Auch dieses Jahr gab es am International Liver Congress (ILC) wieder eine Vielzahl hervorragender Beiträge von jungen Wissenschaftern aus aller Welt. Um die Präsentation von Beiträgen aus diesem Bereich zu fördern, hat die European Association for the Study of the Liver (EASL) Reiseunterstützungen für die 200 besten Beiträge von Wissenschaftern unter 35 Jahren vergeben. Die nachfolgende Präsentation dieser Beiträge kann nur eine subjektive Selektion darstellen, die aber keinesfalls den Anspruch auf eine vollständige Darstellung aller relevanten Beiträge von jungen Wissenschaftern erheben kann.
Al-Akkad W et al., PS-209: Eine sehr interessante Arbeit aus dem präklinischen Bereich beschäftigte sich mit der De- und Rezellularisierung einer kompletten Kinderleber (Explantation wegen Crigler-Najjar-Syndrom). Die Autoren beschrieben die Dezellularisierung der Leber unter Erhalt der extrazellulären Matrix und der Mikroarchitektur mit anschließender Perfusion dieses kompletten „Lebergerüsts“ mit „neuen“ Leberzellen (2 × 109 HepG2-Zellen). Die jungen Autoren konnten demonstrieren, dass die neu rezellularisierte Leber nicht nur in der Lage war, Albumin zu synthetisieren, sondern dass die Zellen auch in alle Lebersegmente mit Ausnahme des Segmentes 1 migriert sind. Laut den Autoren könnte damit in Zukunft der Organpool zur Lebertransplantation erhöht werden bzw. könnte diese Technik die Entwicklung neuer extrakorporaler Verfahren ermöglichen.
Ein weiterer Schwerpunkt wurde beim diesjährigen Kongress auf jene Lebererkrankung gelegt, deren Prävalenz weltweit am schnellsten zunimmt – der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung. Obwohl einige medikamentöse Therapieoptionen vielversprechende Ergebnisse in klinischen Studien gezeigt haben, gibt es dennoch keine zugelassenen medikamentösen Therapien. Aus diesem Grund ist eine Lebensstilmodifikation mit körperlicher Betätigung und Gewichtsreduktion weiterhin die Therapie der Wahl bei diesen Patienten.
O’Gorman P et al., PS-105: Eine Gruppe aus Irland konnte in einer biopsiekontrollierten Studie an 25 Patienten (16 Patienten in der Interventionsgruppe vs. 9 Patienten in der Kontrollgruppe) zeigen, dass eine 12-wöchige intensive Trainingstherapie mit 5 Trainings pro Woche zwar sowohl histologische Fibrose als auch Marker des metabolischen Syndroms signifikant verbessern konnte (BMI, Fettmasse, HbA1c), die meisten dieser positiven Effekte verschwanden jedoch nach 3 Monaten ohne Weiterführung des strukturierten Trainingsprogrammes wieder. Die Autoren schlossen daraus, dass dieses Training im Rahmen von größer angelegten Programmen weitergeführt werden müsste.
Auch dieses Jahr war das Interesse an cholestatischen Lebererkrankungen ungebrochen.
Smets L et al., LBO-05: Eine belgische Gruppe untersuchte die Effekte einer additiven Therapie mit Bezafibrat zusätzlich zu Ursodeoxycholsäure (UDCA) und Obeticholsäure (OCA) bei Patienten mit primär biliärer Zirrhose und einem inadäquaten Ansprechen auf UDCA-Therapie. In Summe konnten 16 Patienten aus der POISE-(PBC OCA International Study of Efficacy-)Studie eingeschlossen werden, von denen schlussendlich 9 Patienten eine Bezafibrat-Therapie erhielten. Während nach 4–5 Jahren dualer Therapie mit OCA + UDCA keiner der Patienten den primären Endpunkt (normale alkalische Phosphatase [AP] und normales Bilirubin) erreichte, erzielten 4/9 Patienten (44 %) nach 6 Monaten Triple-Therapie eine Normalisierung der AP, 8/9 Patienten (89 %) hatten zu Studienende ein normales Bilirubin. Zusätzlich berichteten 5/7 Patienten (71 %) von einer Verbesserung des Juckreizes.
Im Bereich portale Hypertension und Komplikationen bei fortgeschrittener Lebererkrankung wurde den pleiotropen Wirkungen von Albumin und den potenziellen Effekten einer Albuminsubstitution bei Patienten mit dekompensierter Lebererkrankung viel Aufmerksamkeit gewidmet. Neben diesen großen multizentrischen Studien gab es auch einige hochinteressante Beiträge von jungen Wissenschaftern.
Koshy A et al., PS-088: Die Entwicklung eines hepatorenalen Syndroms (HRS) ist bei Patienten mit End-Stage Liver Disease (ESLD) mit einer sehr hohen Mortalität assoziiert. Eine australische Gruppe untersuchte den Einfluss einer reduzierten kardialen kontraktilen Reserve auf die Entwicklung eines HRS. Dafür analysierten die Kollegen retrospektiv 560 Patienten, die vor Lebertransplantation eine elektive (Dobutamin-)Stress-Echokardiografie erhielten. Interessanterweise hatten Patienten, die später ein HRS entwickelten, zum Zeitpunkt der Untersuchung einen signifikant höheren Cardiac Output (CO), jedoch eine deutlich reduzierte kontraktile Reserve. Letztere war vor allem durch einen geringeren Herzfrequenzanstieg unter Dobutamin-Therapie bedingt. Nach Korrektur auf verschiedene Faktoren war die reduzierte kontraktile Reserve der stärkste Prädiktor für die Entwicklung eines HRS und könnte laut den Autoren einen neuen, nichtinvasiven Frühzeitparameter darstellen, um Patienten zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines HRS haben.
Tergast TL et al., PS-081: In den letzten Jahren suggerierten einige Studien, dass eine Blutungsprophylaxe mit nichtselektiven Betablockern (NSBB) bei einer gewissen Untergruppe von Patienten möglicherweise die Mortalität erhöhen könnte. In diesem Zusammenhang wurde die sogenannte „Window-Theorie“ entwickelt, nach der sich das Fenster für eine solche Behandlung möglicherweise schließt, wenn Patienten einen refraktären Aszites oder eine spontan bakterielle Peritonitis (SBP) entwickeln. In einer retrospektiven deutschen Studie wurde nun versucht, das therapeutische Fenster für eine NSBB-Therapie genauer zu definieren. Während mit NSBB therapierte Patienten mit akut-auf-chronischem Leberversagen (ACLF) oder mit SBP in dieser Studie weiterhin einen Überlebensvorteil hatten, verschwanden diese Vorteile bei Patienten mit einem mittleren arteriellen Blutdruck < 65 mmHg. Zudem stieg in diesem Kollektiv unter NSBB-Therapie die Rate an Nierenfunktionsstörungen. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Entwicklung einer Hypotension möglicherweise der beste Parameter für die Definition des therapeutischen Fensters für eine NSBB-Therapie in diesem Kollektiv darstellt.
Scheiner B et al., PS-138: Zu guter Letzt möchten wir einen eigenen Beitrag aus dem Bereich des hepatozellulären Karzinoms (HCC) vorstellen. Während rezent einige neue Therapieoptionen bei Patienten mit fortgeschrittenem HCC zugelassen wurden, ist das therapeutische Armamentarium bei Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung bzw. mit extensiven Vortherapien weiterhin eingeschränkt. Als potenzielle Therapieoption werden zunehmend Immuntherapien, wie Antikörper gegen das Programmed Cell Death Protein-1 (PD-1), beim HCC getestet. Unsere internationale, multizentrische „Real world“-Kohorte umfasste 65 HCC-Patienten, die entweder mit Nivolumab oder mit Pembrolizumab therapiert wurden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass etwa 13 % der behandelten Patienten ein Ansprechen auf diese Therapien zeigten bzw. bei 59 % die Erkrankung zumindest temporär kontrolliert werden konnte. Somit konnte in diesem extensiv vortherapierten Kollektiv ein medianes Überleben von etwa 11 Monaten erzielt werden. Zusätzlich waren Effektivität und Sicherheit der Therapie vergleichbar bei Patienten mit Child-Pugh-A- und -B-Zirrhosestadium bzw. bei Patienten, die die Immuntherapie als Erst- oder Zweit- bzw. als Dritt- oder Viertlinientherapie erhalten hatten.