Hypertrophe Kardiomyopathie

Die hypertrophe Kardiomyopathie ist durch eine Verdickung der Wände des linken Ventrikels gekennzeichnet, die nicht durch eine Nachlasterhöhung erklärt werden kann. Die Wandverdickung kann konzentrisch alle Teile des linken Ventrikels umfassen, asymmetrisch das Septum interventriculare betreffen oder auf die linksventrikuläre Spitzenregion beschränkt sein. Wenn die Wandverdickung den linksventrikulären Ausflusstrakt betrifft, kann dies zu einer Obstruktion führen, man spricht dann von einer hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie.

Epidemiologie

Die Inzidenz der hypertrophen Kardiomyopathie beträgt 19/100.000/Jahr, und die Prävalenz liegt bei ca. 200/100.000. Eine obstruktive Form der hypertrophen Kardiomyopathie liegt in ca. 25 % aller Fälle vor.

Ätiologie und Pathogenese

Bei der hypertrophen Kardiomyopathie handelt es sich bei ca. 50 % um familiäre Fälle, die autosomal-dominant mit inkompletter Penetranz vererbt werden. Zahlreiche Mutationen in verschiedenen Genen wurden beschrieben. Eine schlüssige Genotyp-Phänotyp-Korrelation steht bisher aus. Bei der hypertrophen Kardiomyopathie kommt es zu einer Verdickung des Myokards und Desorganisation der Herzmuskelzellen. Zusätzlich findet man Abnormitäten des Bindegewebes, wie wandverdickte intramurale Koronar-Arteriolen, elongierte Mitralklappensegel, kongenitale Veränderungen an der Mitralklappe und eine ausgeprägte Myokardfibrose.
Eine Verdickung des linksventrikulären Myokards kann aber auch im Rahmen von Muskel- und Systemerkrankungen auftreten (Tab.).

 

 

Pathophysiologie

Eine diastolische Dysfunktion ist durch eine abnorme Relaxation des Myokards wegen einer erhöhten Steifigkeit des linken Ventrikels bedingt. Daraus resultieren erhöhte linksatriale und ventrikuläre enddiastolische Drucke, Lungenstauung und eine verminderte Belastbarkeit.

Die Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes ist entweder unterhalb der Aortenklappe oder im mittleren Anteil des linken Ventrikels lokalisiert. Die Obstruktion kann fixiert sein, das heißt, sie ist auch in Ruhe nachweisbar, oder sie ist dynamisch, das heißt, das Ausmaß der Obstruktion hängt von hämodynamischen Bedingungen wie Nachlast, Füllungszustand und Kontraktilität des linken Ventrikels ab.

Myokardischämie ist eine Folge von Abnormitäten der intramuralen Koronar-Arteriolen, die verdickte Wände und ein verengtes Lumen aufweisen, und einer Diskrepanz zwischen dem verdickten Myokard und dem Fluss in den Koronargefäßen. Myokardischämie kann zu Myokardfibrose führen und trägt damit zur Entwicklung einer diastolischen und systolischen Dysfunktion bei. Myokardischämie spielt auch bei der Entstehung ventrikulärer Arrhythmien und beim plötzlichen Herztod eine Rolle.

Veränderungen an der Mitralklappe können zu einer Mitralinsuffizienz führen. Bei der obstruktiven Form der hypertrophen Kardiomyopathie findet sich eine charakteristische systolische Vorwärtsbewegung des vorderen Mitralsegels (SAM = systolic anterior motion), das sich in Richtung des Septum interventriculare vorwölbt und zur Verengung des linksventrikulären Ausflusstraktes beiträgt.

Symptome und Krankheitsverlauf

Viele Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie sind asymptomatisch und werden im Rahmen von Familienuntersuchungen entdeckt. Symptome sind Belastungsdyspnoe, Angina Pectoris, Palpitationen, Präsynkope, Synkope und verminderte Belastbarkeit. Viele Patienten bleiben über Jahre in einem stabilen Zustand, es kann aber auch zu einer Verschlechterung mit folgenden Verläufen kommen:

  • plötzlicher Herztod bei jungen asymptomatischen oder oligosymptomatischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen
  • Zunahme der Symptome mit guter systolischer linksventrikulärer Funktion
  • Vorhofflimmern
  • Herzinsuffizienz mit linksventrikulärer Dilatation und systolischer Dysfunktion, auch „end-stage phase“ genannt.

Diagnose

Klinische Untersuchung: Wenn es sich um eine hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie handelt, findet sich ein spätsystolisches Austreibungsgeräusch mit Punctum maximum am linken Sternalrand, das durch körperliche Belastung verstärkt wird.

Im EKG finden sich Zeichen der Linksherzhypertrophie. Weitere häufige EKG-Veränderungen sind pathologische Q-Zacken und eine Verlängerung der QT-Dauer. Bei der apikalen Form der hypertrophen Kardiomyopathie finden sich riesige negative T-Wellen, vor allem in den Brustwandableitungen. Das Vorliegen einer peripheren Niederspannung sollte an eine Speichererkrankung als Ursache der hypertrophen Kardiomyopathie denken lassen.

Echokardiografie: Eine hypertrophe Kardiomyopathie wird dann diagnostiziert, wenn sich eine linksventrikuläre Wandverdickung von ≥ 15 mm findet, die entweder alle Teile der linksventrikulären Wand umfasst oder asymmetrisch verteilt ist, und wenn andere Erkrankungen, die diese Wandverdickung erklären könnten, ausgeschlossen sind.
Mittels der Continuous-wave-(CW-)Dopplersonografie lassen sich maximale Geschwindigkeit und Gradient im linksventrikulären Ausflusstrakt ermitteln. Typischerweise findet sich bei Obstruktion im linksventrikulären Ausflusstrakt ein spätsystolisches „säbelscheidenartiges“ Flussprofil. Zur Entdeckung latenter Formen einer Ausflusstrakt-Obstruktion ist eine körperliche Belastung sinnvoll.

Kardiale Magnetresonanz-Untersuchung: Lässt sich infolge schlechter Bildqualität das Ausmaß der linksventrikulären Wandverdickung echokardiografisch nicht ausreichend quantifizieren, kann dies durch eine kardiale Magnetresonanz-Untersuchung erfolgen. Durch kardiale Magnetresonanz-Untersuchung mit Kontrastmittel kann das Ausmaß der Fibrose quantifiziert werden, was vermutlich bei der Prognoseabschätzung hilft.

Koronarangiografie und Myokardbiopsie: Wenn kardiovaskuläre Risikofaktoren und Angina Pectoris vorliegen, sollte eine Koronarangiografie erfolgen. Eine Myokardbiopsie sollte immer dann in Betracht gezogen werden, wenn die Ursache der Wandverdickung unklar ist oder der Verdacht auf Systemerkrankung oder Myopathie besteht, die auf anderem Weg nicht abgeklärt werden kann.

Familienuntersuchung: Verwandte ersten Grades sollten mittels Anamnese, klinischer Untersuchung, 12-Ableitungs-EKG und Echokardiografie untersucht werden. Da eine hypertrophe Kardiomyopathie auch noch im Erwachsenenalter entstehen kann, empfiehlt es sich, bei unauffälligen Befunden die oben genannten Untersuchungen alle 5 Jahre zu wiederholen.

Genetische Untersuchungen bei hypertropher Kardiomyopathie sind derzeit nicht Teil der klinischen Routine. Gründe hierfür sind die genetische Heterogenität der Erkrankung und die Seltenheit, mit der jede einzelne Mutation vorkommt.

Aspekte zur Therapie

Therapie von asymptomatischen Patienten: Solange Patienten keine Symptome aufweisen, ist keine Therapie indiziert. Asymptomatische Patienten sollten über ihre Erkrankung aufgeklärt werden. Wenn die genetische Untersuchung eine Mutation bei einem Probanden zeigt, bei dem kein Hinweis auf das Vorliegen einer hypertrophen Kardiomyopathie vorliegt (negativer Phänotyp), wird eine Nachbeobachtung empfohlen.

Medikamentöse Therapie: Betablocker sind die Therapie der ersten Wahl bei Patienten, die unter Belastungsdyspnoe oder Angina Pectoris leiden. Betablocker senken die Herzfrequenz, damit wird die Diastole und Relaxationszeit des linken Ventrikels verlängert. Zusätzlich wirken Betablocker negativ inotrop, vermindern damit den myokardialen Sauerstoffverbrauch und, in unterschiedlichem Ausmaß, den Gradienten im linksventrikulären Ausflusstrakt.
Verapamil ist der Calcium-Antagonist, für den die meisten Daten vorliegen; diese zeigen, dass es unter dieser Therapie zu einer Besserung der Symptome kommt. Die Relaxation und damit Füllung des linken Ventrikels wird erleichtert, und durch die
negativ inotrope Wirkung kommt es zu einer Verminderung des myokardialen Sauerstoffverbrauches. Verapamil senkt aber den peripheren Gefäßwiderstand, was zu einer Zunahme des Gradienten im linksventrikulären Ausflusstrakt führen kann.
Disopyramid ist eine negativ inotrope Substanz aus der Klasse der I-A-Antiarrhythmika. Disopyramid führt zu einer Besserung der Symptome bei Patienten mit hypertroph obstruktiver Kardiomyopathie infolge einer Abnahme der systolischen Vorwärtsbewegung des vorderen Mitralsegels, der Obstruktion des Ausflusstraktes und der Mitralinsuffizienz. Eine Kombination von Disopyramid mit einer niedrigen Dosis eines Betablockers wird empfohlen, um eine hohe Herzfrequenz bei Vorhofflimmern/Flattern zu vermeiden. Nachteile von Disopyramid sind anticholinerge Nebenwirkungen, Tachykardie und eine potenziell proarrhythmogene Wirkung. Deswegen sollte Disopyramid nur bei Patienten zum Einsatz kommen, bei denen durch Betablocker und Verapamil keine Verbesserung erreicht werden kann.

Medikamente, die mit Vorsicht oder überhaupt nicht gegeben werden sollten: Diuretika sollten mit Vorsicht verabreicht werden, weil Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie hohe Füllungsdrucke brauchen. Medikamente, die den peripheren Widerstand senken oder positiv inotrop wirken – wie zum Beispiel Nitroglycerin, ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorantagonisten, Phosphodiesterase-Hemmer, Nifedipin, Digitalis oder Sympathomimetika – sollten vermieden werden, wenn eine Obstruktion vorliegt. Wegen des proarrhythmischen Effektes sollte eine Kombination von Disopyramid mit Amiodaron, Sotalol, Chinidin oder Verapamil unterlassen werden.

Therapie des Vorhofflimmerns: Da die hämodynamischen Auswirkungen ungünstig sind, sollte Vorhofflimmern bei hypertropher Kardiomyopathie elektrisch oder pharmakologisch kardiovertiert werden. Sollte es nicht möglich sein, den Sinusrhythmus wiederherzustellen, empfiehlt sich eine Frequenzkontrolle mit Betablockern oder Verapamil. Eine Antikoagulationstherapie mit Vitamin-K-Antagonisten und einem INR-Zielbereich von 2,0–3,0 sollte bereits bei der ersten Episode von Vorhofflimmern begonnen werden, da das Embolie-Risiko hoch ist.

Therapie der systolischen Dysfunktion („end-stage phase“): In dieser Situation sollte eine Nachlastreduktion erfolgen, und ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker, Diuretika, Digitalis und Spironolacton sind indiziert. Es ist nicht bekannt, ob eine Therapie mit Betablockern in dieser Situation sinnvoll ist. Bei Nichtansprechen auf Pharmakotherapie sollte eine Herztransplantation in Erwägung gezogen werden.

Nichtmedikamentöse Behandlung der hypertroph obstruktiven Kardiomyopathie: Ein Eingriff zur Reduktion der Dicke des Septum interventriculare bei hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie sollte erwogen werden, wenn folgende 3 Bedingungen vorhanden sind:

  • Dyspnoe bei geringer Belastung oder schon in Ruhe trotz medikamentöser Therapie,
  • Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstraktes mit einem Gradienten ≥ 30 mm Hg in Ruhe oder ≥ 50 mm Hg nach Provokationsmanöver,
  • Verdickung des Septum interventriculare ≥ 15 mm.

Als Behandlungsmethoden stehen die chirurgische Myektomie, die perkutane transluminale septale Myokard-Ablation (PTSMA) und die Schrittmachertherapie im DDD-Modus zur Verfügung. All diesen Methoden ist gemeinsam, dass sie nur in Zentren mit entsprechender Erfahrung durchgeführt werden sollten. Es fehlen prospektiv randomisierte Studien, welche die PTSMA mit der chirurgischen Myektomie vergleichen. Bei älteren Patienten und solchen mit hohem chirurgischen Operationsrisiko sollte eher die PTSMA, bei jüngeren Patienten und solchen mit wenig Komorbiditäten eher die Myektomie in Erwägung gezogen werden. Die DDD-Schrittmachertherapie sollte nur bei jenen Patienten zur Anwendung kommen, bei denen weder Myektomie noch PTSMA in Frage kommen.

Prävention des plötzlichen Herztodes: Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie sollten hinsichtlich ihres Risikos für einen plötzlichen Herztod stratifiziert werden. Die Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie empfehlen einen online verfügbaren Sudden Death Risk Calculator (Abb.). Primärprophylaxe mit einem implantierbaren Kardioverter/Defibrillator (ICD) sollte bei Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie erwogen werden, bei denen das 5-Jahresrisiko für den plötzlichen Herztod > 6 % beträgt. Ein ICD ist die Therapie der Wahl nach überlebtem Kreislaufstillstand oder dokumentierter ventrikulärer Tachykardie.

 

 

Körperliche Aktivität bei hypertropher Kardiomyopathie

Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie sollten keinen Leistungssport betreiben. Ansonsten ist sportliche Aktivität erlaubt. Abgeraten werden sollte von Sportarten, die mit einer plötzlichen Belastung einhergehen, wie zum Beispiel Sprinten oder Gewichtheben.

Prognose

Die Prognose von Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie ist sehr unterschiedlich. Patienten mit hypertropher obstruktiver oder latenter obstruktiver Kardiomyopathie haben eine schlechtere Prognose als Patienten ohne Obstruktion. Eine besonders schlechte Prognose haben Patienten mit hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie, wenn sie zusätzlich Vorhofflimmern entwickeln.