Österreich gehört innerhalb der Europäischen Union erfreulicherweise zu den Ländern mit dem geringsten Verbrauch an Antibiotika, was sich auch in generell verhältnismäßig geringen Problemen mit multiresistenten Erregern widerspiegelt. Nichtsdestotrotz sind kontinuierliche Anstrengungen nötig, um diese derzeit günstigen Verhältnisse zu erhalten.
International zunehmende Probleme durch multiresistente Mikroorganismen haben zur Etablierung von Antibiotic-Stewardship-Programmen geführt; darunter versteht man Strategien und Maßnahmen zur Verbesserung eines rationalen Einsatzes von Antiinfektiva. Das Ziel dieser Intervention ist es, durch die richtige Auswahl, Dosierung und Anwendungsdauer von Antibiotika und anderen Antiinfektiva nicht nur das klinische Behandlungsergebnis von PatientIen mit Infektionserkrankungen zu verbessern, sondern zugleich der Selektion von resistenten Mikroorganismen entgegenzuwirken und nebenbei auch noch kosteneffektiv zu behandeln. Dem klinisch tätigen Infektiologen kommt in diesem Programm eine Schlüsselrolle zu, aber auch Mikrobiologen und klinische Pharmakologen leisten wertvolle Beiträge, wenngleich Letztere in Österreich unterrepräsentiert sind. Daneben spielen aber auch andere, auf den ersten Blick leicht zu übersehende Faktoren eine Rolle, wie beispielsweise das Pflegepersonal, die Verfügbarkeit von diagnostischen Schnelltests, die gesamte außerhalb der Krankenhäuser stattfindende Gesundheitsversorgung und vieles mehr.
Tatsächlich haben mittlerweile eine Vielzahl an Studien und auch einige Metaanalysen gezeigt, dass diese Strategien erfolgversprechend sind. Durch Antibiotic-Stewardship-Programme kann die Inzidenz von Infektionen und Kolonisation durch verschiedene Problemkeime signifikant gesenkt werden, wie beispielsweise durch ESBL (Extended-Spectrum-Betalaktamasen) bildende Enterobakterien und andere multiresistente gramnegative Erreger, MRSA (methicillinresistenter Staphylococcus aureus) und Clostridium difficile. Als Basismaßnahmen sind Infektionskontrollmaßnahmen, insbesondere eine konsequente Händehygiene, erforderlich.
Auch der Verbrauch von Antibiotika kann durch solche Programme um mehr als 25 % gesenkt werden, sogar noch um beträchtlich mehr im Bereich von Intensivstationen. Ebenso können die Behandlungs- und Hospitalisierungskosten (aufgrund kürzerer Aufenthaltsdauer) gesenkt werden. All dies geschieht laut Studien aber nicht auf Kosten der Patienten, da es trotz der Einsparungen zu keiner Verschlechterung des klinischen Outcomes kommt.
Ich möchte den zweiten Teil dieses Artikels nützen, um meine persönlichen Erfahrungen zum Antibiotic Stewardship an der Innsbrucker Universitätsklinik und meine Vorstellungen zu schildern. In Innsbruck existiert seit vielen Jahren ein infektiologischer Konsiliardienst, vor etwa 10 Jahren wurde hierfür seitens der Verwaltung eine eigene Stelle geschaffen, welche der Universitätsklinik für Innere Medizin II (Infektiologie, Pneumologie, Rheumatologie) zugeordnet ist. Die Anforderung des infektiologischen Konsiliardienstes erfolgt bislang telefonisch, in Zukunft soll am gesamten Klinikum das Konsiliarwesen auf elektronische Anforderungen umgestellt werden. Der Konsiliardienst steht wochentags zur Normaldienstzeit zur Verfügung und ist über eine eigene Telefonnummer erreichbar, sodass unabhängig von Einzelpersonen jederzeit qualifizierte Hilfe angefordert werden kann. Die telefonische Kontaktaufnahme hat im Vergleich zu einer rein elektronischen Anforderung aus meiner persönlichen Erfahrung heraus durchaus Vorteile. Eine unkomplizierte telefonische Auskunftsmöglichkeit ermöglicht, dass viele „Kleinigkeiten“ rasch per Telefon geklärt und unter Umständen schon zu Beginn einer antiinfektiven Therapie die Weichen richtig gestellt werden können und nicht erst ein Konsil angefordert wird, wenn eine komplexe infektiologische Fragestellung vor Ort selbst nicht mehr gelöst werden kann. Durch frühzeitige Hilfestellung kann eine sinnvolle Antibiotikaverschreibungspolitik unterstützt werden, und es können unnötige Kosten vermieden werden. Bei komplizierteren Fragestellungen erfolgt eine Visite der Patienten vor Ort auf den jeweiligen Stationen.
Interdisziplinärer Austausch: Neben infektiologischen Konsiliarvisiten finden in Innsbruck regelmäßig Fallbesprechungen statt, in welchen komplexere Problemfälle interdisziplinär mit Kollegen aus unterschiedlichen Fachrichtungen diskutiert werden können. Es kann eine wertvolle Hilfestellung darstellen, wenn im Team die Befunde von Patienten durchgesehen werden und oft Ärzte aus anderen Fächern (z. B. Mikrobiologie, Radiologie, Chirurgie, Dermatologie, Pädiatrie u. a.) neue Ideen zur weiteren Abklärung und/oder Therapie einbringen können. Generell ist ein funktionierendes Antibiotic-Stewardship-Programm auf gute interdisziplinäre Zusammenarbeit angewiesen. In Innsbruck besteht eine enge Kooperation der klinisch tätigen Infektiologen mit der Mikrobiologie und mit dem Team der Krankenhaushygiene. Mit Letzteren finden regelmäßige Besprechungen statt, in welchen beispielsweise Ausbruchssituationen durch spezielle Problemkeime und sonstige relevante Hygienethemen gemeinsam diskutiert werden können.
Andere Beiträge zu einer besseren Verschreibungspraxis bei Antiinfektiva sind regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen zu infektiologischen Themen sowie das „Innsbrucker Infektionsbüchlein“. Letzteres ist ein kleines Taschenbuch, welches u. a. anhand der lokalen Epidemiologie Therapievorschläge zur Antibiotikatherapie bei den häufigsten Infektionserkrankungen sowie zur korrekten Dosierung von Antiinfektiva bietet. Auf dieses Thema wird in dieser Ausgabe gesondert eingegangen (siehe Seite 32, Artikel von Bellmann-Weiler).
Grundsätzlich wurde in verschiedenen Arbeiten gezeigt, dass ein funktionierendes Antibiotic-Stewardship-Programm auch ökonomische Vorteile mit sich bringt: einerseits durch den gezielteren Einsatz von Antibiotika bzw. durch eine Reduktion der Verschreibungen, andererseits durch kürzere Verweildauer der stationären Patienten. Eine Koppelung der Ausgabe von bestimmten Reserveantibiotika bzw. teuren neueren Antiinfektiva an ein infektiologisches Konsil ist in Innsbruck im Gegensatz zu anderen Standorten bisher nicht etabliert. Dies wäre grundsätzlich aus meiner Sicht eine wirkungsvolle Steuerungsoption in Hinblick auf die Verschreibung von bestimmten Substanzen, würde aber bei sorgsamer Bearbeitung aller Anfragen für das gesamte Klinikum einen beträchtlichen Zeitaufwand bedeuten. Insofern wären hierfür wohl eigene Personalressourcen nötig, dennoch wäre zu erwarten, dass solch eine Maßnahme durch das doch beträchtliche Sparpotenzial kosteneffektiv wäre. Gerade bei Antimykotika ist der Kostenfaktor enorm, aber auch bei neuen Antibiotika sowie monoklonalen Antikörpern, die mittlerweile auch in der Infektiologie Einzug halten. Gegebenenfalls könnte eine infektiologische Stellungnahme vor der Medikamentenausgabe aber bei manchen Kollegen auch als Bevormundung empfunden werden, zumindest in der Anfangsphase. Letztlich ist aber meistens davon auszugehen, dass eine Unterstützung bei der Therapie von Infektionserkrankungen als wertvolle Hilfe für eine optimierte Patientenversorgung dankbar angenommen wird. Bei Lieferengpässen von bestimmten Substanzen (aktuelles Beispiel: Piperacillin/Tazobactam) hat sich ein derartiges Vorgehen in Innsbruck bisher durchaus bewährt.
Seit der Einführung des Facharztes für Infektiologie in Österreich im Jahre 2008 hat sich dieses Fachgebiet etabliert, Infektiologen spielen in Krankenhäusern eine Schlüsselrolle für funktionierende Antibiotic-Stewardship-Programme. Durch eine gezieltere Verschreibung von Antibiotika und anderen Antiinfektiva kann nicht nur das Auftreten von resistenten Mikroorganismen reduziert werden, auch das Behandlungsergebnis sowie die therapieassoziierten Kosten
können günstig beeinflusst werden.