Formula-Diäten bei Fettlebererkrankungen

Das Erscheinungsbild der „Fettleber“ wurde lange Zeit nicht ernst genommen und schon gar nicht als behandlungswürdig eingestuft. In letzter Zeit wurde allerdings speziell den nichtalkoholischen Fettlebererkrankungen (NAFLD) vermehrte Aufmerksamkeit zuteil.

Der Begriff NAFLD steht für ein Erkrankungsspektrum, das, beginnend bei der simplen Fettleber (Steatosis hepatis), in weiterer Folge zu einer nichtalkoholischen Steatohepatitis (NASH) mit oder ohne Fibrose bis hin zur Leberzirrhose führen kann. In der westlichen Bevölkerung liegt die Prävalenz von NAFLD bei rund 30 %1, kann aber bei Vorliegen von Adipositas mit steigendem BMI auf bis zu 85 %2 erhöht sein. Da die NAFLD stark mit allen Facetten des metabolischen Syndroms assoziiert ist, wird in rezenten Publikationen vermehrt von MAFLD („Metabolic Associated Fatty Liver Disease“) gesprochen.3

Lebensstilmodifikation als Voraussetzung: Neben der medikamentösen Therapie in fortgeschrittenen Stadien stellt die Hauptmaßnahme zur Behandlung der NAFLD/MAFLD eine Lebensstilmodifikation mit einer Anpassung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens dar. Im Vordergrund steht hier vor allem eine Reduktion des Körpergewichts, speziell des viszeralen Fettgewebes. Untersuchungen zeigen, dass durch eine Gewichtsreduktion von 7–10 % sowohl der Leberfettgehalt als auch die hepatischen Entzündungsprozesse im Rahmen einer NASH deutlich reduziert werden können.4 Fakt ist allerdings auch, dass es nur ein geringer Anteil der Patienten schafft, dieses Ausmaß der Gewichtsreduktion zu erzielen bzw. in weiterer Folge eine langfristige Umstellung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens durchzuhalten. Formula-Diäten, die aufgrund des befürchteten Jo-Jo-Effekts lange Zeit verpönt waren, stellen in der richtigen Zusammensetzung hierbei ein effektives Tool dar. Sie haben inzwischen einen festen Platz in der Adipositastherapie eingenommen und sind auch in die S3-Leitlinien zur „Prävention und Therapie der Adipositas“ 2014 eingebettet.5 Derartige Produkte können einerseits mit dem Ziel einer Reduktion der Gesamtkalorienzufuhr längerfristig als Mahlzeitenersatz für ein bis zwei Hauptmahlzeiten pro Tag eingesetzt werden. Um einen initial höheren Gewichtsverlust zu erzielen, können Formula-Diäten andererseitsauch als alleinige Ernährung mit der erwähnten Gesamtenergiezufuhr von 800 bis 1.200 kcal/Tag angewendet werden. Allerdings muss diese Variante ärztlich und diätologisch betreut sein, und es sollte nach spätestens 12 Wochen eine Umstellung auf eine mäßig hypokalorische Mischkost zur Gewichtserhaltung erfolgen.5

Datenlage

Gewichtsreduktion: Eine Untersuchung von Nackers et al. zeigt, dass im Rahmen von Gewichtsreduktionsprogrammen zwar nach spätestens 12–18 Monaten fast alle Teilnehmer wieder zunehmen, allerdings jene Personen mit dem größten initialen Gewichtsverlust auch langfristig den besten Erfolg verzeichnen.6 In einer randomisierten und kontrollierten Studie wurden adipöse Personen in zwei Gruppen verglichen, die das Ziel hatten, einen Gewichtsverlust von 15 % zu erreichen: Gruppe 1 innerhalb von 12 Wochen, Gruppe 2 innerhalb von 36 Wochen. Zu beobachten war, dass es in Gruppe 2 signifikant mehr Drop-outs gab. Ein längerer, gradueller Ansatz ist offensichtlich für viele Personen schwer durchzuhalten. Im Anschluss folgte ein Beobachtungszeitraum über weitere 144 Wochen. In dieser Zeit nahmen die Teilnehmer in beiden Gruppen wieder zu, ohne signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Das zeigt, dass ein schneller Gewichtsverlust keinen negativen Einfluss auf die Gewichtszunahme danach hat.7 Reduktion des Fettlebergehalts: Die durch Formula-Diäten erzielte deutliche Gewichtsreduktion hat nicht nur positive Aspekte auf verschiedenste metabolische Parameter wie den Blutzucker- und Fettstoffwechsel, sondern es kommt auch zu einer starken Reduktion des Leberfettgehalts. Diese Verbesserungen reduzieren das Risiko für schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Es gibt mittlerweile auch Untersuchungen, welche die Wirksamkeit speziell auf die Leber abgestimmter Protein­shakes auf den Leberfettgehalt bestätigen. Diese Proteinshakes sind zusätzlich zur ihrem hohen Proteingehalt mit leberprotektiven Substanzen wie ß-Glucan, Cholin, Taurin und Omega-3-Fettsäuren angereichert. Arslanow et al. konnten zeigen, dass eine 14-tägige niederkalorische Diät (1.000 kcal/Tag) mit Hilfe dieser Proteinshakes zu einer signifikanten Reduktion des Leberfettgehalts führt.8
Dies wurde auch in einer Wiener Studie gezeigt, die zusätzlich die Entfettung der Leber abhängig vom PNPLA3-Polymorphismus untersuchte.9

Auswirkung leberprotektiver Substanzen

Es stellt sich nun die Frage, ob diese Effekte primär durch die deutlich reduzierte Energiezufuhr erreicht werden, oder ob die zugesetzten leberprotektiven Substanzen per se eine Auswirkung haben. Schweinlin et al. haben daher in einer randomisierten und kontrollierten Untersuchung zwei Gruppen über 12 Wochen verglichen. Die Interventionsgruppe erhielt die oben erwähnte niederkalorische, mit leberprotektiven Substanzen angereicherte Protein­shake-Diät. Die Kontrollgruppe ernährte sich isokalorisch mit reduzierter Kohlenhydratzufuhr. Nach 12 Wochen kam es in beiden Gruppen zu einer ähnlichen Gewichtsreduktion. Der Leberfettgehalt wurde anhand des hepatorenalen Index (HRI) beurteilt und war in der Interventionsgruppe signifikant niedriger (Abb. 1).10
Immer häufiger erfolgt auch der Einsatz von Formula-Diäten vor bariatrischen Operationen. Neben dem wünschenswerten Gewichtsverlust kommt es durch die Leberentfettung auch zu einer Leberverkleinerung, wodurch für Chirurgen bessere Ausgangsbedingungen vorliegen sowie die postoperative Komplikationsrate verringert werden kann.11 Schätzungen zufolge sind 75–100 % der Personen vor bariatrischen Operationen von einer NAFLD betroffen. Der Einsatz einer niederkalorischen Diät (1.200 kcal) für 14 Tage vor der bariatrischen Operation reduziert, wie bereits erwähnt, das Lebervolumen. Wolf et al. konnten anhand einer Leberbiopsie während der Operation zeigen, dass es – beurteilt nach dem NAFLD Activity Score (NAS) – zusätzlich zu Verbesserungen der Leberhistologie (Inflammation, Ballonierung und Fibrosestadium) kommt. Nach einem Follow-up von 6 Monaten wurde zudem beobachtet, dass der Gewichtsverlust während der zwei Wochen vor der Operation einen Einfluss auf den Gewichtsverlust 6 Monate danach hat.12

 

 

Nachhaltige Erfolge erzielen

All diese Effekte sind für Patienten natürlich auch ein enormer Motivationsfaktor. Ein wesentlicher Aspekt muss allerdings deutlich gemacht werden: Um eine langfristige und nachhaltige Gewichtsreduktion und somit Gesunderhaltung der Leber zu erreichen, muss im Anschluss an die Formula-Diät-Phase eine dauerhafte Umstellung der Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten mit Hilfe von Experten (Diätologen) erfolgen. Untersuchungen zeigen ebenfalls, dass regelmäßige Kontrolltermine entscheidend dazu beitragen, den langfristigen Erfolg zu gewährleisten (Abb. 2).13, 14 Aufgrund der steigenden Prävalenzzahlen der NAFLD wächst das Bestreben, neben der medikamentösen Therapie auch Lebensstilmaßnahmen (insbesondere Ernährung und Bewegung betreffend) zu evaluieren. Bei der Herstellung von Formulaprodukten werden diese Tendenzen ebenfalls aufgegriffen, und deren Entwicklung wird vermehrt auf Fettlebererkrankungen abgestimmt.

 

 

Resümee

Formula-Diäten werden inzwischen regelmäßig zur Therapie von Fettlebererkrankungen eingesetzt. Ebenso haben sie sich als sehr sinnvoll vor bariatrischen Operationen erwiesen, um das Lebervolumen zu reduzieren. Die ärztlich/diätologisch betreute Anwendung stellt für viele Betroffene eine unkomplizierte, effiziente Erstmaßnahme dar, um Gewicht und Leberfettgehalt initial deutlich zu reduzieren. Für nachhaltige Effekte ist allerdings in weiterer Folge eine kontrollierte Umstellung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens von entscheidender Bedeutung.

 

1 Rinella ME, JAMA 2015; 313(22):2263–73
2 Fabbrini E et al., Hepatology 2010; 51(2):679–89
3 Eslam M et al, Gastroenterology 2020; 158(7):1999–2014.e1
4 EASL-EASD-EASO, J Hepatol 2016; 64(6):1388–402
5 Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur „Prävention und Therapie der Adipositas“ der DAG, DDG, DGE und DGEM 2014
6 Nackers LM et al., Int J Behav Med 2010; 17:161–67
7 Purcell K et al., Lancet Diabetes Endocrinol 2014; 2:954–62
8 Arslanow A et al., Clin Transl Gastroenterol 2016; 7(6):e176
9 Teufelhart M et al., J Hepatol 2017; 66(1), Supplement, S422
10 Schweinlin A et al., Z Gastroenterol 2018; 56(10):1247–56
11 Van Nieuwenhove Y et al., Arch Surg 2011; 146(11):1300–05
12 Wolf RM et al., Surg Obes Relat Dis 2019; 15(10):1766–72
13 Becker C, Walle H: Ärztlich betreutes, ambulantes Gewichtsreduktionsprogramm als langfristige und zielführende Maßnahme in der Adipositastherapie. Jahrestagung der Österreichischen Adipositasgesellschaft 2017, Posterbeitrag
14 Hall KD, Kahan S, Med Clin North Am 2018; 102(1):183–97