Wie jedes Jahr stellte der ESC-Kongress in München ein wissenschaftliches Highlight im Bereich der Kardiologie dar. Aus herzchirurgischer Perspektive waren folgende Studien besonders beachtenswert:
Nach 2014 wurden auf dem diesjährigen ESC-Kongress gemeinsam mit der Europäischen Gesellschaft für Herzchirurgie (EACTS) die neuen Guidelines zur Revaskularisation vorgestellt. In diesen wird der radiale Zugang für Koronarangiografien sowie PCI-Prozeduren dem femoralen Zugang vorgezogen. Bei Patienten mit Hauptstammläsionen oder Mehrgefäßerkrankungen wird empfohlen, den Syntax-Score zu berechnen. Bei PCI sollen nur mehr Drug-eluting Stents verwendet werden. Besonders interessant für Herzchirurgen: Bei Patienten mit hochgradigen Stenosen wird als Graft die A. radialis anstatt der V. saphena magna empfohlen. Wenn Vein-Grafts verwendet werden, empfehlen die neuen Guidelines das Verwenden der sogenannten „no-touch technique“ zur Venenpräparation. Dabei wird die Vene bei der Präparation möglichst nicht berührt, um das Endothel nicht zu schädigen, und somit die Patency der Grafts zu erhöhen.
Patienten mit koronarer Herzerkrankung, Herzinsuffizienz und einer hochgradig reduzierten Linksventrikelfunktion (LVEF ≤= 35 %) profitieren ganz klar von einer Bypassoperation (Klasse-I-Empfehlung) anstatt einer PCI. Wenn eine Bypassoperation durchgeführt wird, soll eine komplette Revaskularisation angestrebt werden.1
In einer Hot-Line-Session wurden vom Principal Investigator Dr. David Taggart (Oxford, England) die 10-Jahres-Daten des vielbeachteten ART Trials präsentiert. Das ART Trial nimmt sich der Fragestellung an, ob die Verwendung der zweiten A. mammaria als Bypassgraft anstelle von Venengrafts das Outcome verbessert. Bei dieser Studie wurden 3.102 Patienten vor der Bypassoperation 1 : 1 in eine Single-Graft- und eine Bilateral-Graft-Gruppe randomisiert. Zehn Jahre nach der Operation fanden sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen bezüglich Mortalität, Myokardinfarkt oder Schlaganfall in der Intention-to-treat-Analyse. Beachtenswert bei dieser Studie ist die hohe Cross-over-Rate: 36 % der Patienten erhielten eine andere Therapie, als die Randomisierung beabsichtigte. In der As-treated-Analyse hingegen zeigte sich ein klarer Benefit für Patienten mit multipler arterieller Revaskularisierung betreffend Überleben oder Myokardinfarkt oder Schlaganfall. Die hohe Cross-over-Rate der Studie wurde kontroversiell diskutiert. Einer der Hauptgründe könnte mit der technischen Schwierigkeit einer bilateralen Mammaria-Operation zusammenhängen. Patienten, die von Chirurgen, die mehr als 50 bilaterale Mammaria-Bypassoperationen durchgeführt hatten, operiert wurden, zeigten ein deutlich verbessertes Überleben als Patienten, die von unerfahreneren Chirurgen operiert wurden. Der endgültige Benefit von multipler arterieller Revaskularisation soll im ROMA Trial – einer Nachfolgestudie – geklärt werden.2
Eine der meisterwarteten Studien war das MITRA-FR Trial. Ziel der Studie war es, den Effekt von Edge-to-Edge-Mitralklappenrepair (MitraClip®) bei Patienten mit eingeschränkter Linksventrikelfunktion (LVEF 15–40 %) und hochgradiger sekundärer Mitralklappeninsuffizienz (EROA > 20 mm2 oder RV > 30 ml) zu beurteilen. 307 Patienten wurden 1 : 1 in Kontrollgruppe (optimale medikamentöse Therapie) oder Interventionsgruppe (optimale medikamentöse Therapie und Edge-to-Edge-Mitralklappenrepair [MitraClip®]) randomisiert. Das für viele doch etwas überraschende Ergebnis der Studie: Nach 12 Monaten war kein Unterschied im primären Outcome (Überleben oder Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz) festzustellen (Tab. und Abb. 1). Mit Spannung werden die Ergebnisse der COAPT-Studie erwartet, die sich der gleichen Fragestellung annimmt und eine höhere Patientenzahl aufweist. Die Indikation des Edge-to-Edge-Mitralklappenrepair (MitraClip®) bleibt weiterhin umstritten.3
Die Gruppe um Dr. Georg Goliasch aus Wien konnte spannende neue Erkenntnisse bezüglich der Aortenklappenstenose präsentieren: Die Wiener konnten in einer prospektiven Studie erstmals zeigen, dass Patienten mit Synkopen ein deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko nach chirurgischem Aortenklappenersatz haben verglichen mit Patienten, die nie eine Synkope erlitten haben (Abb. 2). Andere typische Symptome der Aortenklappenstenose wie Dyspnoe oder Angina waren hingegen nicht mit erhöhter Mortalität vergesellschaftet. Diese Beobachtung beruht wahrscheinlich auf der Tatsache, dass Patienten mit Synkopen bereits an einer fortgeschritteneren Form der Aortenklappenstenose mit verringerter Aortenklappenöffnungsfläche und kleineren kardialen Volumina leiden.4