Am 21. 9. 2009 erfolgte die Zuweisung der Patientin RA, geboren am 25. 6. 1962, aufgrund einer seit zwei Tagen akut auftretenden rechtsseitigen „Crurofemoralgie“ mit Dysästhesien und Kribbelparästhesien im ventralen Oberschenkel an die neurochirurgische Abteilung des Klinikums Klagenfurt. Das MRT der Lendenwirbelsäule (LWS) zeigte keinen pathologischen Befund. Die Patientin bleibt vom 22.–25. 9. 2009 stationär auf der neurologischen Abteilung. Es wurde hier die klinische Diagnose Diskusprolaps L3 rechts gestellt: Die Therapie erfolgte mit Pantoprazol 40 mg, Diclofenac 100 mg 1-0-1, Tizanidin 6 mg 1 Tbl. abends. Differenzialdiagnostisch wurde eine Kompression des Nervus obturatorius in Betracht gezogen. Es wurde zusätzlich ein MRT des Beckens angeordnet. Hier zeigte sich kein pathologischer Befund. Die Entzündungsparameter lagen im Normbereich. Am 24. 9. 2009 wurde während des stationären Aufenthaltes eine CT-gezielte Nervenwurzelblockade L3 durchgeführt, die nur eine kurze Schmerzlinderung bewirkte.
Es erfolgte auch eine konsiliarmäßige Vorstellung auf der Orthopädie mit der Diagnose „anterior knee pain“ rechts, Diskusprolaps L3 rechts, nachdem die Patientin zwei Monate zuvor am rechten Oberschenkel einen Zeckenbiss (Rötung in der Mitte, keine Abblassung, jedoch keine größer werdende Rötung) erlitt. Die Beschwerden waren auch nicht direkt nächtlich betont. Es wurde daher zum Ausschluss einer Borreliose eine Liquorpunktion durchgeführt, die nur ein erhöhtes Protein zeigte.
Bis zu diesem Zeitpunkt halfen die Schmerzmedikamente, inklusive der Opioide, nicht.
Neurologischer Befund: Untere Extremität Hyperpathie distales Drittel Oberschenkel rechts, Reflexe bds. auslösbar, Babinsky bds. negativ, keine eindeutigen Paresen. Borrelieninfektion wurde ausgeschlossen.
Elektrophysiologischer Bericht: Am 8. 10. 2009 hieß es in der Beurteilung: kein Hinweis auf eine akute axonale Läsion bei Untersuchung obiger Muskeln (Vastus lateralis und Rectus femoris rechts) und mittels F-Welle auch kein Hinweis auf das Vorliegen einer S1-Läsion bds.
Die 2. stationäre Aufnahme erfolgte vom 6.–14. 10. 2009 an der Neurologischen Abteilung. Diagnose: Diskusprolaps L3 rechts. Therapie: Tizanidin 6 mg abends, Gabapentin 100 mg morgens, 300 mg abends, Diclofenac 100 mg 1-0-1, Pantoprazol 40 mg, Hydromorphon-Kapseln 1,3 mg bei Bedarf. Der Grund der Aufnahme waren weiterhin starke Schmerzen bei Diskusprolaps L3. Es wurde eine weitere CT-gezielte Nervenblockade durchgeführt, wobei sich die Schmerzen kurzfristig deutlich besserten.
Am 20. 8. 2010 und damit ein Jahr später erfolgte eine Vorstellung der Patientin an der Interdisziplinären Schmerzambulanz im Klinikum Klagenfurt. Bei der klinischen Untersuchung zeigten sich ausgeprägte Allodynie und Hyperalgesie im Bereich des rechten Oberschenkels ventral und medial, im Bereich der Patella rechts bis auf Höhe der Tuberositas tibiae. Der VAS-Score wird mit 8 auf der 10-teiligen Schmerzskala (0 = kein Schmerz; 10 = unerträglicher Schmerz) angegeben. Weiters gibt die Patientin brennende Schmerzen, zunehmend in den Abendstunden, an. Prämedikation: Pregabalin 75-25-75 mg sowie Tramadol 2 x 20 Tropfen (20 Tropfen = 50 mg).
Therapieempfehlung: Pregabalin 75-25-75 mg, Beginn mit Amitriptylin 10 mg, bei guter Verträglichkeit Steigerung auf 20 mg, Tramal retard 300 mg um 16.00 Uhr abends, Lidocain-Pflaster lokal, bei Schmerzspitzen Tramadol 3 x 20 Tropfen.
Ein vorliegender EMG-Befund von einem niedergelassenen Neurologen zeigt folgende Diagnose: Femoralisneuralgie und Läsion mit beginnender Atrophie rechts, unklare Ätiologie.
Es erfolgte die stationäre Aufnahme an der Abteilung für Interdisziplinäre Schmerztherapie, Onkologie und Palliativmedizin (ZISOP). Es wurde zuerst eine Lidocain-Austestung mit 3 mg/kg/h durchgeführt, die keinen Erfolg brachte. Die Schmerzen (VAS 5) traten in Ruhe, bei Belastung bzw. in den Abendstunden auf (VAS 8). Vor Anlage des Femoraliskatheter weiterhin massive Allodynie über den rechten Oberschenkel hinaus. Weiters wurde ein Femoraliskatheter angelegt. Der Femoraliskatheter wurde mit 0,2%igem Ropivacain, Flussrate 8 ml/h, bestückt. Die Patientin hatte Parästhesien und war sturzgefährdet, weswegen die Konzentration auf 0,1%iges Ropivacain reduziert wurde. Die Schmerzen betrugen in der Folge bei Belastung und Ruhe zwischen 2 und 3 VAS. Wurde das Lokalanästhetikum gestoppt, stieg der Schmerz wieder in Ruhe auf 5 VAS an und in den Abendstunden teilweise auf 7. Des Weiteren trat wieder die massive Allodynie im Oberschenkel und Kniebereich rechts auf.
Die orale Therapie erfolgte mit Tramal® retard 300 mg, Tramal® 20 Tropfen bei Schmerzattacken und Pregabalin 75-25-75 mg. Es wurde daraufhin die Therapie mit Capsaicin 8%ig vorgeschlagen (Abb. 1).
Es erfolgte eine quantitativ sensorische Testung (QST). Hier zeigte sich die Kälte- und Hitzeempfindlichkeitsschwelle im Bereich des rechten Oberschenkels außerhalb der Norm, d. h. die Kälteempfindungsschwelle war deutlich herabgesetzt bei 0 und die Hitzeempfindungsschwelle bei 49,4 °, d. h. die Empfindung gegenüber Hitze und Kälte war geringer. Am ersten Tag nach der Qutenza®-Therapie betrug der Schmerzwert noch 7 VAS, die Allodynie war gleichbleibend. Am Tag 9 lag der Schmerz in Ruhe und bei Belastung bei 3.
Nach 1-monatiger Therapiekontrolle mit Capsaicin-Pflaster 8%ig lag der momentane Schmerz bei 4, der Durchschnittsschmerz in diesen 14 Tagen in Ruhe bei 2–3. Die Allodynie war deutlich rückgängig im Kniebereich (Abb. 2).
Kontrolltermine: Bei der Kontrolle nach 2 Monaten am 19. 11. 2010 lag die Schmerzstärke bei 3, der geringste Schmerz bei 2. Durch die Behandlung mit Capsaicin 8%ig konnte für die Patientin eine 40%ige Schmerzlinderung erzielt werden. Die Patientin ist mit der aktuellen Situation sehr zufrieden, es ist eine deutliche Besserung der Lebensqualität eingetreten.
Die letzte Kontrolle nach 3 Monaten am 20. 12. 2010 erbrachte eine Schmerzstärke von 3–4, die geringste Schmerzstärke in den letzten 14 Tagen lag bei 2–3. Die Allodynie-Zone ist deutlich kleiner geworden. Die aktuelle Medikation erfolgte mit Pregabalin 2 x 75 mg, Tramal® retard wurde abgesetzt.
Eine 2. Auswertung zeigte, dass mit Capsaicin 8%ig die Allodynie und Hyperallergiezone um weitere 50 % reduziert werden konnte. Die Patientin arbeitet wieder, ist zufrieden. Pregabalin wurde abgesetzt.