Durch Autoimmunmechanismen kommt es zu einer Verkürzung der Thrombozyten- Lebensdauer, die nur teilweise durch eine Störung der Thrombozytopoese kompensiert wird.
Die Diagnose einer ITP ist eine Ausschlussdiagnose und wird nur in Zusammenschau aller wesentlichen Befunde gestellt. Es ist vor allem wichtig, andere primär hämatologische und onkologische Erkrankungen auszuschließen, weiters andere Erkrankungen, von denen bekannt ist, dass sie mit einer Thrombopenie einhergehen (z. B. Leberzirrhose, Verbrauchskoagulopathie oder Verteilungsstörung bei Splenomegalie). Differenzialdiagnostisch ist die ITP von einer Reihe anderer, im weitesten Sinne immunologisch bedingter Thrombozytopenien zu unterscheiden, es sind dies die Heparin-induzierte Thrombopenie, die posttransfusionelle Purpura und schwangerschaftsassoziierte Thrombopenien.
Wichtig für die weitere Therapie ist das Erkennen der – allerdings seltenen – “Pseudothrombozytopenie”, bei der es ausschließlich in vitro (und nicht in vivo) zu einer Aggregation der Thrombozyten bei Kontakt des Blutes mit EDTA kommt. Eine Zählung der Thrombozyten in der Zellkammer bzw. Thrombozytenzahlbestimmung in Zitratblut sichert die Diagnose einer Pseudothrombopenie.
Neben der kompletten Untersuchung des Blutbildes inkl. Differenzialblutbild und Retikulozyten ist durch geeignete diagnostische Maßnahmen (z. B. Leberfunktionsparameter) eine andere Erkrankung auszuschließen. Nach wie vor besteht kein klarer Konsens über die Durchführung einer Knochenmarkpunktion. Bei einem typischen klinischen Bild und völlig normalem Blutbild ist eine Knochenmarkpunktion primär nicht durchzuführen; in Erwägung zu ziehen ist sie bei therapierefraktärer ITP, selbstverständlich bei Veränderungen des Blutbildes oder Veränderungen des physikalischen Befundes, die auf eine hämatologische Erkrankung hindeuten; und in Betracht zu ziehen ist die Knochenmarkpunktion bei Patienten über 60 Jahre, da die Wahrscheinlichkeit für ein myelodysplastisches Syndrom bei diesen Patienten höher ist als im jüngeren Alter. In den meisten Konsensus-Empfehlungen wird auch die Untersuchung auf Helicobacter pylori empfohlen, da diese Infektion eine Immunthrombopenie auslösen kann und eine Behandlung dieser Infektion zu Remissionen der ITP führen kann.
Das klinische Bild der ITP manifestiert sich hauptsächlich in Haut- und Schleimhautblutungen – schwere und lebensbedrohliche Blutungen (gastrointestinale Blutungen, zerebrale Blutungen) sind selten. Derzeit gibt es noch keinen allgemein gültigen Score zur Beschreibung der Blutungsmanifestationen bei ITP. Die Ausprägung der Blutungsneigung ist individuell außerordentlich unterschiedlich, nur bei sehr deutlichen Verminderungen der Thrombozytenzahlen ( 30 G/l kaum ein erhöhtes Spontanblutungsrisiko vorliegt. Die Mortalitätsrate bei ITP-Patienten ist niedrig und liegt im Promille-Bereich (ca. 0,2‰). Die bedrohlichen Blutungsmanifestationen nehmen mit zunehmendem Alter zu.
Bei der ITP wird nach empfohlenen Therapiesequenzen und mit größtmöglicher Individualisierung vorgegangen.
Therapeutika der ersten Wahl sind Kortikosteroide, intravenös zu verabreichendes Immunglobulin und im Akutfall Thrombozytenkonzentrate. In den meisten Fällen wird die Kortikosteroidtherapie mit 1-2 mg/kg Körpergewicht begonnen und bei Ansprechen, aber auch bei Nicht-Ansprechen (wegen fehlender Wirksamkeit) reduziert auf Dosen, die langfristig nicht mit großen Nebenwirkungen einhergehen (z. B. 5-10 mg Aprednislon pro Tag). Bei den meisten Patienten kommt es nach einem initialen Anstieg, der bei ca. 60% von Patienten auf Kortikosteroide zu erwarten ist, wieder zu einem Abfall auf die Ausgangswerte. Es ist nicht gesichert, dass mit einer längerfristigen Kortikosteroidtherapie ein besseres Langzeitansprechen erreicht werden kann. Intravenöse Immunglobuline eignen sich sehr gut für die Akuttherapie der ITP, haben aber auch nur ein Ansprechen von 60-80% und meist kommt es in der Folge innerhalb von Tagen bis Wochen wieder zu einem Abfall auf den Ausgangswert. Thrombozytenkonzentrate können unterstützend bei lebensbedrohlichen Komplikationen oder notwendigen Operationen eingesetzt werden, gehen jedoch mit keiner gesicherten Wirkung bzw. auch nur einem Anstieg der Thrombozyten einher.
Als Zweitlinientherapie ist vorrangig die Splenektomie zu nennen, die als einzige Behandlung zu einer dauerhaften Remission in 60-80% der Fälle führt. Weitere zugelassene Immunsuppressiva wie Azathioprin weisen keine gesicherte Wirkung auf.
Thrombopoetin-Agonisten: Als neue Therapieoptionen stehen nun zwei Thrombopoetin- Agonisten (Romiplostim und Eltrombopag) zur Verfügung. Romiplostim ist ein so genanntes “Peptibody”, ein Peptid, das an eine Fc-Antikörperdomäne gekoppelt ist, und es wird 1-mal in der Woche subkutan verabreicht. Die Anfangsdosis ist 1 μg/kg Körpergewicht und kann bis zu einer maximalen Dosis von 10 μg/kg gesteigert werden. Die zweite Substanz ist Eltrombopag, eine nichtpeptidische, oral wirksame Substanz, die in Tagesdosen von 25 mg bis max. 75 mg verabreicht wird.
Beide Produkte führen bei mehr als 80% der Patienten mit ITP zu einem Anstieg der Thrombozytenzahl über eine Steigerung der Thrombozytenproduktion durch die derart stimulierten Megakaryozyten. Von beiden Substanzen wurde gezeigt, dass sie das Blutungsrisiko herabsetzen. Die subjektive Nebenwirkungsrate ist gering, an wesentlichen Nebenwirkungen werden eine Erhöhung des Thromboserisikos (vor allem venöse Thrombosen und Pulmonalembolien) und eine Erhöhung von Retikulinfasern im Knochenmark diskutiert. Auch langfristige Wirkungen auf das Knochenmark sind nicht völlig ausgeschlossen. Die Substanzen werden zwar bereits seit mehr als 4 Jahren in klinischen Studien eingesetzt, doch muss bei ITPPatienten von einer sehr langen Therapiedauer von bis zu Jahrzehnten ausgegangen werden – und diese Erfahrungen bestehen noch nicht.
In den USA sind die Thrombopoetin-Agonisten bei Patienten mit und ohne Splenektomie zugelassen, in Europa nur bei splenektomierten Patienten bzw. wenn eine Kontraindikation gegen die Splenektomie besteht.
CD20-Antikörper: Eine weitere Substanz, die jedoch nicht zugelassen ist, ist der CD20-Antikörper Rituximab, der in Kohorten und kontrollierten Studien zu einem guten Ansprechen führte. Auch unter Rituximab ist die Rezidivrate nach Wochen bis Monaten hoch.
Bei der ITP ist es besonders wichtig, die Therapie individualisiert durchzuführen. Nicht die Thrombozytenzahl selbst wird derzeit als der wesentliche Parameter für die Therapieentscheidung gesehen, sondern die Blutungsneigung. In den Konsensusempfehlungen ist die Blutungsneigung das entscheidende Kriterium für eine Therapiebedürftigkeit der Immunthrombopenie. Einzubeziehen sind jedoch auch andere zusätzliche Erkrankungen, die das Blutungsrisiko erhöhen, bzw. notwendige Medikamente, die ebenfalls das Blutungsrisiko erhöhen können (z. B. Clopidogrel oder Azetylsalizylsäure), weiters der Beruf eines Patienten.
Literatur:
1 Matzdorff A. et al.: Diagnosis and therapy of autoimmune thrombocytopenia. Recommendations of a joint Expert Group of DGHO, DGTI, DTH. Onkologie. 2010; 33 (Suppl. 3):2-20
2 Provan D. et al.: International consensus report on the investigation and management of primary immune thrombocytopenia. Blood 2010 Jan 14; 115 (2):168-86
3 Rodeghiero F. et al.: Standardization of terminology, definitions and outcome criteria in immune thrombocytopenic purpura of adults and children: report from an international working group. Blood. 2009 Mar 12; 113 (11):2386-93