenhausaufenthalte (Risiko, mit einer COVID- 19-infizierten Person in Kontakt zu kommen und sich anzustecken) reduziert werden. Ob an COVID-19 erkrankte Patienten mit Asthma bronchiale einem höheren Risiko eines schweren Verlaufs der Virusinfektion ausgesetzt sind, ist aus den bisher verfügbaren Daten nicht gesichert. Erkranken COPD-Patienten an COVID-19, besteht für dieses Patientenkollektiv ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion.
Zur Risikogruppe für schwere Verläufe von COVID-19 gehören generell Personen ab dem 60. Lebensjahr, Zigarettenraucher und Patienten mit Vorerkrankungen (Herz-Kreislauf-Erkrankungen [z. B. koronare Herzerkrankung, arterielle Hypertonie], chronische Atemwegserkrankungen, chronische Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus, Tumorerkrankungen, Immundefizienz). In einer Studie konnte gezeigt werden, dass Patienten, die aufgrund von COVID-19 hospitalisiert wurden (n = 191), weniger häufig (3 %) COPD aufwiesen als beispielsweise eine Hypertonie (30 %), Diabetes (19 %) oder eine koronare Herzkrankheit.
COPD konnte somit nicht als Risikofaktor für ein schweres akutes respiratorisches Syndrom (SARS) nachgewiesen werden. Allerdings hatten COPD-Patienten, die aufgrund einer COVID-19-Erkrankung hospitalisiert werden mussten, eine höhere Wahrscheinlichkeit, im Krankenhaus zu versterben, als Patienten mit Diabetes oder Hypertonie.1
Wie bereits oben erwähnt, zählen Raucher zur Risikogruppe für schwere COVID-19-Verläufe. Die Erklärung für dieses erhöhte Risiko evaluierten Leung und Kollegen, die zeigen konnten, dass Raucher und COPD-Patienten eine erhöhte Atemwegsexpression von ACE-2 (Angiotensin-converting Enzyme 2), dem Eintrittsrezeptor für das COVID-19-Virus, aufweisen.2
Dies kann sich zum Teil sehr schwierig gestalten, da die Symptome wie angesprochen sehr ähnlich sind. Allerdings ist ein plötzlicher Krankheitsbeginn mit Fieber sowie Hals-, Kopf- oder Gliederschmerzen typisch für COVID-19, jedoch untypisch bei Asthma- oder COPD-Exazerbation. Im Vordergrund steht häufig starker trockener Husten. Was wir immer wieder beobachten – und was hilfreich bei der Differenzialdiagnose sein kann – ist, dass Atembeschwerden bei Atemwegsinfektionen nur gering auf Bronchodilatatoren ansprechen.
Von elementarer Bedeutung ist, dass Patienten ihre Therapie regelmäßig wie verschrieben einnehmen. Bei der Asthma-Therapie ändert sich vor dem Hintergrund der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie nichts. Laut der Global Initiative for Asthma (GINA) definiert sich der Schweregrad der Erkrankung durch die Therapiestufe, die benötigt wird, um eine ausreichende Asthmakontrolle zu erreichen (GINA-Stufen 1–5).3 Patienten mit Asthma erhalten gemäß diesem Stufenplan ab der Stufe 1 niedrig dosiertes ICS als Kombinationspräparat mit einem langwirksamem Beta-2-Sympathomimetikum (LABA) bei Bedarf oder dauerhaft niedrig dosiertes ICS mit einer Notfallmedikation. Entsprechend der Schwere der Erkrankung wird eine Erhöhung der ICS-Therapie durchgeführt. Da Patienten mit unkontrolliertem Asthma ein erhöhtes Risiko für virale Infektionen aufweisen, steht auch während der COVID-19-Pandemie eine erfolgreiche Krankheitskontrolle an oberster Stelle. Aus diesem Grund sollen Asthma-Patienten ihre antientzündliche Medikation unbedingt weiter einnehmen. Bei der Therapie des schweren Asthmas musste bis vor kurzem eine Vielzahl der Patienten noch auf orale Kortikosteroide zurückgreifen. Seit einigen Jahren stehen nun jedoch monoklonale Antikörper zur Verfügung, die zielgerichtet in die Pathophysiologie bestimmter Phänotypen des schweren Asthmas eingreifen können. Grundsätzlich sollte vor Beginn einer Biologikatherapie allerdings die konventionelle (phänotypunabhängige) inhalative Therapie ausgeschöpft werden. Erst wenn diese erweiterte Therapie zu keiner ausreichenden Asthmakontrolle führt, soll der Patient für eine Biologikatherapie evaluiert werden.3 In Bezug auf die Behandlung schwerer Asthmatiker mit Antikörpertherapien sind wir in Österreich das größte Zentrum. Aktuell betreuen wir einen Patienten mit schwerem Asthma, der eine Anti-IL-5-Behandlung bekommt und der auch an COVID-19 erkrankt ist. Bevor der Patient vor einigen Jahren auf die Antikörpertherapie eingestellt wurde, benötigte er 4-mal im Jahr eine systemische Kortisonmedikation. Rezent konnten wir beobachten, dass dieser Patient die SARS-CoV-2-Infektion komplikationslos durchgestanden hat; es kam zu keiner Verschlechterung des Asthmas, und es wurde kein zusätzliches systemisches Kortison benötigt. Dies bestätigt auch die rezenten Empfehlungen, dass Patienten mit schwerem Asthma ihre Biologikatherapie unverändert fortführen sollen. Wie auch bei Asthma würde eine Veränderung oder ein Absetzen der Medikation zu einer Verschlechterung bei der Grunderkrankung führen. Dies könnte einen Besuch beim Arzt oder im Krankenhaus notwendig machen und würde das Risiko erhöhen, dort mit einer COVID-19-infizierten Person in Kontakt zu kommen und sich möglicherweise anzustecken.
Diese Frage kann klar mit Nein beantwortet werden. Patienten mit nur wenigen Eosinophilen im Blut weisen weder ein erhöhtes Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion auf noch für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung. Eine niedrige Anzahl von Eosinophilen im Blut zeigt die Schwere der Infektion bzw. Entzündung an. Ein prognostischer Biomarker ist nicht zwingend auch pathogenetisch relevant.
Gemäß der „Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease“ (GOLD) erfolgt die initiale pharmakologische Behandlung bei COPD-Patienten mit 0–1 moderaten Exazerbationen (ohne Hospitalisierung) mittels Bronchodilator (Gruppe A) und langwirksamem Bronchodilator (LABA oder langwirksamer Muskarinantagonist, LAMA; Gruppe B). Bei ≥ 2 moderaten Exazerbationen oder ≥ 1 Hospitalisierungen werden LAMA (Gruppe C) und bei Gruppe D LAMA + LABA (CAT > 20) oder ICS + LABA (Eosinophile > 300/μl) verordnet.4 Welche zentrale Rolle dem ICS zukommt, konnte in der IMPACT-Studie gezeigt werden: Eine Dreifachkombination aus ICS (Fluticasonfuroat, FF), LAMA (Umeclidinium, UMEC) und LABA (Vilanterol, VI) konnte die jährliche Rate moderater bis schwerer Exazerbationen bei COPD-Patienten signifikant senken (FF/UMEC/ VI vs. FF/VI: –15 %, p < 0,001; FF/UMEC/VI vs. UMEC/VI: –25 %, p < 0,001). Daraus kann geschlossen werden, dass die Gesamtmortalität mit einer Tripletherapie im Vergleich zu einer dualen Bronchodilation (LAMA/LABA) deutlich geringer gehalten werden kann.5 Wie bei Asthma gilt auch hier, eine bestehende inhalative Therapie (inklusive ICS) während der COVID-19-Pandemie nicht zu ändern oder zu beenden, um Exazerbationen zu vermeiden.
Anhand von humanen Nasen- (HNE) und Trachealepithelzellen (HTE) untersuchten Yamaya M et al. die inhibierende Wirkung von LAMA, LABA und ICS auf die Replikation des Coronavirus HCoV-229E und die Zytokinproduktion. Die Studienautoren konnten zeigen, dass alle diese Einzelsubstanzen die Virusreplikation teilweise hemmen, indem die Rezeptorexpression und/oder die endosomale Funktion inhibiert wird. Zudem modulierten diese Medikamente die infektionsbedingte Entzündung in den Atemwegen.6
1 Zhou F et al., Lancet 2020; 395(10229):1054–62
2 Leung JM et al., Eur Respir J 2020; PII: 2000688. DOI: 10.1183/13993003.00688-2020
3 Global Initiative for Asthma Management and Prevention, GINA-Guideline 2019; www.ginasthma.com
4 https://goldcopd.org/wp-content/uploads/2018/11/GOLD-2019-POCKET-GUIDE-FINAL_WMS.pdf
5 Lipson DA et al., N Engl J Med 2018; 378(18):1671–80
6 Yamaya M et al., Respir Investig 2020; PII: S2212-5345(20)30005-8