Philipp Jost: Die MedUni Graz bietet eine Reihe sehr guter klinischer, aber auch wissenschaftlicher Möglichkeiten. Es gibt – auch aufgrund der positiven Campus-Struktur – sehr gute, enge Vernetzungen zwischen vorklinischen und klinischen Instituten. Die Interaktion an der Klinik, aber auch mit zuweisenden Ärzten und den umliegenden Krankenhäusern habe ich bisher als sehr positiv wahrgenommen. Insgesamt ist die klinische Abteilung für Onkologie sehr gut organisiert und aufgestellt. Mit einem Einzugsbereich von etwas über 1 Million Menschen wird hier auch der Zentrumsgedanke hier exemplarisch gelebt.
Die Onkologie wird immer heterogener und auch komplexer; sie bietet heutzutage Therapien für immer kleiner werdende onkologische Subgruppen. Das betrifft alle Bereiche: von der Vorsorge über die Diagnostik, die Therapie bis hin zu Nachsorge bzw. Erhaltungstherapien. Ich bin deshalb auch davon überzeugt, dass wir in den nächsten Jahren einen deutlichen Zuwachs an Optionen in all diesen klinischen Bereichen erleben werden, was einen größeren technischen, aber auch personellen Aufwand mit sich bringen wird. All diese Umstände lassen eine gewisse Zentralisierung der Onkologie sinnhaft erscheinen, auch angesichts eines höher werdenden Patientenaufkommens.
In der Onkologie sind grundsätzlich sehr viele verschiedene Organsysteme involviert. Wir betreuen oft multimorbide Patienten; oft sind neben der onkologischen Therapie auch internistische Komorbiditäten zu behandeln. Daher ist ein sehr enger Austausch mit unseren internistischen Kollegen selbstverständlich; die onkologische Therapie umfasst aber genauso die onkologische Chirurgie, Strahlentherapie, Pathologie und nicht zuletzt die Humangenetik. In der Querschnittsmaterie Onkologie wird die Interdisziplinarität daher sozusagen idealtypisch gelebt und zwar tagtäglich.
Die Struktur der Klinik ist bereits sehr gut aufgestellt, ich würde daher gerne die vorhandenen Schwerpunkte stärken und ausbauen. Wichtig wäre mir eine weitere Fokussierung auf die klinische Forschung zu gewissen Tumorentitäten, die bereits von assoziierten Professoren an der Klinik exzellent betrieben wird.
Daneben möchte ich die Weiterentwicklung der personalisierten Onkologie vorantreiben, und zwar im Sinne einer tumorübergreifenden molekularen Annotation von Tumorpatienten in Richtung eines besseren molekularen Verständnisses von Tumorerkrankungen und potenziellen Therapieoptionen.
Für den Spagat zwischen klinischer Medizin und Grundlagenforschung, aber auch psychoonkologische und palliative Betreuung braucht es zum einen eine gute Organisation, wie sie hier in Graz auch gelebt wird, zum anderen bedarf es einer hohen Motivation, und zwar im Sinne eines intrinsischen Interesses all jener, die in der Onkologie tätig sind. Die vielen Bereiche unter einen Hut zu bringen ist keine einfache Aufgabe, aber eine, die sich lohnt, denn es sind die forschungsorientierten Ärzte, die neben einem molekularen Krankheitsverständnis auch einen breiten klinischen Überblick entwickeln möchten.
Die Studierenden sollen bereits möglichst früh auch an Querschnittsfächer wie die Onkologie herangeführt werden. Die Mischung aus theoretischer und praktischer Arbeit muss so gestaltet sein, dass die Materie verstanden und erlebt werden kann. Neben einer sinnvollen Vorlesungsstruktur müssen weitere Elemente wie Bedside-Teaching oder problemorientiertes Lernen dazu beitragen, komplexe onkologische Prozesse zu verstehen. Was wir an unserer Klinik erleben, sind sehr positive Rückmeldungen von Studierenden, die bei uns ihre Diplomarbeit verfassen, was in weiterer Folge ein hohes Interesse an der Arbeit in der Onkologie mit sich bringt. Das zeigt, dass die Vermittlung onkologischer Inhalte – entsprechende Interesse vorausgesetzt – durchaus funktioniert. Wichtig ist, dass auch die Lehre den sich ständig verändernden klinischen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten angepasst wird.