Impfung gegen Hypertonie – Zukunft oder falsche Hoffnung?

Impfung gegen Hypertonie ist eine Idee, die immer wieder von neuem probiert wurde. Die allererste Publikation stammt aus dem Jahr 1951, verfasst von Goldblatt und veröffentlicht im „Journal of Association of American Physicians“.

Ansatz Immunisierung gegen Renin

1958 publizierte Walkerlin den Effekt von passivem Reninantikörpertransfer vom Schwein auf hypertensive Hunde und zeigte eine kontinuierliche Blutdrucksenkung. 1971 beispielsweise publizierten Brunner und Mitarbeiter in der Fachzeitschrift „Science“ über den Effekt von Reninantikörpern verglichen mit Angiotensin-II-Rezeptorhemmern und konnten eine vergleichbare Wirkung aufzeigen. Einige Jahre vorher schrieben Deodhar, Haas und Goldblatt im „Journal of Experimental Medicine“ (1964): „Die fortschreitende Bildung von Antirenin als ein Ergebnis wiederholter subkutaner Injektionen von azetyliertem Hunderenin in einem Hund mit experimentell renaler Hypertonie über mehr als 6 Jahre führte zu einer konstanten Senkung des mittleren arteriellen Druckes bis zu einer Normalisierung.“
Im „International Journal of Cardiology“ wurde 2009 eine Zusammenfassung mehrerer Publikationen über Antireninbehandlung des Bluthochdrucks aufgezählt. Studien wurden an Menschen, Hunden, Ratten, Affen durchgeführt.
Im Wesentlichen zeigte sich durchaus ein Erfolg durch Immunisierung gegenüber Renin. Die Idee ist also alt, wurde über Jahrzehnte hinweg immer wieder probiert und ist in ihrem Konzept bis jetzt gescheitert.

Probleme in der Entwicklung einer Hypertonie-Impfung

Eine Hypertonieimpfung muss bestimmte Kriterien erfüllen: wie die Identifizierung möglicher Targetgene, der Vektor muss passen und das Zielgen präzise ansteuern und erreichen, der Transportweg muss optimal sein, es muss eine ausreichende Persistenz des Vektors gewährleistet sein.
Eines der großen Probleme liegt in der Identifizierung möglicher Targetgene. Hier eignen sich möglicherweise Teile des RAS (Renin-Angiotensin-System) besonders gut, um eine Antisense-Therapie durchzuführen. Wichtig ist auch die Möglichkeit, den Erfolg zu evaluieren – nämlich nicht nur zu überprüfen, ob der Blutdruck gesenkt wird, sondern auch ob das Gen überhaupt eingeschleust wurde. Die Identifizierung von möglichen Zielgenen ist schwierig.
Die Methoden der Genforschung sind limitiert und beschränken sich auf Techniken wie Zwillingsforschung, Stammbaumuntersuchungen, epidemiologische Untersuchungen und Tiermodelle. Probleme in der Genforschung resultieren aus der Komplexität der Ursachen der Hypertonie – wie Umwelteinflüsse, Lebensgewohnheiten, Salzzufuhr, sozioökonomische Einflüsse, Stress, Übergewicht, Komorbiditäten, genetische Varianten, ätiologische Heterogenität des Krankheitsbildes und andere.

Beispiele für eine Impfung gegen Hypertonie

Sense-Gentherapie: Ein Beispiel für ein Sense-Gen stammt aus einer Arbeit von Wang in „Hypertension“ (2009). Hier wurde die Expression des Klotho-Gens verhindert, wodurch die Progression spontaner Hypertension im Rattenmodell gehemmt werden konnte. Das Antiaging-Gen Klotho kodiert für ein Transmembranprotein, die Betaglukoronidase (Klotho ist die griechische vorhellenische Schicksalsgöttin, die Spinnerin, die die Dauer und die Umstände des Lebens auf ihrem Spinnrad spinnt).

Antisense-Gentherapie: Die Einbringung eines Gens, das die Expression eines bestimmten Proteins hemmt, nennt man Antisense-Gen. Als Beispiel hierfür wäre die Einbringung eines AT1-Antisense-Gens mittels retroviralen Vektors in das Myokard von salzsensitiven Ratten anzuführen, welches zu lebenslanger Normotonie führt (40%ige Reduktion der Expression von AT1R), publiziert von Phillips und Mitarbeitern in „Hypertension“ (1997).
Unter diese Kategorie wäre auch Cyt006-AngQb einzureihen. Im Besonderen möchte ich 2 Vakzine bzw. „small molecules“ und deren Wirkung am RAS näher beleuchten, nämlich PMD-3117 und AngQb.

Beispiel PMD-3117 und AngQb: PMD-3117 hemmt Angiotensin I, während AngQb Angiotensin II hemmt. Cyt006-AngQb hat sich als vielversprechender Kandidat für einen Impfstoff erwiesen. Antikörper konnten im Rattenexperiment sehr gut hervorgebracht werden und erreichten einen Spitzenwert am 42. Tag nach Verabreichung der Impfung (Journal Hypertension 2007; 25:63-72). Im Experiment zeigte sich auch an spontan hypertensiven Ratten eine signifikante Reduktion des systolischen und diastolischen Blutdrucks.
Ein anderes Target wäre z. B. Endothelin 1. Als weitere Vektoren für Antisense-Gene sind Plasmide oder Liposomen zu nennen. Eine Übersicht darüber geben Puddu und Mitarbeiter in „Cardiology“ (2007).

Regulierte Vektor-mediierte Therapie: Wird ein Gen eingebracht, das die Expression eines bestimmten Proteins nur in Anwesenheit eines weiteren Stoffes (z. B. Tetrazyklin) fördert, spricht man von regulierter Vektor-mediierter Therapie. Die zugrunde liegende Technik ist ein 2-Vektor-System, das aus Transaktivator und Operatorsequenz besteht. Die Gabe von Tetrazyklin führt durch Bindung an das Transaktivatorprotein zur Expression des gewünschten Transgens. Die Ergebnisse sind durchwachsen, insbesondere die ersten Studien bis zum Jahr 2000 zeigten keine wesentliche Wirkung eines Impfstoffs. Studienobjekte waren in etwa gleichem Maß Ratten und Menschen.

Bisherige Probleme bei der Impfung gegen Hypertonie

Ein besonderes Problem stellte die schlechte Einbringungsrate von Genen in Zellen des Gefäßsystems mit mangelnder Selektivität dar. Virus-Promotoren sind kaum bekannt, Targeting-Strategien sind nicht ausgereift. Wir finden eine mangelnde Kontrolle der Intensität bzw. der Dauer der Genexpression. Weiters ist die Erfahrung bislang mangelhaft bzw. treten Nebenwirkungen und Langzeiteffekte von viralen und retroviralen Vektoren auf.
Angiotensin wird auch geblockt, wenn es gebraucht wird, wie etwa bei extremem Wasser- und Salzmangel. Es stellt sich die Frage, was bei Hämorrhagie oder Schock passiert. Darüber hinaus ist immer wieder darauf hinzuweisen, dass es komplexe Blutdruckregelkreise gibt und auch mit einem einzelnen Medikament nicht immer der Blutdruck gesenkt werden kann; dies gilt insbesondere bei Störungen anderer Regelkreise.

ZUSAMMENFASSUNG: Ohne tieferes Verständnis genetischer und molekularer Mechanismen der Hypertonieentwicklung ist eine Impfung gegen Hypertonie nicht möglich.
Das Verständnis genetischer und molekularer Mechanismen in diesem Zusammenhang ist noch verhältnismäßig gering, die meisten Gene sind in ihrer Funktion noch gar nicht bekannt. Seit den 1950er-Jahren wird immer wieder versucht, eine Impfung gegen Hypertonie zu entwickeln. Die Ergebnisse sind bis heute enttäuschend (vergleichbar mit der HIV-Impfung), da die Blutdruckregelkreise komplex sind. Praxisrelevant in mittelfristiger Zukunft ist sicher der Aspekt von Pharmakogenomics zur Optimierung der Auswahl eines Medikaments. Von einer Hypertonieimpfung als erfolgreichem Therapiekonzept sind wir hingegen nach wie vor gleich weit entfernt wie in den 1950er-Jahren.

Foto: AZP Worldwide – shuttersock.com