Univ.-Prof. Dr. Markus Müller: Der OSR ist eine gesetzlich verankerte Kommission, die den Bundesminister für Gesundheit in wissenschaftlichen Angelegenheiten des Gesundheitswesens berät. Das Beratergremium kann Empfehlungen abgeben, aber auch Gutachten erstellen. Die Themensetzung geht dabei vom jeweiligen Bundesminister aus. Die unterschiedlichen Fragestellungen werden in der Vollversammlung oder – was häufiger der Fall ist – in Fachausschüssen oder kleineren Arbeitsgruppen bearbeitet. Der OSR ist in der Ausübung seiner Beratertätigkeit unabhängig, seine Entscheidungen haben Vorschlagcharakter und sind nicht bindend.
In der Regel wird der OSR vom Bundesminister für Gesundheit jeweils für die Dauer von 3 Jahren ernannt. Dass das Beratergremium nun erst im März 2021 mit über 1-jähriger Verzögerung neu konstituiert wurde, ist letztlich der politischen Situation in den vergangenen 3 Jahren geschuldet: Nach Ibiza-Affäre und Bruch der damaligen Regierungskoalition wurde eine Übergangsregierung gebildet. Diese „Beamtenregierung“ unterließ die Ende 2019 anstehende Neuernennung der OSR-Mitglieder, sie wollte keine Personalentscheidung treffen; und der damalige Bundesminister für Gesundheit, Rudolf Anschober, war nur wenige Wochen nach Amtsantritt mit der Corona-Pandemie konfrontiert.
Die Pandemie erforderte eine gezielte Beratung zu Corona – andere Themen traten zumindest vorübergehend in den Hintergrund. Daher betraute Anschober mich, als ehemaligen OSR-Präsidenten, gleich zu Beginn der Pandemie mit der Gründung des COVID-Beraterstabs. Der anfänglich aus sechs Experten bestehende Beraterstab wurde zunehmend größer und begleitete die Regierung über die gesamte schwierige Zeit der COVID-19-Pandemie. Ich selbst war bis August 2020 Teil des wissenschaftlichen Beirates. Kürzlich wurde der COVID-19-Beirat als Fachausschuss des neukonstituierten OSR eingerichtet. So hat letztlich alles wieder seine Ordnung.
Die Vollversammlung des OSR umfasst 35 Mitglieder (Tab.), ich selbst wurde wieder zum Präsidenten gewählt. Bei der Ernennung der Mitglieder wurde auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern, zwischen den neun Bundesländern und den unterschiedlichen medizinischen Fachdisziplinen geachtet. Da in der Vollversammlung nicht alle medizinischen Fächer vertreten sein können – das Gremium wäre sonst einfach zu groß –, gibt es den Fachausschuss Sonderfächer. Die in diesem Ausschuss vertretenen Experten kleinerer Fächer, wie z. B. Augenheilkunde oder Urologie, können bei Bedarf hinzugezogen werden. Neben Ärzten sind auch Vertreter der Pflegeberufe, der medizinisch-technischen Dienste, der Hebammen sowie der Patienten Teil des OSR.
Als Präsident fungiere ich als Sprecher des Beratergremiums nach außen. Das betrifft einerseits Auftritte bei Pressekonferenzen, wie sie im Lauf der COVID-19-Pandemie regelmäßig abgehalten wurden. Andererseits werde ich bei Bedarf als Auskunftsperson in den parlamentarischen Gesundheitsausschuss geladen, wo alle Gesetze, Anträge und Berichte, die sich auf Gesundheit und Krankheit beziehen, behandelt werden.
Nach einer längeren Pause, in der sich alles um COVID-19 in den verschiedensten Schattierungen drehte, sollen im OSR Themen bearbeitet werden, die Österreichs Gesundheitswesen auch nach der Pandemie beschäftigen, z. B. E-Health, Kindergesundheit in Verbindung mit Frauengesundheit und Mutter-Kind-Pass, Pflege, Arbeitszeitgesetz sowie Prävention und chronische Erkrankungen. Diese Themen stammen noch vom Kabinett Anschober. Inwieweit der amtierende Bundesminister für Gesundheit, Wolfgang Mückstein, diese Agenda weiterverfolgt oder eigene neue Schwerpunkte setzt, wird sich in der nächsten OSR-Sitzung im Herbst zeigen. Der rasche Wechsel im Gesundheitsressort – 7 Gesundheitsminister in 6 Jahren – erschwerte die konsequente Verfolgung von Themen und Zielen in der Vergangenheit sicherlich.