Endokrine Arthropathien

Schnittpunkte zwischen Diabetes mellitus und rheumatischen Erkrankungen gibt es unter anderem durch die systemische Inflammation und glykämische Effekte von Kortikosteroiden. Aber gibt es auch rheumatologische Veränderungen bei Stoffwechselerkrankungen?

 

Endokrine Arthropathien sind schmerzhafte Erkrankungen des Muskel- oder Gelenkapparates, die primär keiner rheumatologischen Grunderkrankung zugeordnet werden können, sondern in Assoziation zu verschiedenen endokrinologischen Störungen stehen. Die größte Gruppe stellen  Veränderungen bei einem zugrunde liegenden Diabetes mellitus dar, welche nun im Folgenden beschrieben werden.

Diabetische neurogene Osteoarthropathie (Charcot-Fuß)

Das Krankheitsbild der diabetischen neurogenen Osteoarthropathie (DNOP) stellt eine der wichtigsten differenzialdiagnostischen Veränderungen im Rahmen von Knochen- und Gelenkdestruktionen auf entzündlich-metabolischer Ebene dar. Pathogenetisch relevant ist eine Störung in der Zirkulation und Nutrition der betroffenen Knochen sowie das Vorliegen einer peripheren diabetischen Polyneuropathie, die zum Verlust der Schmerzempfindung und der protektiven neuromuskulären Reflexe führt. Dadurch ist das Gelenk Verletzungen, einschließlich Dehnungen des Bandapparates und knöchernen Frakturen, ausgesetzt, welche die Fußintegrität zerstören und Fußfehlstellungen zur Folge haben. Das schmerzhafte Endstadium ist der so genannte Charcot-Fuß, mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Ulzerationen (> Abb. 1a).

Klinik und Diagnose: In den meisten Fällen (80 %) imponiert eine Monarthritis, wobei am häufigsten die Tarsal- und Tarsometatarsalgelenke betroffen sind. Zu Beginn zeigt sich eine Schwellung, Rötung und Überwärmung der Haut des betroffenen Fußabschnittes, wobei diffuse Schmerzen – trotz zugrunde liegender Polyneuropathie – das Leitsymptom ohne Hautläsion darstellen. Ursache der oft akut einschießenden Schmerzen können intraartikuläre Frakturen von Osteophyten sein. Andererseits kann sich der Charcot- Fuß auch erstmals durch eine plötzliche, frakturbedingte Veränderung mit einer Fußdeformation durch das eingesunkene Längsgewölbe demaskieren (> Abb. 1b). Obwohl im Rahmen der diabetischen Makroangiopathie sehr häufig eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) zu finden ist, steht sie nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Entwicklung des Charcot-Fußes, denn die wichtigste Rolle spielt hier die diabetische Neuropathie. Die Diagnose basiert auf den klinischen und charakteristischen radiologischen Veränderungen mit ossären Deformationen, Osteolysen sowie Luxationen. Eine ergänzende Magnetresonanztomographie (MRT) sowie die Durchführung einer Knochenszintigraphie mit Indium-111-markierten Leukozyten ermöglichen die differenzialdiagnostische Abklärung einer Osteomyelitis.

Therapie: Die wichtigsten Maßnahmen sind Druckentlastung und Gelenkstabilisierung sowie Schmerztherapie und Antibiose bei nachgewiesener Osteomyelitis. Das nicht betroffene Bein ist vor Überbelastung zu schützen, um die Entwicklung eines beidseitigen Charcot-Fußes zu vermeiden. Nach Abklingen der akuten Symptomatik sind orthopädische Maßschuhe mit hohem Schaft und Weichbettungseinlagen empfehlenswert. Eine operative Sanierung sollte bei nicht beherrschbaren Fußdeformitäten mit Gelenkinstabilität angestrebt werden, damit auch bestehende Ulzerationen schneller zur Abheilung gelangen.

 

 

Diabetischer Muskelinfarkt

Diese sehr seltene Veränderung ist meist bei schlecht eingestellten, langjährigen Patienten mit Typ-1-Diabetes zu finden. Es handelt sich hierbei um spontan-ischämische Nekrosen im Bereich der Skelettmuskulatur ohne Assoziation zu arteriellen Embolien oder einer PAVK, welche auch als spontane diabetische Myonekrosen bezeichnet werden.

Klinik und Diagnose: Charakteristischerweise kommt es zu einer plötzlich auftretenden schmerzhaften Schwellung und Schwäche meistens im Oberschenkelbereich (in 30 % der Fälle beidseitig) ohne assoziiertes Trauma, welche sich innerhalb von Tagen bis Wochen ausbreitet und oft mit subfebrilen Temperaturen einhergehen kann. Differenzialdiagnostisch ist die Durchführung einer Muskelbiopsie erforderlich, um diese Veränderung von Blutungen, Phlebitiden oder Myositiden zu unterscheiden. Laborchemisch sind gering erhöhte CK-Werte, eine Leukozytose sowie eine erhöhte Blutsenkung möglich. Zusätzlich kann eine MRT als bildgebendes Verfahren die Diagnose erhärten. Zu den wichtigsten differenzialdiagnostischen Erkrankungen zählen die gangränöse Myositis (Streptokokkeninfektion), die nekrotisierende Fasziitis (Sepsiszeichen) sowie die Clostridien-Myonekrose.

Therapie: Die erste Maßnahme zum Zeitpunkt der Diagnose ist die Ruhigstellung, flankierend kann eine Schmerztherapie und die Einnahme eines Thrombozytenaggregationshemmers erfolgen. In den meisten Fällen kommt es zu einer Spontanheilung ohne Residualzustand, jedoch kann eine chirurgische Intervention bei einer progressiven Infektion erforderlich sein.

Adhäsive Kapsulitis der Schulter („Frozen Shoulder“)

Der Begriff der „Frozen Shoulder“ beschreibt eine Versteifung im Schultergelenk in Kombination mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung, welche bei 11–19 % bei Patienten mit Diabetes mellitus diagnostiziert wird. In den meisten Fällen handelt es sich um eine reversible Schrumpfung der Gelenkkapsel, wobei es durch Entwicklung von Adhäsionen zwischen Gelenkkapsel und Humeruskopf zum Auftreten einer adhäsiven Kapsulitis kommen kann. Prädisponierende Faktoren sind eine Tendinitis im Bereich der Rotatorenmanschette, eine akute subakromiale Bursitis, Frakturen im Bereich des Humeruskopfes sowie ein zerebraler Insult. Aber auch mechanische Faktoren, wie der langzeitige Gebrauch einer Oberarmschlinge (bereits ab 1 Woche) können pathogenetische Mechanismen darstellen.

Die Diagnose kann sehr leicht klinisch gestellt werden, da die Patienten einen chronischen Schmerz und sowohl eine aktive wie auch passive Bewegungseinschränkung im Schultergelenk aufweisen. Im Gegensatz dazu liegt bei einer Rotatorenmanschettenläsion nur eine Einschränkung in der aktiven Beweglichkeit vor. Radiologisch können zystische Veränderungen, eine Osteopenie sowie eine Sehnenverkalkung imponieren, wobei das Skelettröntgen vor allem zur differenzialdiagnostischen Abklärung einer Osteoarthritis dient.

Therapie: Es handelt sich um eine selbstlimitierende Erkrankung, wobei nur 10 % der Patienten längerfristige Probleme mit der Notwendigkeit einer chirurgischen Intervention aufweisen. Therapeutisch sollten gezielte physiotherapeutische Übungen unter begleitender Schmerztherapie durchgeführt werden, wobei intraartikuläre Glukokortikoidinjektionen bei Schmerzpersistenz erforderlich werden können.

Dupuytren’sche Kontraktur

Die Pathogenese dieses Krankheitsbildes ist nicht eindeutig geklärt, jedoch lässt das Vorhandensein von CD3-positiven Zellen und die Expression von MHC-Klasse-II-Proteinen eine T-Zell-mediierte Autoimmunerkrankung vermuten.

Klinik und Diagnose: Die Dupuytren’sche Kontraktur ist charakterisiert durch die Entwicklung einer progressiven Fibrose und Knotenbildung in der Palmaraponeurose, was zu einer Flexion und Kontraktion der Finger und dadurch zu einer Bewegungseinschränkung führt. Bei > 39 % der Diabetiker findet sich diese Veränderung in starker Assoziation zur Diabetesdauer und der Qualität der Blutzu – ckereinstellung. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die Cheiroarthropathie, wobei im Rahmen der Dupuytren’schen Kontraktur meist nur der 4. und der 5. Finger betroffen sind.

Therapie: Primär sollten physiotherapeutische Maßnahmen (gezielte Dehnungsübungen) zum Einsatz kommen, in weiterer Folge können Injektionen von Triamcinolon oder Lidocain Erleichterung verschaffen. Eine operative Notwendigkeit ergibt sich nur bei funktioneller Beeinträchtigung, wobei die Rezidivrate sehr hoch ist.

Cheiroarthropathie („Limited Joint Mobility“)

Die Häufigkeit der Erkrankung unterliegt einer großen Variabilität mit 8–52 % je nach Datenlage sowie in Abhängigkeit der Diabetesdauer und der Qualität der Stoffwechseleinstellung. Zusätzlich konnte ein erhöhtes Auftreten in Korrelation zum Alter und dem Zigarettenkonsum festgestellt werden.

Klinik und Diagnose: Im Vordergrund steht die zunehmende Bewegungseinschränkung vor allem im Metakarpophalangealgelenk mit Beeinträchtigung der Feinmotorik und begleitendem Kraftverlust ohne Schmerzsymp tomatik. Es zeigen sich Kontrakturen der proximalen Interphalangeal- und Metakarpophalangealgelenke, die distalen Interphalangealgelenke sind seltener betroffen. Im Gegensatz zur Dupuytren’schen Kontraktur sind hier alle Finger einbezogen. Interessant ist, dass eine Assoziation zum gehäuften Auftreten von Fußulzera gefunden wurde, da die verminderte Mobilität im 1. Metatarsophalangealgelenk das Risiko von Fußulzera erhöht.
Zur Diagnosestellung werden zwei einfache klinische Tests angewendet (> Abb. 2):

  1. „Prayer-sign“: die Handflächen können durch Versteifungen nicht mehr direkt aneinandergelegt werden
  2. „Table Top Test“: das flache Auflegen der Hand auf die Tischfläche ist nicht mehr möglich

Therapie: Die derzeitigen medikamentösen Möglichkeiten sind sehr limitiert, Versuche mit Penicillamin (zur Hemmung der Kollagenvernetzung) sowie Aminoguanidin und Aldose- Reduktase-Hemmer können derzeit noch nicht empfohlen werden.

 

 

ZUSAMMENFASSEND ist es wichtig, diese Krankheitsbilder in die differenzialdiagnostischen Überlegungen rheumatologischer Erkrankungen mit einzubeziehen, um eine rasche Diagnosestellung zur effektiven Therapieeinleitung und dadurch Vermeidung von Langzeitschäden zu gewährleisten. In den angeführten Krankheitsbildern nimmt die adäquate Blutzuckereinstellung zusätzlich eine entscheidende Rolle ein.