Empfehlungen für die Praxis – Infektionsanfälligkeit und Colitis ulcerosa

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind eng mit Infektionen assoziiert. Einerseits wurden verschiedene Erreger, z. B. der Amöbenruhr, bereits vor vielen Jahren mit der Entstehung von CED in Verbindung gebracht, andererseits wurden Zusammenhänge zwischen Infektionen und akuten Schüben beschrieben, wobei jedoch in beiden Fällen keine eindeutige Kausalität hergestellt werden konnte. Infektionen im weitesten Sinn wurden auch als Therapieansatz bei CED untersucht. So konnten einige Studien einen positiven Effekt einer absichtlichen Besiedelung mit Trichuris suis (Schweinepeitschenwurm, > Abb. 1) zeigen.

 


Die Colitis ulcerosa (CU) per se führt zu keiner wesentlichen erhöhten Anfälligkeit gegenüber Infektionen. Allerdings kann die Therapie oder der schwere protrahierte Verlauf diese begünstigen.
Patienten mit CED haben ein erhöhtes Risiko für Malnutrition und selbige prädisponiert ebenfalls für Infektionskrankheiten. Dies konnte für unterschiedliche Vitamine sowie Proteine gezeigt werden. Die Anfälligkeit gegenüber bakteriellen, viralen und parasitären Erkrankungen steigt mit dem Ausmaß der Malnutrition an, weswegen die schwere Malnutrition als Zustand der Immunsuppression gilt. Patienten mit M. Crohn sind viel häufiger betroffen als CU-Patienten.
Die Abgrenzung zwischen infektiöser Diarrhö und akutem Schub einer CU kann mitunter schwierig sein. Die therapeutische Konsequenz ist jedoch wesentlich, daher muss eine infektiöse Darmerkrankung als Ursache von Beschwerdezunahme bei CU-Patienten immer in die Differenzialdiagnose. Insbesondere bei passender Reiseanamnese sollten zusätzlich zur obligaten bakteriologischen auch parasitologische Stuhluntersuchungen durchgeführt werden.

Clostridium difficile: Bei Patienten mit CU findet man eine erhöhte Inzidenz von C. difficile-Infektionen im Vergleich zur Normalbevölkerung. Die Ursache hierfür ist unklar, da viele Faktoren zusammenkommen: vermehrte Testung auf Toxine bei CU-Patienten, mehr Verwendung von Protonenpumpenhemmern und Antibiotika sowie die immunmodulatori sche Therapie. Jedenfalls gehört die C. difficile-Toxin-Testung zur Routine bei signifikanter Beschwerdezunahme einer CU.

Cytomegalievirus: Cytomegalieviren (CMV) können bei herabgesetztem Immunstatus von einer latenten zu einer manifesten Erkrankung reaktivieren, was insbesondere bei schweren und steroidrefraktären Fällen von CU gezeigt werden konnte. Eine CMV-Reaktivierung kann zu einer Verschlechterung der Kolitis führen. Schwierig ist jedoch die Feststellung, ob eine CMV-Reaktivierung auch klinisch relevant ist. Es wurde daher vorgeschlagen, bei schwerer Kolitis (nach bakteriologischer und ggf. parasitologischer Untersuchung), die nach 2 bis 3 Tagen nicht auf Kortikosteroide anspricht, im Rahmen einer Sigmoidoskopie Biopsien zur CMV-Immunhistochemie zu gewinnen und eine CMV-PCR aus peripherem Blut anzufertigen – der empfohlene Cut-off liegt bei 5.000 copies/ml aus Plasma und 25.000 copies/ml aus Vollblut.

Assoziierte Erkrankungen

Einige mit CU assoziierte Erkrankungen können die Infektionsanfälligkeit begünstigen. Das Pyoderma gangraenosum (> Abb. 2) wird mit einer Häufigkeit zwischen 1 und 15% bei CU-Patienten angegeben. Eine Superinfektion dieser Hautläsionen macht häufig eine antibiotische Therapie notwendig. In diesen Fällen sollten die Keimgewinnung und gezielte Behandlung erfolgen, insbesondere, weil eine zusätzliche immunsuppressive Therapie notwendig ist. Die primär-sklerosierende Cholangitis kann zu rezidivierenden bakteriellen Gallenganginfektionen prädisponieren.

 

 

Ineffektiver Impfstatus

Die Durchimpfungsrate bei CED-Patienten ist schlecht. Die Ursachen hierfür liegen einerseits in der fehlenden Aufmerksamkeit, andererseits in der Unsicherheit, welche Impfungen als notwendig und welche als sicher anzusehen sind bzw. ob eine Impfung bei CED-Patienten überhaupt wirksam sein wird. Grundsätzlich sind alle Lebendimpfstoffe unter laufender Immunsuppression kontraindiziert, alle inaktivierten Impfstoffe können verabreicht werden, wobei unter Immunsuppression das Ansprechen beeinträchtigt sein kann. Am besten werden Impfungen vor oder nach immunsuppressiven Therapiezyklen verabreicht. Als immunsupprimiert gelten CED-Patienten mit Kortikosteroiden (> 20 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag für > 2 Wochen), Azathioprin, 6-Mercaptopurin, Methotrexat oder Infliximab unter laufender Therapie und innerhalb der ersten 3 Monate nach Beendigung sowie auch schwer malnutrierte Individuen.

Therapeutika

Insgesamt ist die Rate schwerer infektiöser Komplikationen bei der CU unter Therapie sehr gering. Viele Medikamente gelten eher als immunmodulatorisch und weniger als immunsuppressiv. Allerdings besteht unter Therapie mit bestimmten Substanzen die Gefahr der Entwicklung, Reaktivierung oder Verschlimmerung von Infektionen. Insbesondere bei Kombinationsbehandlungen sind diese Raten höher.

TNF-alpha-Blocker: Es wurden unter TNF-alpha- Blocker-Therapie Tuberkulose-Fälle beobachtet, wobei jedoch nur ein geringer Teil bei CU-Patienten auftrat. Aus diesem Grund ist ein Screening vor Therapieeinleitung obligat. Dieses besteht aus Anamnese, klinischer Untersuchung, Thoraxröntgen und Interferon- Gamma Release Assay (IGRA – QuantiFERON® Gold In-Tube oder T-SPOT.TB®) sowie gegebenenfalls ergänzendem Mendel-Mantoux- Test. Bei aktiver Tuberkulose sind TNF-alpha- Blocker (im Falle der CU Infliximab) kontraindiziert für zumindest zwei Monate einer tuberkulostatischen Dreifachtherapie.
Sollte kein Hinweis auf eine aktive Tb bestehen, aber der IGRA positiv sein, so ist die Präventivtherapie mit Isoniazid über 9 Monate angezeigt (mögliche Alternative: Rifampicin über 4 Monate), wobei nach Möglichkeit erst 4 Wochen nach Beginn der Prophylaxe die TNFalpha- Blockade eingeleitet werden sollte. Auf Nebenwirkungen und Interaktionen der Präventivtherapie ist zu achten.
Außerdem besteht eine erhöhte Empfänglichkeit gegenüber Listeria monocytogenes, sodass Patienten auf entsprechende Vorsichtsmaßnahmen hingewiesen werden müssen, d. h. Vermeiden von unpasteurisierten Milchprodukten und rohen Fleischgerichten.
Andere granulomatöse Erkrankungen wie die Kokzidiomykose, die Nokardiose und die Histoplasmose wurden ebenfalls sporadisch berichtet, wobei die meisten dieser Infektionen in Österreich eine untergeordnete Rolle spielen. Bei entsprechender Reiseanamnese muss jedoch auch an diese Entitäten gedacht werden.
Ein Screening gegenüber Hepatitis B muss ebenfalls vor Einleitung einer TNF-alpha-Blocker-Therapie durchgeführt werden. Bei Hepatitis-B-Positivität wird die antivirale Prophylaxe bzw. Therapie empfohlen.

Kortikosteroide: Bei verlängerter Gabe und höheren Dosen ist mit einer erhöhten Rate von Infektionen zu rechnen, jedoch werden Kortikosteroide üblicherweise nur kurzfristig eingesetzt. Auch bei infektiöser Kolitis scheint die kurzfristige Kortikosteroid-Anwendung sicher zu sein, insbesondere, wenn gleichzeitig Antibiotika gegeben werden.

Ciclosporin: Unter laufender Therapie mit Ciclosporin wird die Prophylaxe gegenüber Pneumocystis jiroveci empfohlen. Hierbei wird Trimethoprim/ Sulfamethoxazol verwendet.

Azathioprin: Unter Therapie besteht die Gefahr einer Myelosuppression, die in bis zu 5% der Patienten beobachtet werden kann. Die Rate an assoziierten Infektionen wird unterschiedlich angegeben und reicht von keinem erhöhten Risiko bis zu über 7%.

Kolektomie: Nach einer Kolektomie kann es zur Pouchitis kommen. Hierbei entzündet sich der ileoanale Pouch nach restaurativer Proktokolektomie. Die antibiotische Therapie mit Ciprofloxacin oder Metronidazol wird in diesem Fall angeraten. Die intraabdominelle Sepsis tritt im Gegensatz zu M. Crohn bei der CU sehr selten auf.

 

Fact-Box

  • Colitis ulcerosa per se prädisponiert nicht für Infektionskrankheiten.
  • Der akute Schub muss von einer Infektion abgegrenzt werden.
  • Regelmäßige Impfungen sind erforderlich.
  • Vor TNF-alpha-Blocker-Therapie Screening gegenüber Tuberkulose und HBV.