Kompensierte und vor allem dekompensierte Zirrhotiker leiden häufig unter Malnutrition und Verlust an Muskelmasse (Sarkopenie), obwohl in den letzten Jahren wegen der Zunahme der Nichtalkoholische-Steatohepatitis-(NASH-)assoziierten Zirrhosen auch übergewichtige bis adipöse Zirrhotiker häufiger zu beobachten sind, die aber dennoch einen auch prognostisch relevanten Verlust an Muskelmasse aufweisen (sarkopenische Adipositas). Dieser Verlust an Muskelmasse ist nicht nur mit einem vermehrten Auftreten von Komplikationen der Leberzirrhose, sondern auch mit einer deutlich erhöhten Mortalität assoziiert, sodass Maßnahmen zum Erhalt oder sogar Wiederaufbau verlorenen Muskels wichtig im Management des Patienten mit Leberzirrhose sind.
Ernährungsstatus: Auch wenn die Erfassung des Ernährungsstatus grundsätzlich bei jedem Zirrhotiker zum Zeitpunkt der Diagnosestellung wünschenswert wäre, so wird heute in der Praxis zumindest empfohlen, Zirrhotiker mit Risiko einer Mangelernährung einer Erfassung des Ernährungsstatus zu unterziehen. Das Risiko ist jedenfalls hoch bei BMI < 18,5 kg/m2 und bei Child-Pugh-C-Zirrhose. Für die Erfassung von Malnutrition stehen standardisierte und validierte Werkzeuge zur Verfügung, z. B. das „Royal-Free-Hospital-(RFH-)Nutrition-Prioritizing-Tool“1 oder das „Liver-Disease-(LD-)Undernutrition-Screening-Tool“. Sarkopenie sollte immer miterfasst werden, wobei hier die oft vorliegenden CT-Untersuchungen des Abdomens verwendet werden. Der prognostisch wichtigste Parameter ist allerdings die Kombination aus Muskelquantität, -qualität und Performance (Abb.). Die Muskelfunktion kann dabei einfachen Instrumenten wie Handgriffstärke oder der Short-Physical-Performance-Batterie getestet werden.
Die Ursachen der Malnutrition bei Zirrhose sind multifaktoriell, und zumeist liegen bei einem Patienten mehrere Ursachen vor. Im Grunde ist die Zirrhose ein Zustand des beschleunigten Fastens. Es kommt zu einem metabolischen Umschalten des primären Energielieferanten von Glukose auf Fettsäuren. In diesem Zustand sind sowohl die Proteinsynthese vermindert als auch die Glukoneogenese aus Aminosäuren gesteigert. Dies führt zum gesteigerten Proteinabbau zum Zweck der Glukoneogenese, was wiederum die Sarkopenie beschleunigt. Dazu kommt erschwerend eine reduzierte Nahrungsaufnahme, die unterschiedliche Ursachen haben kann:
Um diesen Faktoren effektiv gegenzusteuern, bedarf es einer Reihe von Maßnahmen.
Die Basis stellt die über die meisten Studien gleiche Annahme einer minimalen Kalorienzufuhr von 35 kcal/kg Körpergewicht und Tag dar. Dies ist vor allem bei fortgeschrittenen Zirrhotikern aus den oben genannten Gründen nicht leicht, aber durch die Betreuung durch ein interdisziplinäres Team aus Ärzten und Diätologen zu erreichen. Das Ziel ist eine entsprechende Schulung zur Vermittlung, dass durch adäquate Nahrungszufuhr sowohl Lebensqualität als auch Überleben deutlich verbessert werden können.2
Nachdem beschleunigtes Fasten funktionell die Hauptursache für den Substanzverlust bei Zirrhose ist und ein frühes Sättigungsgefühl ein weiteres Problem darstellt, orientieren sich die meisten Nahrungsinterventionen an häufiger Nahrungsaufnahme, wobei die Wichtigkeit einer späten Jause vor dem Zubettgehen besonders betont wird und durch eine Studie auch gut untermauert ist.3 Das Ziel ist hier, den Eiweißabbau möglichst auch dadurch zu reduzieren, dass die Pausen ohne Nahrungszufuhr möglichst kurz gehalten werden. Das Stoffwechselprofil eines Zirrhotikers nach einer Nacht des Fastens entspricht immerhin dem Profil nach 3-tägigem Fasten bei gesunden Probanden. Die regelmäßige Proteinzufuhr in der Nacht kann bei einem fortgeschrittenen Zirrhotiker über einen Zeitraum von 1 Jahr zu einer Zunahme an Muskulatur von ca. 2 kg führen, mit gleichzeitiger und rasch eintretender Verbesserung der Lebensqualität.
Für eine ausgeglichene Stickstoffbilanz ist zumindest eine Zufuhr von 0,8 g Eiweiß/kg Körpergewicht/d notwendig. Folglich wird für einen Zirrhotiker mit Sarkopenie und dem Ziel von Muskelaufbau eine tägliche Zufuhr von 1,2–1,5 g Eiweiß/kg Körpergewicht empfohlen. Diese Eiweißaufnahmemengen sind aber nur bei einem kleineren Teil der Patienten zu erreichen. Insgesamt konnte gezeigt werden, dass bei fortgeschrittenen Zirrhotikern die Ziele der Gesamtkalorienzufuhr bei nur 7–11 % der Patienten und die Ziele der Proteinzufuhr bei 14–24 % der Patienten realisiert werden können. Nachdem die angestrebte Energie- und Proteinaufnahme bei unterernährten fortgeschrittenen Zirrhotikern oft nicht erreicht wird, werden von den Leitlinien sowohl eine enterale als auch parenterale Ernährung für hospitalisierte Patienten zur Überbrückung, aber auch für ambulante Patienten empfohlen.
Ergänzend zur Eiweißzufuhr sollte eine Kombination aus Ausdauer- und Krafttraining durchgeführt werden, welche durch zusätzliche anabole Stimuli den Aufbau von Muskulatur weiter steigern kann.
Adipositas kommt bei kompensierten Zirrhotikern etwa gleich häufig wie in der Normalbevölkerung vor (20–35 %). Der Anteil der Adipositas-Patienten steigt deutlich bei NASH-Zirrhose. Bei diesen Patienten ist neben dem körperlichen Training auch eine kalorienreduzierte Ernährung (800 kcal/d) indiziert, wobei zeitgleich auf eine adäquate Eiweißzufuhr (> 1,5 g/kg ideales Körpergewicht/d) geachtet werden muss.
Als praktische Anleitung hat die EASL die Empfehlungen zur Ernährung bei Leberzirrhose in der rezenten Leitlinie sehr gut subsumiert4: