Gefäßrehabilitation – wesentlicher Bestandteil der pAVK-Basistherapie

Die Rehabilitation von Patienten mit Gefäßerkrankungen umfasst evidenzbasierte Maßnahmen, die schon zum Zeitpunkt der Diagnose der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), jedenfalls aber nach endovaskulärer oder offen chirurgischer Therapie empfohlen werden. Zum Zeitpunkt der Diagnose der Erkrankung mit oft bereits ausgeprägter lifestylelimitierender Claudicatio intermittens dient die Rehabilitation vorwiegend der Verlängerung der schmerzfreien Gehstrecke. Nach endovaskulärer oder offen chirurgischer Therapie stehen hingegen die Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität sowie gegebenenfalls die rasche Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit im Vordergrund. Im Stadium III und IV nach Fontaine, also bei ischämischen Ruheschmerzen oder trophischen Störungen, sollte prinzipiell eine rasche Revaskularisation angestrebt werden.

Zu den Eckpfeilern der angiologischen Rehabilitation gehören heute das medizinische Training, die Optimierung der medikamentösen Sekundärprophylaxe, die Raucherentwöhnung und eine umfassende Lifestyleberatung hinsichtlich Ernährung und Stressmanagement. Letztendlich sollte ein individuell adaptierter Therapieplan entstehen, der vom Patienten auch umgesetzt werden kann.

Zunehmende Evidenz

Medizinische Trainingstherapie

Der Benefit der körperlichen Aktivität, die, wenn sie strukturiert ist und einen gewissen Umfang und Intensität aufweist, auch als Training bezeichnet wird, ist für die kardiovaskuläre Primär- und Sekundärprävention wissenschaftlich gut untermauert. Für den Gefäßpatienten mit Claudicatio intermittens ist das strukturierte Training aber auch eine direkte Therapiemöglichkeit zur Verlängerung der meist deutlich eingeschränkten schmerzfreien Gehstrecke. Bereits 1892 empfahl Erb seinen Patienten als „Mittel gegen das intermittierende Hinken“ das forcierte Training. Kurz in Vergessenheit geraten, wurde es in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts von Foley, Porje und Lundberg wieder neu entdeckt. Die erste kontrollierte Studie über den Benefit des strukturierten Trainings wurde 1955 von Larsen und Lassen publiziert. In weiterer Folge entstanden in den folgenden Jahrzehnten eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten mit diversen klinischen und pathophysiologischen Fragestellungen.

Der Nutzen: Aufgrund der belastungsinduzierten Beschwerden und funktionellen Beeinträchtigungen in den unteren Extremitäten reduzieren die Patienten in der Regel die Gehgeschwindigkeit oder bewegen sich überhaupt nicht mehr, was heute mit Akzelerometern oder einfach mit einem Smartphone gemessen werden kann und eine Negativspirale in Gang setzt. Das strukturierte Training verbessert die Leistungsfähigkeit am Ergometer, den 6-Minuten-Gehtest und die Lebensqualität, nicht jedoch hämodynamische Parameter, wie den Ankle-Brachial Index (ABI). Ein 12-wöchiges Trainingsprogramm verbessert vor allem den Metabolismus im Skelettmuskel, die endotheliale Dysfunktion sowie die Gangbiomechanik, hat jedoch weniger Einfluss auf die Ausbildung von Kollateralen, wie früher angenommen wurde. Supervidiertes Training in einem stationären oder ambulanten Zentrum ist am effektivsten. Nichtsupervidiertes Training ist weniger effektiv, jedoch ist jegliche körperliche Aktivität dosisabhängig mit einer Reduktion von kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität assoziiert. Ein standardisiertes Trainingsprotokoll wurde von Gardner et al. publiziert und ist in der Tabelle zusammengefasst.

 

 

Leitlinienempfehlung: Aufgrund der guten Evidenz ist das supervidierte, strukturierte Training in den aktuellen pAVK-Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) eine 1a-Empfehlung. In Österreich wird diese Therapieform sowohl im Rahmen einer stationären wie auch in der ambulanten kardiovaskulären Rehabilitation angeboten. Die Phase-II-Rehabilitation wird ambulant 6 Wochen und stationär 3–4 Wochen durchgeführt, die Phase-III-Rehabilitation ambulant über einen Zeitraum von 6 Monaten. Außerdem besteht die Möglichkeit eines ambulanten „Refreshers“ von 4 Wochen. Prinzipiell unterscheidet sich natürlich der Aufbau der Trainingseinheiten bei kardialen und pAVK-Patienten. So können pAVK-Patienten zum Beispiel nicht in einer Wandergruppe mit KHK-Patienten trainieren, da sie aufgrund der reduzierten Gehgeschwindigkeit zurückbleiben. Beim Krafttraining können pAVK-Patienten im Vergleich dazu jedoch ausgesprochen leistungsstark sein.
Das Training sollte idealerweise ein Leben lang ganzjährig weitergeführt werden, wobei die Adhärenz natürlich variiert. Diese kann durch die Implementierung von verhaltenstherapeutischen Maßnahmen sowie die Verwendung von Akzelerometern oder telemedizinischer Observanz gesteigert werden. Eine alleinige ärztliche Empfehlung zu mehr Bewegung ist dagegen wirkungslos.

Training oder invasive Therapie?

Klinische Studien haben sich zunehmend mit der Frage beschäftigt, welche Therapieoption, Training oder Revaskularisation, effektiver bei der Behandlung der Claudicatio intermittens ist. Prinzipiell verbessern beide Therapieansätze die Trainingsperformance und damit auch die schmerzfreie Gehstrecke, wenn auch aufgrund unterschiedlicher Mechanismen. Während die endovaskuläre oder chirurgische Therapie in erster Linie den Blutfluss verbessert, wirkt das Training über eine Verbesserung des mitochondrialen oxidativen Metabolismus im Skelettmuskel, der Verbesserung der endothelialen Funktion und der Gangbiomechanik. Vor diesem pathophysiologischen Hintergrund müsste nun eine Kombination aus beiden Therapiestrategien die besten Ergebnisse erzielen. Tatsächlich konnte schon vor 25 Jahren gezeigt werden, dass eine Kombination aus Bypasschirurgie und Training wirksamer ist als die jeweils einzelne Therapiemaßnahme.

Ziel der CLEVER-Studie war es, erstmals die endovaskuläre Rekanalisation im Bereich der aortoiliakalen Gefäße mit einem strukturierten Training im Rahmen einer randomisierten klinischen Studie zu vergleichen. Allerdings wurde nur ca. jeder zehnte Patient aufgrund der stringenten Ein- und Ausschlusskriterien eingeschlossen. Nach 6 Monaten zeigte sich sowohl in der Stent- wie auch in der Trainingsgruppe eine signifikante Verlängerung der Gehstrecke in der Laufbandergometrie im Vergleich zur Gruppe mit bester medizinscher Therapie, die in der Trainingsgruppe sogar signifikant größer war als in der Stentgruppe. Dieses Ergebnis ist insbesondere deshalb erstaunlich, da die Offenheitsraten nach Stenting der Beckenarterien im Vergleich zu den Arterien unterhalb des Leistenbandes ohnehin sehr gut sind. Auch die Lebensqualität verbesserte sich in beiden Interventionsgruppen. Leider wurde der Studienarm, der Training UND Stenting vergleichen sollte, letztendlich aufgrund schwacher Rekrutierung fallen gelassen.

ERASE-Studie: Schließlich haben die Ergebnisse der ERASE-Studie auch diese Lücke geschlossen. 106 Patienten wurden in eine Gruppe mit Training und endovaskulärer Therapie randomisiert und mit 106 Patienten, die nur mit Training behandelt wurden, verglichen. Wie anzunehmen war, zeigte die Kombinationsgruppe die größte Verbesserung der schmerzfreien Gehstrecke und der Lebensqualität.

Hinsichtlich der Kosten ist die Stent-PTA teurer als eine strukturierte Trainingstherapie, wobei eine niederländische Studie zeigen konnte, dass ein stufenweises Behandlungsschema mit primär strukturiertem Training und gegebenenfalls weiterführender endovaskulärer Therapie am kosteneffektivsten ist.

Optimierung der medikamentösen Sekundärprophylaxe

Die konservativ medikamentöse Therapie ist in den aktuellen pAVK-Guidelines der ESC sehr übersichtlich dargestellt. Unumstritten ist der Nutzen einer Statintherapie in jedem Stadium der pAVK. Zu Änderungen ist es jedoch bei der Empfehlung zum Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern gekommen. Diese werden nun nur mehr bei symptomatischer pAVK empfohlen: einerseits aufgrund der fehlenden eindeutigen Evidenz des Nutzens in der Primärprävention, andererseits aufgrund des doch erhöhten Blutungsrisikos mit potenziell letalem Ausgang. Diese Empfehlung sorgt in der Praxis jedoch manchmal für Verunsicherung, da bei ausgeprägter Atherosklerose in verschiedenen Stromgebieten, wie sie heute in der Duplexsonografie leicht nachgewiesen werden kann, ein gewisses Unbehagen besteht, eine etablierte Therapie mit Azetylsalizylsäure abzusetzen oder nicht einzuleiten, wenn der Gefäßpatient (noch) asymptomatisch ist. Prinzipiell sind Patienten mit pAVK immer noch weniger häufig als KHK-Patienten guidelinekonform therapiert, obwohl Studien gezeigt haben, dass eine Adhärenz zu einer optimalen Sekundärprophylaxe dezidiert das Outcome verbessert.

Raucherentwöhnung

Rauchen ist einer der wichtigsten Risikofaktoren bei der Entstehung und Progression der pAVK. Eine rezente Studie, in die 739 Gefäßpatienten eingeschlossen wurden, zeigte, dass ein konsequenter Rauchstopp zu einer hochsignifikanten Reduktion der 5-Jahres-Mortalität führte (14 % in der Nichtrauchergruppe vs. 31 %). Auch das amputationsfreie Überleben konnte signifikant gesenkt werden (81 % in der Nichtrauchergruppe vs. 60 %). Die Raucherentwöhnung ist somit die wichtigste Lifestylemodifikation, um einer kritischen Ischämie, Amputation oder kardiovaskulären Komplikationen vorzubeugen. Darauf sollte bei jedem Patientenkontakt hingewiesen werden.

Resümee

Die wichtigste Maßnahme für die suffiziente Durchführung der Gefäßrehabilitation ist die Erstellung eines individuellen Therapieplans, der sowohl die Trainingsmodalitäten festlegt wie auch auf die Optimierung der konservativ medikamentösen Therapie und der lifestylemedizinischen Parameter ausgerichtet ist. Regelmäßige Reevaluierung und gegebenenfalls Adaptierung der Therapieempfehlungen sowie verhaltenstherapeutische Ansätze können den Rehabilitationserfolg nachhaltig verbessern.

Literatur bei den Verfassern