Statine senken effizient das atherogene LDLCholesterin und verhindern die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse signifikant um etwa ein Drittel. Eines von drei Ereignissen wird also durch Statine verhindert, zwei von drei Ereignissen und damit die Mehrzahl der Ereignisse geschehen trotz Statintherapie.1 Da HDLCholesterin in verschiedensten Populationen, im Besonderen auch bei bereits mit Statinen behandelten Koronarpatienten ein sehr guter Prädiktor atherothrombotischer Ereignisse ist2, erscheint HDL als ein besonders vielversprechendes Behandlungsziel bei Hochrisikopatienten. HDL kann überschüssiges Cholesterin von der Peripherie (etwa aus den Gefäßwänden) zurück zur Leber transportieren; man spricht vom reversen Cholesterintransport.
Über ihre Rolle im reversen Cholesterintransport hinaus haben HDL-Partikel weitere antiatherosklerotische Funktionen. So stimulieren sie die NO-Bildung und wirken anti-inflammatorisch und anti-apoptotisch.3 Diese komplexen Funktionen lassen schon erahnen, dass die HDL-Lipoproteinfraktion und deren atheroprotektive Wirkung kompliziert ist – eine bloße Erhöhung des HDL-Cholesterins (also des in HDL-Partikeln transportierten Choles – terins) ist noch lange kein Beweis für die antiatherosklerotische Wirksamkeit eines Medikaments. Studien mit klinischen Endpunkten sind notwendig, um die Wertigkeit von HDLMedikamenten zu beurteilen.
Torcetrapib – Enttäuschung nach ILLUMINATE: Eine sehr hoffnungsvolle Therapieoption zur Steigerung des HDL-Cholesterins, Torcetrapib, war äußerst enttäuschend: Torcetrapib hemmt das Cholesterinester-Transferprotein (CETP), ein Schlüsselenzym des HDL-Stoffwechsels, und erhöht die HDL-Cholesterin-Werte um über 70 %. Torcetrapib verhindert aber nicht kardiovaskuläre Ereignisse. Im Gegenteil: Die ILLUMINATE-Studie4, welche die Wirkung von Torcetrapib auf kardiovaskuläre Ereignisse untersuchte, musste wegen einer höheren Mortalität im Verum-Arm vorzeitig abgebrochen werden. Post-hoc-Analysen ergaben, dass in ILLUMINATE unter Torcetrapib ein Anstieg von Aldosteron und Endothelin und (wohl konsekutiv) eine Blutdrucksteigerung auftrat, die eine theoretisch denkbare Erklärung für die ungünstigen Auswirkungen dieser Substanz sein könnte. Es bleibt also die Hoffnung, dass andere CETP-Inhibitoren, die keine Steigerung von Aldosteron und Blutdruck bewirken, nicht schädlich und vielleicht sogar atheroprotektiv sein können.
Differenzierte Ergebnisse zu Dalcetrapib: Eine dieser neueren CETP-inhibierenden Substanzen ist Dalcetrapib. Prof. Thomas F. Lüscher aus Zürich stellte auf dem Jahreskongress der ESC Ergebnisse der dal-VESSEL-Studie (clinical trials.gov NCT00655538) vor, welche die Auswirkungen des CETP-Modulators Dalcetrapib auf die Endothelfunktion, auf den Blutdruck und auf Lipidparameter bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) bzw. KHKRisikoäquivalenten untersuchte. In dieser doppelblind durchgeführten Studie wurden statinbehandelte Patienten zu 600 mg Dalcetrapib/ Tag versus Placebo randomisiert und über 36 Wochen behandelt.
Der primäre Endpunkt der Studie war die Veränderung eines Markers der Endothelfunktion, der Flow-mediated Dilatation (FMD), in der rechten A. brachialis nach 12 Wochen Behandlungsdauer. Hinsichtlich der Sicherheit war der primäre Endpunkt der über 24 Stunden gemessene Blutdruck in der 4. Behandlungswoche. Sekundäre Endpunkte waren Veränderungen der FMD nach 36 Wochen Behandlung, Änderungen des Blutdrucks nach 12 und 36 Wochen und Veränderungen des HDL-Cholesterins, des LDL-Cholesterins und der Triglyzeride.
Insgesamt wurden 476 Patienten randomisiert. Die FMD lag zu Studienbeginn bei 4,1 ± 2,2 % in der Placebo- und bei 3,98 ± 2,4 % in der Dalcetrapib-Gruppe; sie änderte sich über die 36 Studienwochen nicht signifikant. Nach 4 bzw. 36 Behandlungswochen nahm die CETP-Aktivität um 51 % bzw. 56 % ab (p < 0,001 versus Placebo); das HDL-Cholesterin stieg nach 12 bzw. 36 Behandlungswochen um 27 % bzw. 31 % (p < 0,001; von 39 ± 7 auf 49 ± 10 bzw. auf 51 ± 13 mg/dl). Die Triglyzeride sanken um 9 % bzw. 14 % (p < 0,005; von 162 ± 81 auf 151 ± 83 bzw. auf 149 ± 71 mg/dl); das LDL Cholesterin änderte sich nicht signifikant.
Der mittlere Blutdruck lag zu Studienbeginn bei 125 ± 12/74 ± 8 mmHg in der Placebo- Gruppe und bei 127 ± 11/75 ± 7 mmHg in der Dalcetrapib-Gruppe; auch er änderte sich nicht signifikant über 36 Wochen. Entzündungsmarker (wie CRP, IL-6, ICAM, oder VCAM), Marker von oxidativem Stress (MPO) und der Koagulationsbereitschaft (tPA, PAI-1) änderten sich ebenfalls nicht signifikant durch die Behandung mit Dalcetrapib. Die Inzidenz unerwünschter Ereignisse unterschied sich nicht sigifikant zwischen dem Placebo- und der Verumarm.
USAMMENFASSUNG: Dalectrapib steigert bei Patienten mit KHK bzw. KHK-Risikoäquivalent das HDL Cholesterin signifikant um etwa 30 %, ohne die FMD oder Biomarker der Entzündung, des oxidativen Stresses oder der Koagulationsneigung negativ zu beeinflussen. Allerdings konnte die Substanz diese Parameter auch nicht positiv beeinflussen. Das erscheint ernüchternd, vor allem wenn man sich vor Augen führt, dass die nachgewiesenermaßen atheroprotektiven Statine eine sehr deutliche Steigerung der FMD5 bewirken.
In Bezug auf die Sicherheitsdaten der dal- VESSEL-Studie muss bemerkt werden, dass die Studie nicht besonders groß und die Studiendauer kurz war; sie erlaubt also keineswegs eine Aussage hinsichtlich der Sicherheit der Substanz in Bezug auf klinische kardiovaskuläre Ereignisse. Die große laufende dal-OUT COMESStudie (clinical trials.gov NCT00658515) wird klären, ob Dalcetrapib trotz seines fehlenden Effektes auf die FMD kardiovaskuläre Ereignisse verhindern kann.
1 Saely C.H., Drexel H., Wien Med Wochenschr 2010; 160:25-29
2 Drexel H. et al., Atherosclerosis 2010; 208:484-489
3 Kontush A., Chapman M.J., Curr Opin Lipidol 2010; 21:312-318
4 Barter P.J. et al., New Engl J Med 2007; 357:2109-2122
5 Masoura C. et al., Atherosclerosis 2011; 214:129-138