Mit steigender Lebenserwartung der Menschen nehmen Leistungsfähigkeit und Funktionalität vieler Organe ab, und auftretende, altersbedingte Erkrankungen müssen mit Medikamenten bekämpft werden. Obwohl Nahrung naturgemäß die häufigste Substanz ist, die zusammen mit Arzneistoffen zugeführt wird, findet die wechselseitige Beeinflussung zwischen Nahrungsmitteln und Medikamenten oft wenig Beachtung. Peroral eingenommene Pharmaka durchlaufen die gleichen Metaboli-sierungsschritte wie Nährstoffe, daher sind Interaktionen sowohl in den pharmakokinetischen als auch in den pharmakodynamischen Phasen möglich. Klinisch relevante Auswirkungen, die zu einer Verminderung des Therapieerfolges oder zu Nährstoffdefiziten führen können, sind dadurch oftmals die Konsequenz. Werden die möglichen Ursachen nicht richtig interpretiert, sondern wiederum mit einem weiteren Medikament behandelt, ist durch diese Verschreibungskaskade der Polypharmazie Tür und Tor geöffnet. Nicht vergessen werden dürfen zusätzlich eingenommene Nahrungsergänzungsmittel oder Phytopharmaka (deren Verwendung der Arzt oft erst erfragen muss), da auch sie mit Arzneistoffen interagieren können. Bei der Vielzahl an Pharmaka in unterschiedlichen galenischer Darreichungsformen und der Mannigfaltigkeit unserer Ernährung, können im Folgenden nur einige Beispiele für Interaktionen zwischen Nahrung und Arzneimitteln wiedergegeben werden.
Wechselwirkungen mit Grapefruit: Eine der inzwischen bekanntesten pharmakokinetischen Wechselwirkungen zwischen Nahrungsmitteln und Arzneistoffen betrifft Grapefruitsaft und Grapefruitprodukte, wobei es zu einer irreversiblen Hemmung des Cytochrom-P450-Isoenzyms CYP3A4 in der Darmwand kommt. Das Enzym katalysiert den oxidativen Metabolismus vieler Substanzen bei der Resorption über die Darmschleimhaut und ist somit für den intestinalen oder präsystemischen First-Pass-Effekt verantwortlich. Wird das Enzym durch Grapefruitprodukte inaktiviert, verringert dies den intestinalen First-Pass-Effekt, und die Bioverfügbarkeit des Arzneistoffs nimmt zu. Da die Zeitspanne dieses Effektes sehr variabel sein kann (24–72 h), ist eine zeitliche Trennung zwischen der Einnahme eines Medikaments und dem Verzehr von Grapefruitprodukten zur Vermeidung der Wechselwirkung leider keine Lösung. Zudem ist das Ausmaß der Wechselwirkung individuell unterschiedlich und nicht vorhersagbar. Es wird empfohlen, den Verzehr von Grapefruitprodukten bereits 3 Tage vor Beginn einer Arzneimitteltherapie einzustellen.
Wechselwirkungen mit Ca, Fe, Mg, Al, Zn: Mit kalziumhältigen Nahrungsmitteln (Milchprodukte, mit Ca angereicherte Cornflakes und ebensolcher Orangensaft, Mineralwasser Alpquell, Astoria, Juvina, Long-Life, Preblauer, Rogaska, Tiroler Quelle) kommt es zu einer Komplexbildung mit Doxycyclin und Bisphosphonaten. Dies führt zu einer wesentlich schlechteren Bioverfügbarkeit der Arzneistoffe. Bisphosphonate haben an sich schon eine sehr geringe Bioverfügbarkeit, und Kalziumionen setzen diese nochmals deutlich herab.
Wechselwirkungen mit Zitraten: K-, Mg-, Na-Salze der Zitronensäure können die gastrointestinale Resorption von Aluminium (z. B. enthalten in Antazida) empfindlich erhöhen. Zitrate finden sich z. B. als Zusatzstoff E 330 in verschiedenen Lebensmitteln (z. B. Obstsäften, Cola, Eis, Eistee, Instanttees, Desserts, Drops, Zitrusfrüchten, Fleisch, Käse, Süß- und Teigwaren). Auch die als „Basenpulver“ beliebten Nahrungsergänzungsmittel können größere Mengen an Zitraten enthalten. Erhöhte Blutspiegel von Aluminium bei niereninsuffizienten Patienten können als kausaler Faktor für toxische Wirkungen (z. B. Enzephalopathien) betrachtet werden.
Wechselwirkungen mit Eisenverbindungen: Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt an Phytaten (z. B. Soja, Hülsenfrüchte, Mais, Weizen, Gersten- und Roggenkleie, Erdnüsse, Zerealien) und Gerbstoffen (z. B. schwarzer Tee, Kaffee, Guarana) verringern die Resorption von Eisen(II)Sulfat und Eisen(II)Glukonat durch Komplexbildung. Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt an Ascorbinsäure (Vitamin C) und Fruchtsäuren steigern hingegen die Resorption der Eisensalze. Eine optimale Bioverfügbarkeit ist nur dann gewährleistet, wenn zu den Nahrungsmitteln ein zeitlicher Abstand von einer halben bis einer Stunde vor bzw. drei Stunden nach der Aufnahme eingehalten wird.
Wechselwirkungen mit unlöslichen Ballaststoffen und/oder Soja-Produkten: Unlösliche Ballaststoffe – z. B. in Getreide, Vollkornzerealien, Hafer-, Weizenkleie, Flohsamen – können die Bioverfügbarkeit von Digitalisglykosiden vermindern, hier ist eine Resorptionsverzögerung bis zu 6 Stunden möglich. Bei Phenoxymethylpenicillin wurde eine Abnahme der Bioverfügbarkeit um ca. 28 % beobachtet. Haferkleie kann die Resorption des Lipidsenkers Lovastatin so vehement hemmen, dass die lipidsenkende Wirkung auf ein Minimum reduziert wird. Bei Patienten mit Hypothyreose, die täglich eine größere Menge unlöslicher Ballaststoffe zu sich nehmen, soll die Levothyroxin-Dosis entsprechend angepasst werden. Die Einnahme von Levothyroxin mit Sojaprodukten und/oder unlöslichen Ballaststoffen verändert die Resorption beträchtlich, deshalb gilt in diesem Fall die Empfehlung, das Medikament morgens nüchtern, mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück einzunehmen.
Wechselwirkungen mit GOJI-Beeren: Goji-Beeren sind die Früchte des Gemeinen Bocks-dorns (Lycium barbarum), die getrockneten roten Beeren liegen derzeit im Trend und werden in allen Lebensmittelgeschäften angeboten.
Einige Fallberichte deuten darauf hin, dass auch die Inhaltsstoffe von Goji-Beeren, vermutlich über eine Blockade von CYP2C9 (der genaue Mechanismus ist nicht bekannt), die Plasmaspiegel von Vitamin-K-Antagonisten steigern können. Es wird empfohlen, bei Genuss die INR-Werte engmaschig zu überwachen.
Wechselwirkungen mit grünem Tee: Eine mögliche Interaktion von grünem Tee mit Vitamin-K-Antagonisten hängt vom Vitamin-K-Gehalt der Pflanzendroge ab. Daher basiert das Ausmaß und die klinische Relevanz einer Interaktion auf der Zubereitung (verwendeter Menge an Teeblättern) und der konsumierten Menge des Tees. Der Genuss größerer Mengen grünen Tees kann zu einem Abfall des INR-Wertes führen. Bei normalem Konsum von grünem Tee scheint eine klinisch relevante Auswirkung auf die Antikoagulation durch Vitamin-K-Antagonisten jedoch eher unwahrscheinlich.
Wechselwirkungen mit Knoblauch: Gleichzeitige Einnahme von Knoblauch oder Nahrungsergänzungsmitteln mit Knoblauchextrakt und Vitamin-K-Antagonisten kann die Wirkung der blutgerinnungshemmenden Arzneimittel verstärken. Auch Thrombozytenaggregationshemmer zeigen diese Wirkungsverstärkung. Wechselwirkungen können bei einer Dosierung eintreten, die der Einnahme von 2 Knoblauchzehen (mit jeweils 4 g) pro Tag entspricht. Dies ist eine Menge an Knoblauch, die im täglichen Essen selten, aber als Extrakt in Kapseln durchaus erreicht werden kann.
Wechselwirkungen mit Guar: Guarkernmehl, gewonnen aus dem Samen der Guarbohne, wird weit verbreitet als Verdickungsmittel (E412) in der Lebensmittelindustrie verwendet, enzymatisch hydrolisiert findet es in Form eines Pulvers Anwendung bei Obstipation bzw. Diarrhö. Bei Verwendung von ca. 10 g kann es im Gastrointestinaltrakt zu verminderter und verzögerter Resorption von Digitalis-Glykosiden, Metformin und Phenoxymethylpenicillin kommen. Zwischen Einnahme der Medikamente und Guar soll deshalb ein größerer Abstand eingehalten werden.
Wechselwirkungen mit Mikronährstoffen: Eine Vielzahl unerwünschter Arzneimittelwirkungen entwickelt sich durch medikamenteninduzierte Störungen des Mikronährstoffhaushaltes. Medikamente können in verschiedener Weise mit dem Vitaminstoffwechsel interagieren. Längere Zeit unbeachtet, kann auf diese Weise, besonders bei Patienten im höheren Lebensalter oder chronisch Kranken, eine negative Vitaminbilanz entstehen. In der Tabelle werden beispielhaft einige Wechselwirkungen dargestellt.
Wechselwirkungen mit Vitamin D: Nach mehreren Monaten einer Dauertherapie mit Carbamazepin, Phenytoin oder Primidon kann ein Vitamin-D-Mangel mit asymptomatischer Hypokalziämie bis hin zur Osteomalazie entstehen (Osteopathia antiepileptica). Wahrscheinlich beschleunigen die Antiepileptika den oxidativen Metabolismus der Vitamin-D-Derivate.
Wechselwirkungen mit Coenzym Q10 (Ubichinon): Coenzym Q10 ist ein fettlöslicher Wirkstoff, der vom menschlichen Körper selbst produziert werden kann und daher nicht zu den Vitaminen gezählt wird. Statine hemmen durch Blockade des Enzyms HMG-CoA-Reduktase neben der Cholesterolsynthese auch die Biosynthese von Coenzym Q10. Es liegt daher nahe, mit einer gleichzeitigen Q10-Einnahme einem unerwünschten Mangel vorzubeugen. Gute evidenzbasierte Studien dazu fehlen jedoch bisher.
Die Interaktionen zwischen Arznei- und Nährstoffen sind weitreichend und leider nicht immer mit guten Studien belegt. Mit dem technischen Fortschritt in der Nahrungsmittelverarbeitung wird in Zukunft die Menge der Lebensmittel, die unterschiedlichste Stoffe als biologisch aktive Komponenten enthalten (Functional Food, Novel Food, Nutraceuticals) voraussichtlich stark zunehmen. Auch der Trend zum Angebot unterschiedlichster „exotischer Produkte“ in den Supermärkten lässt die Zukunft der Arzneimittel-Nahrungsmittel-Interaktionen spannend bleiben, da hier das Wissen um mögliche Interaktionen in vieler Hinsicht noch eine „terra incognita“ darstellt.
Es bleibt zu wünschen, dass die Erforschung der spezifischen Wechselwirkungen im Fokus weiterer Studien liegen wird.
Die vorliegenden Informationen wurden nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Die möglichen Interaktionen betreffen jedoch weit mehr Produkte, als in dem Artikel angegeben werden konnten.