Weltweit leiden 285 Millionen Menschen an Diabetes mellitus Typ 2 (T2D) – die Tendenz ist global steigend (Sicree et al., 2009). Obwohl Männer im mittleren Lebensalter generell ein höheres Risiko haben, an T2D zu erkranken (Rathmann et al., 2009), zeigt sich selbst bei jungen Frauen eine erhöhte Mortalität, sobald sie an T2D erkrankt sind. So steigt beispielsweise das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen mit T2D um das Doppelte im Vergleich zu männlichen Erkrankten.
Risikofaktoren für Diabetes zeigen ebenso Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Beispielsweise ist der Zusammenhang zwischen der Ausprägung einer Adipositas und der Entwicklung eines T2D bei Frauen stärker als bei Männern, andererseits erfolgt bei Männern bereits bei niedrigerem BMI die Diagnose eines Diabetes. Auch bei der Diagnose des metabolischen Syndroms ist auf geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf Bauchumfang und HDL-Cholesterin zu achten. Männer haben eine ausgeprägtere Insulinresistenz als Frauen und mehr viszerales und Leberfett. Postmenopausal verschlechtert sich bei Frauen der Glukose- und Lipidstoffwechsel aber stärker als bei gleichaltrigen Männern (Kautzky-Willer et al., 2012).
Die Anamnese sollte bei Frauen immer Fragen nach vorangegangenen Komplikationen in der Schwangerschaft wie Gestationsdiabetes (GDM), Schwangerschaftshypertonie oder Präeklampsie, dem Geburtsgewicht des Kindes und Zyklusunregelmäßigkeiten zur Abklärung eines polyzystischen Ovarsyndroms beinhalten, da diese mit dem Diabetes- sowie dem KHK-Risiko in Zusammenhang stehen können.
Diagnose: Besteht ein Diabetes-Verdacht, muss bei der Diagnose berücksichtigt werden, dass Männer häufiger eine gestörte Nüchternglukose (Impaired Fasting Glucose = IFG), Frauen aber häufiger eine postprandiale Glukosestörung (Impaired Glucose Tolerance = IGT) aufzeigen. Letztere kann anhand eines oralen Glukosetoleranztests (oGTT) festgestellt werden. Die Durchführung eines oGTTs ist deshalb sinnvoll, da Frauen bei Feststellung einer IFG meist schon seit längerer Zeit an einer IGT leiden und die Glukosestörung bei ihnen oft schon weiter fortgeschritten ist. Die genaue Ursache diesbezüglich ist noch nicht geklärt. Möglicherweise sind die unterschiedliche Körpergröße und die Tatsache, dass Glukose bei Frauen länger im Darm verbleibt als bei Männern (Anderwald et al., 2011) ein Erklärungsansatz.
Therapie: Unterschiede zeigen sich auch bei der Therapie von Stoffwechselerkrankungen. Unsere Untersuchungen konnten so wie andere größere Datensätze zeigen, dass Diabetikerinnen seltener die empfohlenen Zielwerte für LDL, HbA1c und Blutdruck erreichen als Diabetiker (Göbl et al., 2010; Kautzky-Willer et al., 2010).
Die Komorbiditäten T2D betreffend sind ebenfalls geschlechtsspezifisch zu betrachten. Diabetiker entwickeln häufiger und früher eine Nephropathie und Neuropathie, Diabetikerinnen häufiger psychische Erkrankungen, insbesondere Depressionen. DiabetikerInnen, welche zusätzlich an einer Depression erkrankt sind, haben ein stark erhöhtes Mortalitätsrisiko (Egede et al., 2005). Rezente Studien zeigen außerdem, dass T2D mit der Entwicklung von Krebserkrankungen einhergeht (Clayton et al., 2010), wobei ebenfalls geschlechtsspezifische Unterschiede bestehen.
Pränatale Programmierung: Um sowohl für T2D als auch für T1D ein geschlechteroptimiertes Diabetesmanagement auf allen medizinischen Ebenen sicher zu stellen, sind trotz des bereits vorhandenen Wissens, noch viele Fragen zu klären. Unter anderem ist die pränatale Programmierung in Anbetracht der zunehmenden Prävalenz der an GDM erkrankten Personen (Getahun et al., 2008) von größtem Interesse.
FACT-BOX
Metabolische Erkrankungen erfordern immer einen gendermedizinischen Zugang, da gerade bei diesen das biologische und das soziale Geschlecht in sehr enger Wechselwirkung stehen. Folgende Punkte sind bei T2D besonders zu berücksichtigen: