Die Händedesinfektion ist die wichtigste Maßnahme zur Prävention von Infektionen im Gesundheitswesen. Obwohl dies bekannt ist und die im Gesundheitswesen Tätigen um ihre Bedeutung wissen, wird sie oft nicht ausreichend gut umgesetzt. Wie verschiedene Studien zeigen, wird korrekte Händedesinfektion nur in 40-60% der notwendigen Anwendungsfälle durchgeführt. Diese Zahlen sind länderunabhängig, Unterschiede ergeben sich lediglich in Abhängigkeit von Schulungsmaßnahmen. So wird vor Schulungen oft nur in 40% korrekt desinfiziert, nach Schulungen steigt die Frequenz im Schnitt immerhin auf 60%, in manchen Studien wird durch entsprechende Schulungsmaßnahmen und multimodale Interventionen auch eine Compliance von über 80% erreicht. Prinzipiell wurden diese Zahlen quer über die Berufsgruppen erhoben, in einzelnen Studien wird Pflegekräften eine höhere Compliance attestiert. Andere Publikationen konnten diesen Unterschied nicht zeigen, vor allem dann nicht, wenn nach intensivem Patientenkontakt stratifiziert wurde. Da Pflegekräfte allerdings viel häufiger und unmittelbarer mit dem Körper des Patienten in Kontakt kommen, kann eine auch nur geringgradige Non-Compliance in dieser Berufsgruppe u.U. auch klinisch signifikantere Folgen haben. Unabhängig von Details einzelner Studien ist die Compliance in allen Berufsgruppen jedoch nicht adäquat und bedarf deutlicher Verbesserung.
Der Erkenntnis, dass Compliance insbesondere durch Schulungen hoch gehalten werden kann, trägt auch die WHO in ihrer Strategie zur Händehygiene Rechnung. Da der Schulungseffekt, der in einer Verhaltensänderung resultiert, quer durch alle Studien nur 2-6 Monate anhält, gilt es heute als erwiesen, dass Schulungen und bewusstseinsbildende Maßnahmen mit konstanter Wiederkehr erfolgen müssen.
Er gibt allerdings noch einen ganz anderen Aspekt zu bedenken: Im klinischen Alltag wird wohl niemand wider besseres Wissen vorsätzlich auf die Händehygiene verzichtet. Die Frage laute also, woran es liegt, dass sie nicht durchgeführt wird. Womöglich verhindern neben Wissensdefiziten auch organisatorische und strukturelle Probleme eine adäquate Umsetzung der Händehygiene. Wenn kein Händedesinfektionsmittel vorhanden ist, ist auch die Durchführung der Händedesinfektion nicht möglich. Ist irgendwo ein Händedesinfektionsmittel vorhanden, aber nicht dort, wo es benötigt wird, so kann dennoch keine situationsgerechte Händedesinfektion durchgeführt werden. Um hier eine Unterstützung für das klinisch tätige medizinische Personal zu schaffen, wird daher die Klärung zweier Fragen immer relevanter: wann sollen/müssen Hände desinfiziert werden, und: wie kann das Händedesinfektionsmittel auf die Hände aufgebracht werden.
Zur Klärung der ersten Frage hat die WHO bereits umfangreiches Erklärungs- und Schulungsmaterial erarbeitet. Dies ist in dem WHO-Konzept “5 Momente der Händehygiene” klar zusammengefasst (Abb. 1):
Die Frequenz der Händehygiene alleine sagt somit noch nichts über die Compliance des Personals aus, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Maßnahme im Sinne des Infektionsschutzes durchzuführen. Wichtig ist, dass zum richtigen Zeitpunkt desinfiziert wird, ansonsten kann die Händedesinfektion ihren Sinn nicht erfüllen.
Grundsätzlich müssen alkoholische Händedesinfektionsmittel infolge der Verdunstung des Alkohols in dicht schließenden Gebinden angeliefert und angeboten werden. Der enorme Vorteil von Alkoholen wie n-Propanol, Isopropanol und Ethanol ist in abfallender Effektivität ihre Fähigkeit, hohe bakterielle Reduktionen in sehr kurzer Zeit – je nach Produkt zwischen 15 Sekunden bis 1 Minute – zu erreichen. Die antimikrobielle Effektivität von Alkoholen ist jedoch stark konzentrationsabhängig. So kann beispielsweise die Reduktion der Alkoholkonzentration eines 60%igen v/v Isopropanols um 10% in einen Wirkungsverlust von 1,5 bis 2 Log-Stufen, also um den Faktor 10- bis 100-fach, resultieren.
Die im Gesundheitswesen angebotenen Händedesinfektionsmittelgebinde können in ihrer einfachsten Form als 500-ml- oder 1.000-ml-Gebinde mit Klappverschluss, Gebinde mit aufgeschraubten Pumpköpfen, Gebinde in Desinfektionsmittelspendern, welche mittels ellbogenbedienbarem Hebel oder Sensorsteuerung ohne Einsatz der Hände bedient werden können, oder als Kittelflaschen angeboten werden.
Desinfektionsmittel – Antiseptika: begriffliche Abgrenzung |
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Im Prinzip kann ein Desinfektionsmittel auch ein Antiseptikum sein und umgekehrt. Die strenge sprachliche Trennung zwischen den beiden Begriffen ergibt sich jedoch durch den Zweck und den Ort der Anwendung. Desinfektionsmittel sind Antiinfektiva, die auf einem unbelebten Gegenstand wie z.B. einer Fläche eingesetzt werden. Demgegenüber werden Antiseptika auf belebten Objekten wie z.B. der Haut, eingesetzt. Einzige Ausnahme ist die Händedesinfektion, die sprachlogisch eigentlich Händeantiseptik heißen müsste. Da die Hände des Behandlers als wichtigstes medizinisches Gerät jedoch als Instrumente zu verstehen sind, spricht der Hygieniker ganz bewusst von Händedesinfektion im Sinne einer Instrumentendesinfektion. |
Kittelflaschen: Der Vorteil von Kittelflaschen liegt darin, dass Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen, welche mit ihnen auch ausgestattet werden, immer am richtigen Ort zur richtigen Zeit eine Händedesinfektion durchführen können. Demzufolge wäre anzunehmen, dass der Einsatz von Kittelflaschen die Compliance der Händehygiene drastisch steigern könnte. Studien, die eine Verwendung von Kittelflaschen gegenüber an Wänden montierten Händedesinfektionsmittelspendern verglichen haben, waren bisher allerdings nicht in der Lage, einen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Verbesserung der Compliance der Händehygiene darzustellen1. Dies liegt wohl daran, dass Kittelflaschen im Rahmen von Studien fast immer als Teil einer multimodalen Intervention zur Steigerung der Händehygiene-Compliance eingesetzt wurden2, allerdings auch darin, dass mit ihrem Einsatz einige nicht befriedigend gelöste Probleme einhergehen. Viele Kittelflaschen werden aus nichttransparentem Kunststoff hergestellt, welche keine einfache Kontrolle des Füllstandes erlauben. Ebenfalls problematisch ist das unreflektierte Füllvolumen, da Kittelflaschen in sehr unterschiedlichen Größen angeboten werden, wobei Gebindevolumina von 5 ml bis 175 ml schwanken können. Zu kleine Volumina sind bei häufiger Anwendung sinnlos, da sofort leer, zu große Volumina tragen zu einem erhöhten Gewicht bei, welches man mit sich tragen muss. Daher empfiehlt die WHO für Kittelflaschen eine Volumengröße von 100 ml. Das Hauptproblem von Kittelflaschen ist jedoch das absolut ungünstige Mengen-Preis-Verhältnis. Tatsächlich kostet hier das Gebinde überproportional mehr als der Inhalt, womit aus wirtschaftlicher Sicht der Einsatz von Kittelflaschen stark diskutiert wird. Zu dieser Kontroverse addieren sich zusätzlich die Notwendigkeit einer diffizileren Logistik hinsichtlich Lagerkapazitäten, Distribution und erhöhte Entsorgungskosten, da Kittelflaschen Einweggebinde sind.
Aus diesen Gründen und da Kittelflaschen nur der Person die Händedesinfektion erlauben, die eine Kittelflasche mit sich führt, nicht jedoch Patienten oder Besuchern einer Gesundheitseinrichtung, sieht die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene in ihrer “Empfehlung zu Anforderungen an Seifen- und Händedesinfektionsmittelspender in Einrichtungen des Gesundheitswesens”3 Kittelflaschen nur als Kompromiss, wenn auch Händedesinfektionsmittelspender zur Verfügung gestellt werden können.
Gebinde mit Pumpköpfen: Der Einsatz von 500-ml- oder 1.000-ml-Gebinden mit bloßem Klappverschluss ist im klinischen Alltag untauglich. Es müssten viele Flaschen aufgestellt werden, die sich dann oft nicht an der Stelle befinden, an der sie gebraucht werden. Neben dem Problem der raschen Alkoholverdunstung bei nicht ordentlichem Wiederverschluss kommt ein extrem hoher Verbrauch des Händedesinfektionsmittels hinzu, welcher nicht nur per se unökonomisch ist, sondern infolge Verschüttens auch die in Einrichtungen des Gesundheitswesens glatten Bodenbeläge verfärben und ruinieren kann.
Die beiden letzten Probleme können durch Verwendung von aufschraubbaren Pumpköpfen minimiert werden. So einfach die Idee auch ist und sosehr sie wohl auch die kostengünstigste Variante des Anbietens von alkoholischen Händedesinfektionsmitteln in Gesundheitseinrichtungen darstellen mögen, so wenig durchdacht ist die Frage der technischen Anforderungen an Pumpköpfe hinsichtlich Dichtheit zur Verhinderung der Alkoholverdunstung und der Wiederaufbereitung der Pumpen. Denn bisher findet sich kein Hersteller weltweit, der in der Lage wäre, Händedesinfektionsmittelgebinde mit bereits angebrachten Pumpköpfen zu liefern. Die Pumpköpfe müssen daher vom Personal manuell auf ein neues Gebinde angebracht werden. Auf Grund der Rückfetter in alkoholischen Händedesinfektionsmitteln neigen solche Pumpen zum Verseifen und Verkleben, wodurch ebenfalls ein periodischen Reinigen der Pumpköpfe mit allen assoziierten logistischen Herausforderungen erforderlich ist. Somit ist der initiale Vorteil und der billige und rasche Einsatz hinten herum wieder durch erhöhten Wartungsaufwand und Kosten der Neubeschaffung aufgehoben.
Desinfektionsmittelspender: Händedesinfektionsmittelspender werden heute in vielfacher Form, Funktion und Bauart von zahlreichen Herstellern angeboten. Die Varianten reichen hier vom ellbogenbedienbaren über fußbedienbare bis zu völlig berührungsfrei bedienbaren Sensorspendern. Letztere können auch horizontal oder ganz frei aufgestellt werden, ellbogenbedienbare Spender benötigen zur Montage jedoch eine vertikale Fläche und können nicht flexibel montiert werden.
Händedesinfektionsmittelspender müssen händebedienfrei, also z.B. ellbogenbedienbar oder sensorgesteuert, einsetzbar sein. Beide Varianten sind zulässig, wobei bei ellbogenbedienbaren Modellen darauf zu achten ist, dass diese fest an einer vertikalen Fläche angebracht sein müssen, da sonst eine ordnungsgemäße Bedienung nicht möglich ist. An architektonisch schwierig gestalteten Flächen können sensorgesteuerte Händedesinfektionsmittelspender dieses Problem oft lösen. Anforderungen an die Bauart von Flüssigseifen- und Händedesinfektionsmittelspender wurden unlängst von der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene sowie des Begutachtungsausschusses der Österreichischen Gesellschaft für Hygiene, Mikrobiologie und Präventivmedizin veröffentlicht.
Neben der Bedachtnahme an die Bauart eines Händedesinfektionsmittelspenders ist die Überlegung der Aufstellung entscheidend. Allein das Vorhandensein eines Händedesinfektionsmittelspenders ist noch kein Garant für dessen sinnvolle Verwendung und Bedienbarkeit. Häufig sind Spender so montiert, dass sie zwar vorhanden sind, allerdings nicht oder nur unter erheblichem Aufwand zu bedienen sind. Auf die optimale Planung des Bedarfs, Standortlokalisation und Bereitstellung der Mittel wird oft zu wenig Bedacht genommen. Wird der Spender selbst oder die Fläche rundherum als Ablage verwendet (Abb. 2), verhindert dies ebenso die korrekte Anwendung wie Händedesinfektionsmittel, die zu weit vom notwendigen Ort der Anwendung entfernt sind oder nach Gebrauch eine neuerlicher Kontamination der Hände vor Zubereitung von Arzneimittelspezialitäten nicht ausschließen lassen. Als Faustregel gilt, dass der Händedesinfektionsmittelspender dort angebracht werden muss, wo eine Händedesinfektion auch tatsächlich erfolgen muss.
Einige der genannten Methoden haben Vorteile, allen gemeinsam sind jedoch Nachteile sowie bis heute nicht restlos befriedigend gelöster Teilaspekte.
Denn allein das Vorhandensein eines Händedesinfektionsmittelspenders ist noch kein Garant für dessen Verwendung und die Bedienbarkeit. Häufig sind diese so montiert, dass sie zwar vorhanden sind, allerdings nicht oder nur unter erheblichem Aufwand zu bedienen sind. Auf die optimale Planung des Bedarfs, Standortlokalisation und Bereitstellung der Mittel wird derzeit zu wenig Bedacht genommen. Das bloße Vorhandensein von Händedesinfektionsmittelspendern an einer Abteilung bedeutet daher noch lange nicht, dass dieser auch im Sinne der Händehygiene und des Infektionsschutzes verwendet werden kann.
Auch die organisatorischen Abläufe sind entscheidend für die Auswahl des Standorts. Wie wichtig die durchdachte Verortung und Auswahl des Spenders sind, zeigt sich im Extremfall dann, wenn durch eine geringfügige Änderung von organisatorischen Abläufen, wie z.B. durch Umgestaltung eines Raumes oder nur durch Benützung eines anderen Eingangs, bei dem kein Spender montiert ist, eine Zunahme an Infektionen oder Besiedelungen mit bestimmten Problemerregern zu beobachten ist. Wenn in der Organisation etwas geändert wird und sei es nur für die Zeit eines Umbaus, muss auch an die Verortung der Desinfektionsmittelspender gedacht werden.
1 Haas J. P., Larson E. L.: Impact of wearable alcohol gel dispensers on hand hygiene in an emergency department. Academic Emergency Medicine 2008; 15:393-396
2 Pittet D., Hugonnet S., Harbarth S., Mourouga P., Sauvan V., Touveneau S., Perneger T. V.: Effectiveness of a hospital-wide programme to improve compliance with hand hygiene. Lancet 2000; 356:1307-1312
3 Assadian O., Kramer A., Christiansen B., Exner M., Martiny H., Sorger A., Suchomel M., Hyg Med 2011; 36:407-408