Nicht nur in Massenmedien sind in regelmäßigen Abständen Statistiken zur mangelhaften Behandlung bestimmter Erkrankungen zu finden, sondern auch Fachzeitschriften veröffentlichen diesbezüglich immer wieder Berichte, wonach bestimmte Patientengruppen effizienter therapiert werden müssten, was Dr. Lothar Fiedler, Obmann der Fachgruppe Innere Medizin in der Österreichischen Ärztekammer, als „versteckte Vorwürfe“ an die behandelnden – in der Regel niedergelassenen – Ärzte versteht. Als Beispiele für vorrangig davon betroffene Krankheitsbilder nennt Fiedler Diabetes, Hypertonie und Adipositas, welche die Betroffenen meist subjektiv nicht beeinträchtigen, jedoch mit einem hohen Risiko für schwerwiegende Folgeerkrankungen behaftet sind. Gleiches gelte für das Rauchen bzw. die Nikotinentwöhnung.
Als Ursache für die mangelhafte Therapie ortet Fiedler einerseits eine geringe Gesundheitskompetenz der österreichischen Bevölkerung, die auch im Rahmen einer EU-weiten Studie festgestellt wurde. Andererseits beobachtet er – auch in der eigenen Praxis – eine zu geringe Eigenverantwortlichkeit vieler Patienten, die sie dazu motivieren sollte, ihre Gesundheitsziele tatsächlich zu erreichen und die dafür notwendigen Maßnahmen zu ergreifen; die Folgen für die individuelle Gesundheit und die sozioökonomischen Folgen liegen auf der Hand.
Dass es zu den Aufgaben des behandelnden Arztes zählt, die Patienten über ihre Erkrankung bzw. ihr Risiko zu informieren und die in der Regel langfristige Therapie zu begleiten, ist für Fiedler selbstverständlich. „Es gibt aber einen nicht unerheblichen Anteil an Patienten, die kein ausreichendes Bewusstsein für ihr Risiko entwickeln, dementsprechend eine sehr geringe Therapietreue aufweisen und in der Folge das Gesundheitssystem und das Budget belasten. Hier mangelt es an der Unterstützung der Gesundheitspolitik, der National-Health-Systeme – und nicht an der Aufmerksamkeit und Betreuung durch die behandelnden Ärzte“, betont Fiedler.
Möglichen Handlungsspielraum sieht Fiedler gleich an mehreren Stellen: „Eine basal zu fordernde Maßnahme ist die laufende Information darüber, was die Patienten selbst zu ihrer Gesundheit beitragen können und sollen. Dies kann mit Unterstützung der Medien geschehen, sollte aber auch bereits präventiv in einem sehr frühen Alter in der Schule beginnen – etwa durch eine intensive Einbindung der Schulärzte sowie regelmäßige altersgemäße Informationsprojekte zu Gesundheitsfragen in Zusammenarbeit mit eingeladenen Referenten. Leider werden die Belange des Schularztsystems aus Kostengründen aktuell immer weiter beschnitten und damit dieser wichtige Faktor der Prävention vernachlässigt. Das Gleiche gilt für die Schulturnstunden, die dringend wieder erhöht werden sollten.“
Natürlich gelte es gleichzeitig, das entsprechende gesundheitspolitische Umfeld für die Umsetzung von Gesundheitszielen zu schaffen. „Ein Schritt in die richtige Richtung ist das Rauchverbot an öffentlichen Orten und in Lokalen; der Anteil der erwachsenen Raucher ist bereits rückläufig, bei den Jugendlichen sind diesbezüglich noch weitere Anstrengungen nötig. Allerdings sollte die Einflussnahme der Politik noch weitergehen, denkbar ist z. B. eine entsprechende Aufforderung an die Patienten, die abhängig von der Compliance einen Benefit oder aber Sanktionen in Aussicht stellt.“ Einen ersten Ansatz in diese Richtung verfolge die SVA, die das Erreichen von Gesundheitszielen mit einer Verringerung des Selbstbehaltes belohnt. Ein weiterer Ausbau dieser Idee sei wünschenswert, um zumindest für die nächsten Generationen einen besseren Gesundheitszustand zu erreichen und künftig sowohl das individuelle Leid als auch volkswirtschaftliche Schäden aufgrund von Invalidität und Arbeitsunfähigkeit zu minimieren, wie Fiedler betont.