Man muss mit den Zeichen der Zeit gehen!“ So beschreibt Dr. Lothar Fiedler, Obmann der Fachgruppe Innere Medizin in der Österreichischen Ärztekammer seine persönliche Einstellung zu ELGA und allen Auswirkungen der Telematik auf die Arbeit der Ärzte. Er versteht die Ängste von Ärztekollegen, dass ELGA sie überrollen und vor zusätzliche Belastungen stellen könnte. Andererseits: „Auch vor Einführung der E-card gab es jahrlange Debatten und viel Besorgnis.“ Die Ecard ist heute ein nützliches Instrument, das von Ärzten wie Patienten gut angenommen und genützt wird.
„Ich hatte nie Angst vor dem Datenwissen der Kassen“, fasst Fiedler seine Haltung zur Datensammlung in ELGA zusammen, „schließlich gibt es nichts zu verbergen.“ Seitens der Kassen würden bei elektronischen Auswertungen sehr wohl immer wieder statistische Aufgliederungen gemacht und danach über „abweichendes Verhalten“ von Ärzten argumentiert. „Man nennt das dann Überarztung“, ärgert sich Fiedler. Besonders viele Untersuchungen, besonders viele Verschreibungen usw. würden kritisiert, ohne dass ein komplexes Umfeld berücksichtigt wird. Vorschnelle Kritik an den Ärzten, so Fiedler, sei hier „oft ungerecht“. Dagegen werden die Ärztevertreter ihren Kollegen den Rücken stärken. Ein „Zuviel“ könne nicht a priori angenommen werden. Vielmehr könne die Frage nur sein, ob die Ärztin oder der Arzt zum Wohle der jeweiligen Patienten gehandelt haben. Völlig unauffällig im Sinne der Statistik bleibt man als Facharzt für Innere Medizin dann, wenn man sich – salopp ausgedrückt – „auf EKG, Kugelschreiber und Rezeptblock beschränkt“. Werden weiterführende Untersuchungen aus ärztlicher Verantwortung veranlasst, ist Überversorgung nicht gegeben. Tut der eine oder andere Arzt tatsächlich des Guten zu viel, ist im Sinne der Qualitätssicherung ein klärendes Gespräch darüber gerechtfertigt.
Fiedler erinnert, dass die Ängste vor Einführung der E-card ähnlich waren wie heute vor ELGA. Die Datenschützer wollten maximalen Schutz – und nahmen auch die Möglichkeit wahr, ihren eigenen Stand zu profilieren. Arbeiterkammer und ÖGB warnten im Interesse der Patienten, dass Dienstgeber über die E-card zu persönlichen Gesundheitsdaten ihrer Beschäftigten Zugang bekommen könnten. Die Wirtschaftskammervertreter wären wohl nach wie vor an einem solchen Überblick interessiert, meint Fiedler. Wer Daten wirklich will, bekommt immer seine Information, hält Fiedler den ELGA-Ängsten entgegen. So haben manche Firmen ihren Beschäftigten Lebensversicherungen angeboten. Dafür braucht es eine vorhergehende ärztliche Untersuchung, diese Unterlagen müssen dann dem Betriebsarzt vorgelegt werden.
Dass es die E-card gibt, ist für Fiedler positiv, dass sie allerdings so wenig wirklich wichtige Information enthält, hält er für mehr als bedauerlich. Den Ärzten würden obligat folgende Daten genügen, zählt er auf: Stammdaten, Allergien, Impfstatus, Blutgruppe, essenziell wichtige Erkrankungen, aktuelle Arzt- oder Krankenhauskontakte, Medikamentenunverträglichkeiten und vor allem die Medikation. So wäre für den Arzt eine rasche Orientierung möglich.
„Rascher und unbürokratischer Zugriff“
Zur aktuellen ELGA-Debatte meint Fiedler: „Wir brauchen raschen und unbürokratischen Zugriff auf alle wesentlichen Daten.“ Alles andere wäre kein echter Fortschritt im Vergleich zur gegenwärtigen Situation. Bekommen die Patienten die Möglichkeiten zum teilweisen Opt-out, wäre man als Arzt nie sicher, alle wichtigen Daten zur Verfügung zu haben. „Das wäre genau wie jetzt. Wir wissen auch nicht, ob uns die Patienten alles erzählen.“ Trotz positiver Grundeinstellung zu ELGA will Fiedler aber gewahrt sehen, dass die Ärzte dadurch nicht mit zusätzlicher Arbeit überhäuft werden. „Der Zeitdruck, der auf den Ärzten lastet, ist schon jetzt nicht mehr tolerabel.“ Er denkt dabei auch an die Kollegen, die in den Spitälern tätig sind. Die Ärzte werden mit ELGA noch viel mehr Vorbefunde studieren müssen als jetzt. Denn die Haftungsfragen, die damit verbunden sind, wenn Ärzte eine Information nicht berücksichtigen, sind gravierend: „Das ist etwas, was den Ärzten begründet Angst macht!“ ELGA müsse daher intelligent und simpel aufgebaut sein und alle wirklich essenziellen Daten müssten einfach „rot aufleuchten“, verlangt Fiedler. In der jetzigen Fassung werde extrem bürokratisch gewerkt: „Ich denke, die Ärzte müssen bald mehr als nur aufschreien. Der Gesetzgeber bringt ja keine wirklichen Reformen zustande, teilweise lacht die Republik.“ Wird bei den Haftungsfragen nicht abgefedert, warnt Fiedler, könnte eintreten, dass manche Ärztinnen und Ärzte sich scheuen werden, medizinisch heikle Fälle überhaupt zu übernehmen.