Positionspapiere der Österreichischen Diabetes Gesellschaft – Operation und Diabetes mellitus

Das von Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching und Koautoren erstellte Positionspapier “Operation und Diabetes mellitus”1 umfasst die präoperative Evaluierung des Gesundheitsstatus des Patienten, die präoperative Stoffwechselkontrolle und die perioperative medikamentöse Diabetestherapie. Die Autoren machen einleitend darauf aufmerksam, dass zu wichtigen Fragestellungen dieses Themenkomplexes keine Evidenz im Sinne randomisierter prospektiver Studien bzw. Metaanalysen vorliegt. Somit verstehen sich die in dem Papier formulierten Empfehlungen als Position der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) auf Basis der in der Literatur verfügbaren Erkenntnisse und der klinischen Erfahrung der Autoren. Auch ist das Positionspapier bewusst allgemein und kurz gehalten, da das perioperative Management von Diabetespatienten jeweils individuell auf den Einzelpatienten und die jeweilige Operation abgestimmt werden muss.

Grundsätzliches

Die präoperative Evaluierung von Diabetespatienten erfolgt prinzipiell analog zum Vorgehen bei nicht-diabetischen Patienten, allerdings ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass Diabetiker, korrelierend mit dem Alter und der Erkrankungsdauer, ein höheres Risiko für Begleiterkrankungen haben als gleichaltrige Nichtdiabetiker. Zu erwartende Komorbiditäten sind insbesondere die typischen makrovaskulären (koronare Herzkrankheit, zerebrovaskuläre Durchblutungsstörung, periphere arterielle Verschlusskrankheit) und mikrovaskulären (Nephropathie, periphere und autonome Neuropathie, Retinopathie, Makulopathie) Komplikationen des Diabetes, Infektionen sowie Hypertonie und Hyperlipidämie im Rahmen eines metabolischen Syndroms.
Im Rahmen der präoperativen internistischen Voruntersuchung sollten aus Sicht der ÖDG in erster Linie der allgemeine Gesundheitsstatus festgestellt und vorbestehende Gesundheitsstörungen oder Therapien, die eine absolute oder relative Kontraindikation für den geplanten Eingriff darstellen könnten, abgeklärt werden. Laufende medikamentöse Therapien sind vor dem Eingriff gegebenenfalls zu optimieren. Die primäre Verantwortung für die Durchführung eines operativen Eingriffes liegt beim behandelnden Chirurgen und narkoseführenden Anästhesisten. Zusammen mit dem Operateur sollte das perioperative Gesamtrisiko des Patienten beurteilt und gemeinsam das optimale chirurgische und anästhesiologische Vorgehen definiert werden.

Die wichtigsten Empfehlungen

  • Diabetiker haben ein höheres Risiko für Begleiterkrankungen als gleichaltrige Nichtdiabetiker. Präoperative Untersuchungen sind abhängig vom Umfang der geplanten Operation bzw. vom Gesundheitsstatus des Patienten in enger Kooperation mit Anästhesisten und Chirurgen zu stellen.
  • Präoperativ sollte ein HbA1c-Wert ≤ 7% angestrebt werden. Ist dies nicht erzielbar bzw. nicht geboten (Multimorbidität, hohes Alter), sollte der HbA1c-Wert zumindest 10% sollten Operationen nur bei hoher Dringlichkeit durchgeführt werden.
  • Generell sollen orale Antidiabetika am Tag der Operation pausiert werden. Bei kurzen Eingriffen können diese nach unkompliziertem Verlauf und Aufnahme der Nahrungszufuhr wieder angesetzt werden, bei längeren Operationen frühestens am ersten postoperativen Tag (Kontrolle der Nierenfunktion vor neuerlicher Metformin-Gabe).
  • Insulinpräparate sind perioperativ (v.a. bei schweren und längeren Eingriffen) derzeit die einzige therapeutische Option für die glykämische Kontrolle.
  • Ziel der perioperativen Glukosekontrolle ist das strikte Vermeiden schwerer Hypound Hyperglykämien. Bei kritisch Kranken (Intensivstation) erfordern Blutglukosewerte > 180 mg/dl die Einleitung einer kontinuierlichen i. v. Insulintherapie, unter der die Blutglukose zwischen 140 und 180 mg/dl gehalten werden soll. Auf Normalstationen sollen perioperative Blutzuckerwerte zwischen 110 und 140 mg/dl angestrebt werden; Werte > 180 mg/dl sind zu vermeiden bzw. > 200 mg/dl mit Insulin zu behandeln.

Fact-Box

Im Jahr 2004 hat die Österreichische Diabetes Gesellschaft (Acta Med Austriaca 31/5, 2004) erstmals eigene “Leitlinien für die Praxis” herausgegeben, die 2007 (Wien Klin Wochenschr 119, Suppl 2) und 2009 (Wien Klin Wochenschr 121, Suppl 5) aktualisiert und erweitert wurden.
Im Februar 2011 hat eine von der ÖDG eingesetzte Arbeitsgruppe (“Insulinpumpenausschuss”) ein Positionspapier zur Kontinuierlichen Glukosemessung bei Diabetespatienten veröffentlicht. Weitere Positonspapiere, nämlich “Diabetes und Operation”, “Diabetes und psychische Erkrankungen”, “Therapie der Hyperglykämie bei erwachsenen, kritisch kranken PatientInnen” sowie “Diabetes und exokrine Pankreasinsuffizienz” wurden im Rahmen der 39. Jahrestagung der ÖDG im November 2011 in Salzburg präsentiert. Die Inhalte der Positionspapiere sollen in die aktualisierte Fassung der Praxisleitlinien einfließen, die für den Herbst 2012 angekündigt wurde.
Die vollständigen Positionspapiere sind auf der Internetseite der Gesellschaft unter http://oedg.org/oedg_leitlinien.html abrufbar.

 

1 P. Fasching, J. Huber, M. Clodi, H. Abrahamian, B. Ludvik, Operation und Diabetes mellitus.
http://oedg.org/pdf/POS_Operation_Fasching_2011.pdf