Blutdrucksenker, die am Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) ansetzen, haben sich gerade bei Diabetespatienten als effektive Option zur Reduktion von Endorganschäden erwiesen. So verlangsamen ACE-Hemmer (Micro-HOPE; REIN) und Angiotensinrezeptorblocker (RENAAL, IDNT, LIFE) bei Diabetikern nachweislich die Progression der Nephropathie und reduzieren die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität (Paulis L., Unger T., Nat Rev Cardiol 2010).
Mit der direkten Renin-Hemmung (Aliskiren) wurde ein weiteres Prinzip in die Blutdrucktherapie eingeführt, das die RAAS-Kaskade an ihrem Startpunkt inhibiert und damit potenziell synergistisch zu ACE-Hemmern und ARB wirkt. Tatsächlich ergab die AVOID-Studie, in der eine duale RAAS-Blockade (Aliskiren plus Losartan) mit einer optimierten ARB-Therapie (Losartan) verglichen wurde, bei vergleichbarer Blutdrucksenkung eine Verbesserung der Albumin-Kreatinin-Ratio um 18% (Parving H. H. et al., New Engl J Med 2008). AVOID bestätigte damit ältere Ergebnisse etwa aus der CALM-Studie, in der für die duale RAAS-Hemmung mit Candesartan plus Lisinopril ein ähnlicher Benefit demonstriert werden konnte (Mogensen C. E. et al., BMJ 2000).
Dass die Kombination mehrerer RAAS-aktiver Substanzen zumindest bei einigen Patienten auch mit Risiken verbunden sein kann, zeigt die ONTARGET-Studie, in der die
Kombination aus Ramipril und Telmisartan gegenüber der jeweiligen Monotherapie zwar zu einer Reduktion der Proteinurie führte, aber gleichzeitig mit einer signifikanten Erhöhung des Risikos für schwerwiegende renale Komplikationen (Keratininverdoppelung, Dialysepflichtigkeit oder Tod) assoziiert war (Mann J. F. et al., Lancet 2008).
Im Dezember 2011 verlautbarte Novartis als Lizenzinhaber von Aliskiren, dass die ALTITUDE-Studie (NCT00549757) vorzeitig abgebrochen werden musste. In die kontrollierte klinische Phase-III-Studie waren 8.606 Patienten mit Typ-2-Diabetes und persistenter Albuminurie oder kardiovaskulärer Vorerkrankung sowie einer glomerulären Filtrationsrate von 30-60 ml/min/1,73 m2 inkludiert worden. Die Patienten wurden randomisiert mit Aliskiren versus Placebo zur Therapie mit einem ACE-Hemmer oder ARB behandelt. Die geplante Follow-up-Zeit betrug 48 Monate. Primäres Studienziel war die Zeit bis zum Auftreten des kombinierten Endpunktes aus unter anderem kardiovaskulärem Tod, nicht-fatalem Herzinfarkt/Insult, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz sowie terminaler Nierenerkrankung oder renalem Tod (Parving H. H., Nephrol Dial Transplant 2009).
Der Abbruch der klinischen Phase-III-Studie erfolgte auf Empfehlung des unabhängigen Data Monitoring Committee, nachdem eine Zwischenauswertung nach 18-24 Monaten für die duale RAAS-Hemmung keinen klinischen Benefit, aber eine Häufung von nicht-fatalen Schlaganfällen, renalen Komplikationen, Hyperkaliämie sowie Hypotension ergeben hatte. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat daraufhin eine Überprüfung des Nutzen-Risiko-Profils von Aliskiren-hältigen Arzneimitteln (In Österreich: Rasilez®, Rasilez® HCT, Rasilamlo ®) angeordnet und empfiehlt bis zum Vorliegen weiterer Informationen, Aliskiren bei Diabetespatienten nicht in Kombination mit einem ACE-Hemmer oder ARB zu verabreichen und entsprechende Behandlungen gegebenenfalls zu modifizieren.
Der Einsatz von ACE-Inhibitoren (ACEI) und Angiotensinrezeptorblockern (ARB) hat sich nicht nur als ausgezeichnet antihypertensiv wirksam, sondern auch als organprotektiv an Herz, Gefäßen, Nieren und Gehirn herausgestellt. In Endpunktstudien konnten bei Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit und Nephropathie sowohl die Progression wie auch die Langzeitprognose der Patienten verbessert werden. Zusätzliche günstige Effekte auf den Glukosestoffwechsel und das Vorhofflimmern hat diese Therapieform weiter beflügelt. Die medikamentöse Blockade des RAAS beeinflusst auch Surrogatparameter wie natriuretische Peptide, Linksventrikelhypertrophie, renale Hämodynamik und Proteinurie günstig.
Durch den Einsatz einer Kombinationstherapie mit ACEI plus ARB oder zuletzt dem
Renininhibitor Aliskiren wurden noch bessere Langzeitergebnisse erwartet. Bisher war gezeigt worden, dass bei Patienten mir Herzinsuffizienz und reduzierter Linksventrikelfunktion sowie bei Proteinurie unter dualer Therapie teilweise ein günstigerer Effekt zu erzielen ist. Die weit gesteckten Erwartungen zur breit einsetzbaren dualen RAAS-Hemmung wurden zuletzt jedoch deutlich gedämpft: Im Dezember des vergangenen Jahres wurde die ALTITUDE-Studie abgebrochen, die den Effekt einer zusätzlichen Gabe von Aliskiren zu einer bereits etablierten ACEI- oder ARB-Therapie untersuchte. Unter dieser Kombination traten jedoch vermehrt Schlaganfälle, eine Verschlechterung der Nierenfunktion, Hyperkaliämien und/oder Hypotonie auf.
Genaue Analysen der ALTITUDE-Daten liegen derzeit noch nicht vor. Die Ergebnisse zur Kombination, soweit bisher bekannt, gleichen allerdings sehr den Resultaten der ONTARGET-Studie, in der bei mehr als 8.000 Patienten die Kombination des ACE-Hemmers Ramipril plus dem ARB Telmisartan mit der jeweiligen Monotherapie verglichen wurde. Dabei fand sich in der Gruppe mit der Kombination kein zusätzlich günstiger Effekt im Vergleich zur Monotherapie, jedoch traten vermehrt Hypotonien, Synkopen, Nierenfunktionsverschlechterungen und Hyperkaliämien auf.
Bei meist nur kurz dauernden Studien zur
Beeinflussung von Surrogatparametern unter dualer RAAS-Hemmung war diese häufig
der Monotherapie überlegen. Über die Ursachen, warum bei dualer Langzeittherapie jedoch die beschriebenen schwerwiegenden Nebenwirkungen vermehrt auftreten, kann nur spekuliert werden. Vermutlich potenziert die duale Blockade des Systems an zwei Angriffsorten die Wirkung so stark, dass die unter ACEI-und ARB-Therapie bekannten Nebenwirkungen häufiger auftreten. Dazu kommt, dass das RAAS physiologisch eine besonders wichtige Funktion in der Flüssigkeits- und Elektrolythomöostase hat und den Hydrierungszustand, Blutdruck, Elektrolythaushalt, aber auch die Harnproduktion und renale Durchblutung regelt. Bei der Therapie mit zwei RAAS-hemmenden Medikamenten wird vermutlich diese physiologische Funktion zu stark gehemmt.
Die vorliegenden Daten bestätigen den günstigen Effekt der RAAS-Blockade mit einer Substanz. Darunter kommt es offensichtlich bei den meisten Indikationen zu einer ausreichenden Organprotektion mit einem akzeptablen Nebenwirkungsprofil. RAAS-Hemmer behalten damit weiter ihren wichtigen therapeutischen Stellenwert. Eine Kombination bleibt nach derzeitigem Studienwissen allerdings speziellen Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Linksventrikelfunktion sowie bei Proteinurie, die unter
Monotherapie nicht ausreichend gesenkt werden kann, vorbehalten. Aber auch bei
diesen Patienten muss zukünftig die Therapie noch genauer hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen monitiert werden.