Beim diesjährigen Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie in Wien wurden neue wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Bereich der Therapie und der Pathogenese diverser rheumatologischer Krankheiten präsentiert. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Arbeitsergebnissen von sowohl neu gegründeten als auch bereits bestehenden Arbeitsgruppen.
Januskinasen-(JAK)-Inhibitoren hemmen im Gegensatz zu herkömmlichen Biologika, deren Wirkung sich gegen Zytokine und extrazelluläre Signalwege richtet, intrazelluläre Signalwege. Die JAK-Signalkaskade beginnt mit der Bindung der Zytokine an ihren Rezeptor. Dies führt zur Aktivierung von JAKs, die wiederum den Rezeptor und STATs (Signal Transducers and Activators of Transcription) phosphorylieren. In dieser Weise aktivierte STATs als Dimere wandern zum Nukleus und aktivieren die Gentranskription. In Säugetierzellen sind 4 verschiedene Varianten zu finden (JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2). Ihre Funktion beinhaltet nicht nur die Kontrolle der Inflammation, sondern JAKs haben auch eine essenzielle Rolle in der Erythropoese, Myelopoese, B- und T-Zell-Differenzierung, in der immunologischen antiviralen Antwort sowie bei der Granulopoese. Aufgrund dieser komplexen und vielfältigen Funktionen der einzelnen JAKs wurde besonderes Augenmerk auf das Sicherheitsprofil der potenziellen JAK-Inhibitoren gerichtet.
Tofacitinib: Seit November dieses Jahres ist der JAK-Inhibitor Tofacitinib als orales Präparat in den USA von der Zulassungsbehörde FDA zur Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen.
In der ORAL-Standard-Studie wurde Tofacitinib nach unzureichendem Ansprechen auf MTX verabreicht und seine Wirksamkeit mit Adalimumab verglichen. Sowohl bei der Behandlung mit Tofacitinib als auch mit Adalimumab zeigten sich signifikant bessere Ergebnisse im Vergleich zum Placebo. In der ORAL-Step-Studie wurde die Wirksamkeit von Tofacitinib bei rheumatoider Arthritis mit unzureichendem Ansprechen auf die Behandlung mit TNF-Blockern untersucht. Die Ergebnisse zeigen eine überlegene Wirksamkeit von Tofacitinib.
Die Nebenwirkungen von Tofacitinib wurden im Allgemeinem als mild bis moderat bezeichnet bzw. wurde ein akzeptables Sicherheitsprofil berichtet. Es besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko, das mit bisher publizierten Daten zu RA-Patienten unter DMARDs/Biologika vergleichbar ist.
Fostamatinib: In der Phase III befindet sich mit Fostamatinib (Syk-Inhibitor) ein weiterer JAK-Inhibitor. Die bisherigen klinischen Daten sprechen dafür, das Fostamatinib einen Stellenwert in der Therapie von Patienten mit aktiver RA bekommen könnte, jedoch sind die Effektivität und Sicherheit im Langzeitverlauf noch nicht überprüft worden.
Weitere JAK-Inhibitoren wie Baracitinib, VX-509 und GLPG0634 befinden sich in der Phase II der klinischen Prüfung.
In der Phase-IIIb-Studie ACQUIRE konnte eine vergleichbare Effektivität von Abatacept s. c. und i. v. während einer 6-monatigen doppelblinden Therapiephase gezeigt werden. Die subkutane Darreichungsform von Abatacept (125 mg Abatacept wöchentlich) wies eine gute Verträglichkeit auf und das Sicherheitsprofil war vergleichbar mit der intravenösen Applikation von Abatacept. Auch nach der Umstellung von intervenöser auf eine subkutane Darreichungsform (ATTUNE-Studie) war mit keinem Wirkungsverlust zu rechnen und das Sicherheitsprofil blieb gleich. In der Head-to-Head-Studie (AMPLE) mit Abatacept s. c. versus Adalimumab s. c. fanden sich analoge Wirkungsgrade und beide Medikamente waren gut verträglich. Abatacept ist seit 2010 in Europa als First-Line-Biologikum zugelassen und zeichnet sich durch einen schnellen Wirkeintritt sowie durch eine anhaltende Wirksamkeit aus. Die österreichische Zulassung für subkutanes Abatacept ist für Sommer 2013 geplant.
In der ADACTA-Studie werden die in der RA-Monotherapie zugelassenen Biologika Tocilizumab und Adalimumab miteinander verglichen. Die Daten weisen auf eine überlegene Wirksamkeit der Tocilizumab-Monotherapie hin. Auch Langzeitdaten aus der Studie ACT-RAY bestätigen die Wirksamkeit der Tocilizumab-Monotherapie im Vergleich zur Kombinationstherapie mit Methotrexat (MTX).
Bisher liegt keine konsequente Evidenz für die Überlegenheit einer Anti-TNF-Monotherapie vor. Aufgrund der Daten für Adalimumab (PREMIER) und Etanercept (ERA, TEMPO, COMET) als Monotherapeutika ist mit einer verzögerten radiologischen Progression zu rechnen, die Standardkombination mit MTX bleibt derzeit die Empfehlung. Studien zu Abatacept (ARRIVE) und Rituximab geben Hoffnung, dass sie auch als potenzielle Monotherapeutika geeignet sein könnten.
Die Meta-Datenauswertung der randomisierten und kontrollierten RA-Studien mit Biologika (63 Studien mit 29.423 Patienten) weisen darauf hin, dass die Behandlung entzündlich-rheumatischer Erkrankungen mit Biologika nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergeht. Die Verwendung von Biologika bei Patienten mit RA war nicht mit einem signifikant erhöhten Risiko von Malignomen im Vergleich mit anderen DMARDs oder mit Placebo verbunden (Lopez-Olivo, JAMA 2012).
Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis, Spondylitis ankylosans und auch bei Kollagenose findet sich vermehrt eine systemische Osteoporose. Rheumatoide Arthritis und periphere Spondylarthritis sind häufig verbunden mit gelenknahen Osteoporosen. Die Ursachen der gelenknahen und systemischen Osteoporose sind multifaktoriell. Eine zentrale Rolle spielen die Zytokine (Interleukin 1, Interleukin 6, TNF-alpha etc.) sowie die krankheitsbedingte Immobilität und häufig verwendete Kortikosteroide.
Frakturrisiko bestimmen: Um zu klären, ob eine Indikation zur Einleitung einer Osteoporosetherapie besteht, wird zusätzlich zur konventionellen Knochendichtemessung auch eine individuelle Frakturrisiko-Stratifizierung angestrebt. Kostenlose Online-Berechnungstools zur Errechnung des individuellen Frakturrisikos sind FRAX® sowie Berechnungsmodelle von Seiten des Dachverbandes Osteologie (DVO) und QFracture® von einer britischen Arbeitsgruppe.
Biologika und Osteoporose: Erfreulicherweise spricht die aktuelle Datenlage dafür, dass Biologika durch die Osteoklastenhemmung und Osteoblastenstimulation einen positiven Einfluss auf die Osteoporose haben.
Das Glykoprotein Sklerostin hemmt die Knochenneubildung durch die Blockierung des Wnt-Signalings an den Osteoblasten – vielleicht kündigt sich hier ein neuer Marker für die Regulation des Knochenstoffwechsels oder ein neues Therapiekonzept in der Behandlung der Osteoporose an.
Besonders interessant war der Austausch erster klinischer Erfahrungen mit Belimumab (Benlysta®) mit der ersten spezifisch für die Therapie des SLE zugelassenen Substanz. Zudem ist Belimumab das erste Biologikum (BlyS-Antagonist) für die Zusatztherapie bei erwachsenen Patienten mit aktivem SLE, die trotz Standardtherapie eine hohe Krankheitsaktivität haben. Zusammenfassend sind die geschilderten Erfahrungsberichte positiv bewertet, wobei die Frage noch offen bleibt, wie die Wirksamkeit außerhalb der Zulassungsindikationen ist.
Lupusnephritis: Bei der diesjährigen ÖGR-Jahrestagung wurden auch die aktuellen EULAR- und ACR-Empfehlungen zur Therapie von Lupusnephritis (LN) präsentiert.
Bei Patienten mit Klasse-III- oder Klasse-IV-LN wird sowohl von EULAR als auch von ACR Mycophenolat-Mofetil (MMF) niedrig dosiertes i. v. Cyclophosphamid (CYC) oder bei histologisch ungünstiger Prognose in höheren Dosen (0,75–1 g/m2) für 6 Monate oder oral für 3 Monate in Kombination mit Glukokortikoiden empfohlen.
Bei Klasse-V-LN und einer höheren Proteinurie wird zur Induktion eine Kombination aus MMF und oralem Prednisolon angeraten.
ARRIMUS (Austrian Radiology-Rheumatology Initiative for Musculoskeletal Ultrasound):
Dieses Jahr war besonders erfolgreich in der Umsetzung des EULAR-Ausbildungskonzepts und der Richtlinien für muskuloskeletale Sonografie in Österreich. Ein entsprechendes ÖGR-Zertifikat ist geplant.
Konventionelle DMARD-Therapie: Dieser Arbeitsbereich berichtete über den Einsatz der DMARDs und Schwangerschaft. Bei einer Therapie mit MTX und Leflunomid (Arava®) besteht eine strikte Kontraindikation während der Schwangerschaft, jedoch Salazopyrin, Hydroxychloroquin und Azathioprin können unter strenger Indikation angewendet werden.
Der Arbeitskreis für Biologikatherapie produzierte das Konsensus-Statement „Tuberkulose & Biologika“. Der zweite Teil setzt sich mit den vielfältigen nicht-tuberkulösen Infektionen bei Patienten unter Biologikatherapie auseinander.
Leistungsposition für die Rheumatologie in Oberösterreich: Ab 1. Juli 2012 ist die neue Leistungsposition in die oberösterreichischen Honorarordnung aufgenommen worden. Diese beträgt 60 Euro für die Therapieumstellung mit krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARD) bzw. Überwachung.
Der Arbeitskreis Spondyloarthritis kündigte das Österreichische Spondyloarthritis-Seminar für den 25.–27. April 2013 in Graz an.