Die Fingerpolyarthrose (FPA) ist eine Erkrankung mit hoher Prävalenz, die durch eine stetig steigende Lebenserwartung in der westlichen Welt weiter im Steigen begriffen ist. Die Ursachen sind einerseits mechanischer Belastung der entsprechenden Gelenke, aber auch andererseits – zu einem größeren Anteil – einer genetischen Prädisposition geschuldet. In den letzten Jahren hat es sich etabliert und auch sehr bewährt, dass die European League Against Rheumatism (EULAR) zu den gängigen rheumatischen Erkrankungen Empfehlungen abgibt. Der folgende Artikel beschäftigt sich mit den heurigen EULAR-Empfehlungen für die FPA.
Klinisch handelt es sich bei der FPA um eine nichtentzündliche rheumatische Erkrankung des höheren Lebensalters, die vorwiegend die proximalen Interphalangealgelenke (Bouchard-Arthrose), die distalen Interphalangealgelenke (Heberden-Arthrose) und die Daumensattelgelenke (Rhizarthrose) betrifft. Die FPA ist mit Schmerzen, insbesondere mit einer meist weniger als 30 Minuten anhaltenden Morgensteifigkeit, aber auch gelegentlich einem Kraftverlust und insgesamt einer verminderten Lebensqualität vergesellschaftet. Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die chronische Polyarthritis (cP). Diese betrifft (im Bereich der Hände) vorwiegend die Metacarpophalangealgelenke und die proximalen Interphalangealgelenke sowie die Handgelenke und zeichnet sich durch synovitische (teigige) Schwellungen der Synovia aus. Bei der FPA sind die Schwellungen zumeist knöchern, gelegentlich kann es, meist nur monoartikulär, zu einer lokalen Entzündung mit Synovitis, der sogenannten aktivierten Arthrose kommen. Weiters zeichnet sich die FPA durch negative Rheumafaktoren und Anti-CCP-Antikörper sowie normale Entzündungsparameter aus. Nativradiologisch zeigen sich typische degenerative Zeichen, wie Gelenkspaltverschmälerung, Sklerosierung und Osteophytenbildung. Erosionen und Usuren, wie man sie bei der cP fürchtet, kommen nur selten vor (erosive Arthrose). Die cP kann in jedem Lebensalter auftreten und betrifft Frauen ca. 4-mal häufiger, die FPA wird meist erst nach dem 50. Lebensjahr manifest und betrifft beide Geschlechter zu gleichen Teilen.
Die Therapie der FPA erfuhr nicht so dramatische Veränderungen und Modifikationen wie jene der cP, allerdings wurden kürzlich neue EULAR-Empfehlungen veröffentlicht.1 Diese stellen eine effektive therapeutische Entscheidungsgrundlage für den Rheumatologen dar und sollen daher im Weiteren detaillierter besprochen werden.
Das „2018 update of the EULAR recommendations for the management of hand osteoarthritis“ wurde in einem komplexen Entscheidungsverfahren von einer internationalen Expertengruppe formuliert und enthält 5 sogenannte „overarching principles“:
Symptome, wie Schmerz und Steifigkeit sowie die Funktion und Lebensqualität, sollten soweit wie möglich optimiert werden. Die Patienten sollten eingehend über ihre Krankheit informiert werden, weiters sollte auf Komorbiditäten Rücksicht genommen werden, und die therapeutischen Entscheidungen sollten immer von Patient und Arzt gemeinsam getroffen werden. Die Therapiefindung sollte interdisziplinär erfolgen und neben nichtpharmakologischen Ansätzen auch pharmakologische bzw. chirurgisch orthopädische Überlegungen miteinbeziehen.
Insgesamt wurden 10 Empfehlungen formuliert, auf die hier weiter im Detail eingegangen wird.
Die Patienten sollten über ergonomische Grundlagen, Tempo der Aktivitäten (bei denen die betroffenen Gelenke benützt werden) sowie die Unterstützung durch Hilfsmittel aufgeklärt werden. Weiters sollte auch jeder Patient angeleitet werden, selbstständig Übungen, die zur Funktionsverbesserung sowie Steigerung der Muskelkraft und damit auch zur Schmerzreduktion beitragen, durchzuführen.
Ebenso unterstützen die Empfehlungen das (dauerhafte) Tragen von Schienen zur Schmerzhemmung, insbesondere bei Rhizarthrose.
Auch was die therapeutischen Maßnahmen betrifft, sind die Empfehlungen der EULAR multidisziplinär und sehr breit gefasst.
Von den pharmakologischen Therapieoptionen werden topische Formen (Salben/Cremes/Gels) gegenüber systemischen Formen bevorzugt, da sie bessere Sicherheitsdaten aufweisen. Studien zeigten, dass Diclofenac-Gel leichte Verbesserungen von Schmerz und Funktion gegenüber Placebo aufweist, ebenso wurde gezeigt, dass lokales Diclofenac vergleichbare Ergebnisse wie die orale Anwendung zeigt. Generell gilt es auch zu bedenken, dass die meisten Patienten höher betagt sind und somit, in Anbetracht der Komorbiditäten, die potenziellen Nebenwirkungen der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) mit in Betracht gezogen werden müssen. Wenn die Anzahl betroffener Gelenke größer ist, sprechen sich allerdings auch die EULAR-Guidelines für die Gabe systemischer NSAR aus. Für die Anwendung von Wärmetherapie gibt es wenig Evidenz, allerdings kann diese auch als Therapieansatz versucht werden.
Für orale NSAR konnte schon vor längerer Zeit gezeigt werden, dass es nach einer Behandlungsdauer von 2–4 Wochen zu einer Verbesserung von Funktion und Schmerz kommt, allerdings ist aufgrund der schon eingangs erwähnten Nebenwirkungen die niedrigste Dosis zu wählen. Idealerweise sollte diese nur für einen limitierten Zeitraum und auch nur bei Bedarf (also nicht fix vorgegeben) erfolgen.
Für Paracetamol und Tramadol ist die Evidenz geringer, aber beide können als Alternativen zu den NSAR dienen, ebenso idealerweise nur für einen begrenzten Zeitraum und für Patienten bei denen NSAR, aus welchen Gründen auch immer, kontraindiziert sind.
Was die sogenannten Chondroprotektiva betrifft, ist Chondroitinsulfat die einzige Substanz, die Eingang in die EULAR-Empfehlungen gefunden hat, v. a. zur Schmerzbekämpfung und Funktionsverbesserung. Für Glucosamin und sogenannte Symptomatic slow-acting Drugs for Osteoarthritis, wie z. B. Diacerhein und intraartikuläre Hyaluronsäure fand sich ebenfalls zu wenig Evidenz für eine Empfehlung. Intraartikuläre Steroide sollten im Allgemeinen bei FPA nicht angewendet werden. Allerdings wird deutlich darauf hingewiesen, dass diese Option bei lokal entzündeten und schmerzhaften Gelenken doch in Betracht gezogen werden soll.
Biologika, wie sie zur Therapie entzündlich rheumatischer Erkrankungen häufig eingesetzt werden, sind zur Therapie der FPA definitiv nicht geeignet. Zu diesem Schluss kommt das Expertengremium, während es in den vorigen Empfehlungen aus 2007 diesbezüglich noch keine klare Empfehlung gab. Auch was Antimalariamedikamente (Chloroquin und Hydroxychloroquin) sowie längerfristige systemische Glukokortikoidgabe anbelangt, gibt es keine ausreichende Evidenz dafür, dass dies bei FPA Vorteile bringt.
Handchirurgische Eingriffe werden lediglich als Ultima Ratio angesehen für den Fall, dass alle oben genannten empfohlenen Optionen keine Verbesserung bringen und der Leidensdruck sehr hoch ist. Für die Rhizarthrose ist eine Trapezektomie die Operation der Wahl, bei Arthrose der PIPs die Arthroplastik mit Spacern empfohlen – außer beim PIP II, bei dem eine Arthrodese sinnvoller ist.
Als zehnter und letzter Punkt der Empfehlungen wird angeregt, die Frequenz der Verlaufskontrollen an die Patientenbedürfnisse anzupassen. Bei einer gut kontrollierten FPA sind regelmäßige Kontrollen nicht unbedingt erforderlich.
Resümee: Zusammenfassend sind die neuen Empfehlungen der EULAR für die FPA eine wichtige und präzise formulierte Entscheidungshilfe, da wir es mit dieser Erkrankung im rheumatologischen Alltag häufig zu tun haben. Anzumerken bleibt aber auch, dass sich – im Gegensatz zu vielen anderen entzündlichen rheumatischen Erkrankungen – im Vergleich zu den 11 Jahre alten vorigen Empfehlungen leider kein therapeutischer Durchbruch für diese sehr häufige Erkrankung ergeben hat. Es bleibt zu hoffen, dass sich dies vielleicht bis zum Erscheinen der nächsten Empfehlungen ändert.